Volksfest – und wer zahlt die GEMA?

Der GEMA steht kein Zahlungsanspruch gegen eine Stadt wegen sämtlicher Veranstaltungen mit öffentlicher Musikwiedergabe während eines Volksfestes zu, sofern die Stadt nicht zumindest (Mit-)Veranstalter dieses Volksfestes ist.

Vor dem Landgericht Kiel stritten die GEMA und die Stadt Kiel um Urheberrechtsvergütungen für die Kieler Woche. Anders als für die jeweilige „Kieler Woche“ in den Jahren 1995 bis 2005 schlossen die GEMA und die Stadt Kiel für die „Kieler Woche“ in den Jahren 2006 bis 2008 keine Verträge über eine pauschale Einräumung des Rechts zur öffentlichen Wiedergabe von Musikdarbietungen ab. Allerdings schlossen die Parteien in diesen Jahren jeweils stillschweigend Nutzungsverträge im Sinne von § 11 Abs. 1 UrhWG für bestimmte einzelne Veranstaltungen der Stadt Kiel ab, indem die GEMA der Stadt Kiel jeweils schriftlich mitteilte, welche Musikdarbietung sie selbst durchführte bzw. initiierte, so zum Beispiel mit Schreiben vom 21.06.2006, und für welche die GEMA nachfolgend jeweils Gebühren in Rechnung stellte, so zum Beispiel mit der Rechnung vom 19.07.2006. Die jeweiligen Mitteilungen der Stadt Kiel an die GEMA umfassten sowohl von ihr – der Stadt Kiel – als eigene Veranstaltungen bezeichnete Live-Musikdarbietungen als auch Tonträgerwiedergaben im Zusammenhang mit von ihr durchgeführten Veranstaltungen u. a. auf der Krusenkoppel, der Rathausbühne und dem „Holstenbummel“. Zwar erteilte die GEMA nachfolgend jeweils keine ausdrückliche Einwilligung im Sinne von § 13b Abs. 1 UrhWG in die Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken; indem die GEMA aber jeweils Abrechnungen für die von der Stadt Kiel angezeigten Musikveranstaltungen erteilte, willigte sie in die öffentliche Wiedergabe der konkret angezeigten Musikdarbietungen konkludent ein und räumte der Stadt Kiel die entsprechenden Nutzungsrechte wirksam ein1.

Weitergehende formlose oder konkludente Vereinbarungen der Parteien über urheberrechtliche Nutzungsrechte für Musikdarbietungen der Stadt Kiel anlässlich der „Kieler Woche“ in den Jahren 2006 bis 2008 gab es nicht. Die Stadt Kiel strebte eine weitergehende Rechteeinräumung bereits gar nicht an, weil sie sich nicht als Veranstalterin bzw. Mitveranstalterin weiterer Musikdarbietungen im Rahmen der jeweiligen „Kieler Woche“ ansah und der GEMA dementsprechend auch keine weiteren Musikdarbietungen im Sinne von § 13b Abs. 1 UrhG mitteilte. Soweit die Stadt Kiel der GEMA mit Schreiben vom 08.03.2006 einen Lageplan „über alle genutzten Flächen zur Kieler Woche“ des Jahres 2006 übersandte, handelte es sich offensichtlich nicht um eine – auch nicht stillschweigende – Bitte um die Einwilligung in die öffentliche Wiedergabe von Musikwerken auf allen darin aufgeführten Flächen, weil bestimmte Musikdarbietungen darin gar nicht genannt wurden. Zudem war auch der GEMA aus der seit dem Jahre 2002 im Zusammenhang mit pauschalen Lizenzverträgen geführten Korrespondenz bewusst, dass die Stadt Kiel sich nicht als Veranstalterin sämtlicher Musikdarbietungen auf allen anlässlich der „Kieler Woche“ genutzten Flächen ansah.

Eine vertragliche Einräumung von Nutzungsrechten gemäß § 11 Abs. 2 UrhWG kommt für den streitgegenständlichen Zeitraum ebenfalls nicht in Betracht. Danach gelten Nutzungsrechte als eingeräumt, wenn eine Einigung über die Höhe der Vergütung für die Einräumung der Nutzungsrechte nicht zustande kommt, die Vergütung in Höhe des vom Nutzer anerkannten Betrages an die Verwertungsgesellschaft gezahlt und in Höhe der darüber hinausgehenden Forderung der Verwertungsgesellschaft unter Vorbehalt an die Verwertungsgesellschaft gezahlt oder zu ihren Gunsten hinterlegt worden ist2. Das war vorliegend nicht der Fall. Die Stadt Kiel zahlte zwar einen Teil der streitgegenständlichen Rechnungsbeträge für die Jahre 2006 bis 2008 an die GEMA und erkannte insoweit deren Vergütungsanspruch im Sinne von § 11 Abs. 2 UrhWG an, allerdings zahlte die Stadt Kiel die darüber hinausgehenden Rechnungsbeträge weder unter Vorbehalt noch hinterlegte sie diese zugunsten der GEMA.

Da im Übrigen spätestens seit dem Jahr 2005 ein offener Dissens der Parteien im Sinne von § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB über die (Gesamt-)Veranstaltereigenschaft der Stadt Kiel für die „Kieler Woche“ bestand, kommt eine Zahlungsverpflichtung der Stadt Kiel aus weiteren Nutzungsvereinbarungen der Parteien für Musikdarbietungen anlässlich der „Kieler Woche“ in den Jahren 2006 bis 2008 nicht in Betracht.

Der GEMA steht auch kein Schadensersatzspruch auf der Grundlage von § 97 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG gegen die Stadt Kiel zu.

Danach ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urhebergesetz geschütztes Recht durch eine vorsätzliche oder fahrlässige Handlung widerrechtlich verletzt. Eine widerrechtliche Urheberrechtsverletzung begeht im Ausgangspunkt, wer ein Werk nutzt, ohne das Nutzungsrecht erworben zu haben. Eine Urheberrechtsverletzung begeht insbesondere auch, wer ein Werk öffentlich wiedergibt, ohne sich als Veranstalter im Sinne von § 13b UrhWG auf eine vorherige Einwilligung der Verwertungsgesellschaft stützen zu können3.

Die Stadt Kiel war jedoch weder Veranstalterin oder Mitveranstalterin sämtlicher öffentlicher Musikwiedergaben im Rahmen der „Kieler Woche“ in den Jahren 2006 bis 2008 und hat insoweit keine Pflichten aus §13b UrhWG verletzt, noch hat sie in anderer Weise in diesem Zeitraum im Zusammenhang mit Musikwiedergaben durch Dritte Urheberrechte verletzt.

Bei Darbietungen des ausübenden Künstlers, also insbesondere öffentliche Darbietungen von Musikern (Live-Musikdarbietungen/Konzerte)4, ist gemäß § 81 UrhG Veranstalter derjenige, der sie angeordnet hat oder durch dessen Tätigkeit sie „ins Werk gesetzt“ worden sind. Zu den typischen Handlungen eines Konzertveranstalters gehören insbesondere der Abschluss von Verträgen mit den ausübenden Künstlern und dem Publikum, die Gestaltung des Programms, die Anmietung des Veranstaltungsraums, die Übernahme von Nebengeschäften, wie z. B. Werbung und Kartenverkauf, sowie technische Unterstützungsleistungen. Da auch im Zusammenhang mit der Durchführung von Konzertveranstaltungen vielfach eine ausgeprägte Arbeitsteilung anzutreffen ist und sich die Kooperationspartner angesichts moderner Kommunikationsmittel wie Telefax oder Email oft nicht einmal persönlich kennen, kann die Eigenschaft als Veranstalter nicht nur einer Person oder einem Unternehmen obliegen, sondern es können unter Umständen weitere Organisatoren als Mitveranstalter daneben ebenfalls verantwortlich sein. Nicht Veranstalter ist derjenige, der lediglich die für die Aufführung erforderlichen äußerlichen Vorkehrungen trifft. Das bloße Zurverfügungstellen eines Veranstaltungsraumes macht den Betreffenden noch nicht zum Veranstalter. Entscheidend ist, dass der Veranstalter einen maßgebenden Einfluss auf die Veranstaltung hat, und dass – bei einer arbeitsteiligen Organisation – in der Gesamtschau die jeweiligen Beiträge ein solches Gewicht haben, dass eine Aufführung gemeinsam ins Werk gesetzt worden ist5.

In welchem Umfang die Stadt Kiel im Rahmen der „Kieler Woche“ in den Jahren 2006 bis 2008 weitere als die der GEMA mitgeteilten Konzerte bzw. Live-Musikdarbietungen im Sinne von § 81 UrhG veranstaltet oder mitveranstaltet haben soll, trägt die GEMA nicht vor. Neben der unstreitigen Tatsache, dass sich alle Schausteller, Stand- und Bühnenbetreiber, die sich an der „Kieler Woche“ in den Jahre 2006 bis 2008 beteiligten, bei dem Kieler-Woche-Büro der Stadt Kiel – unter Angabe von Größe der Verkaufsstände, der Produktpalette und u. a. der benötigten Stromanschlüsse – anmelden mussten, sind keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Stadt Kiel in Bezug auf weitere – von ihr nicht gemäß § 13b Abs. 1 UrhWG der GEMA mitgeteilte – Konzertveranstaltungen typische Aufgaben eines Konzertveranstalters ganz oder teilweise wahrgenommen hat. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass Live-Musikdarbietungen Dritter während der „Kieler Woche“ in dem streitgegenständlichen Zeitraum gerichtsbekannt in der Regel für das Publikum kostenlos waren, so dass einzelne typische Aufgaben eines Konzertveranstalters, wie z. B. der Karten(vor)verkauf, gar nicht angefallen waren, ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Stadt Kiel weder in den organisatorischen und technischen Ablauf der einzelnen Musikdarbietungen, z. B. am Abschluss von Konzert- bzw. Gastspielverträgen mit den ausführenden Musikern, der Bereitstellung der Bühnentechnik oder ähnlichem, eingebunden, noch dass die Stadt Kiel in finanzieller Hinsicht an solchen Konzertveranstaltungen beteiligt war, z. B. durch Übernahme von Gagen und anderen Kosten der Musikdarbietungen oder eine Beteiligung an den Umsätzen derjenigen, die die jeweils ausführenden Künstler engagiert hatten. Es ist zudem für den Senat nicht ersichtlich, dass die Stadt Kiel bei den Veranstaltungen Dritter Einfluss auf Inhalt und Ausrichtung der jeweiligen Musikprogramme hatte. Auch geben die von der Stadt Kiel anlässlich der „Kieler Woche“ jeweils herausgegebenen Programmhefte der Jahre 2006 bis 2008 keinen Aufschluss über weitere von der Stadt Kiel veranstaltete Musikdarbietungen. Denn in diesem Heften sind auch die Musikdarbietungen aufgelistet, die unstreitig Dritte im Sinne von § 81 UrhG veranstaltet haben, mit denen wiederum die GEMA, unabhängig davon, ob diese Konzerte auf privaten Flächen oder auf Flächen der Stadt Kiel (eigenen oder angemieteten) stattfanden, gesonderte Nutzungsvereinbarungen abgeschlossen hatte. Die GEMA hat auch nicht dargelegt, in welchem Umfang die Stadt Kiel in den streitgegenständlichen Jahren 2006 bis 2008 Veranstalterin oder Mitveranstalterin von öffentlichen Musikdarbietungen durch Tonträgerwiedergaben gewesen sein soll. Soweit die Stadt Kiel sich u. a. in den Programmheften selbst als Veranstalterin der „Kieler Woche“ bezeichnete, ist das offensichtlich Ausdruck ihrer Verpflichtung als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und nicht einer (Mit-) Veranstaltereigenschaft hinsichtlich sämtlicher Musikveranstaltungen anlässlich der „Kieler Woche“ im urheberrechtlichen Sinn. Die Wahrnehmung ihrer Pflicht zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Stadt Kiel betraf lediglich äußere Vorkehrungen für die Musikdarbietungen während der „Kieler Woche“ und bezweckte nichts anderes, als die Bereitstellung eines „sicheren und geordneten Veranstaltungsraumes“, nämlich des Stadtgebiets der Stadt Kiel. Das genügt in der gebotenen Gesamtschau für die Annahme einer (Mit-) Veranstaltereigenschaft der Stadt Kiel bei sämtlichen Musikdarbietungen in ihrem Stadtgebiet nicht6.

Auch ein pauschaler Schadensersatzanspruch gegen die Stadt Kiel wegen der Verletzung von Urheberrechten in ihrem Stadtgebiet – beziehungsweise auf der von der GEMA angenommenen Gesamt-Veranstaltungsfläche („Freiflächenbeschallung“) – kommt nicht in Betracht.

Ausgehend davon, dass „Verletzer“ eines fremden Urheberrechts im Sinne von § 97 Abs. 1 UrhG nur sein kann, wer die Rechtverletzung als (Mit-) Täter selbst adäquat-kausal selbst begeht oder daran als Teilnehmer (Anstifter, Gehilfe) beteiligt ist, und dass Täter auch derjenige ist, der eine unbefugte Nutzungshandlung zwar nicht selbst vorgenommen hat, dem diese jedoch als eigene zugerechnet wird, weil er sie veranlasst oder sich zu eigen gemacht hat7, ist nicht ersichtlich, dass – und ggf. in welchem Umfang – die Stadt Kiel widerrechtliche Nutzungshandlungen von urheberrechtlich geschützten Werken der Musik anlässlich der „Kieler Woche“ in der Jahren 2006 bis 2008 selbst begangen oder veranlasst hat oder in anderer Weise im Sinne von § 81 UrhG und § 13b UrhWG daran beteiligt gewesen ist. Die Stadt Kiel hat die streitgegenständlichen Musikwerke insbesondere nicht selbst genutzt, sich nicht an der Nutzung durch andere beteiligt und sich auch nicht die Nutzung durch andere zu eigen gemacht. Die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke der Musik durch öffentliche Wiedergabe setzt ein gezieltes Tätigwerden der Nutzers voraus, Dritten Zugang zu den geschützten Werken zu verschaffen8. Das gilt typischerweise u. a. für Discotheken-Betreiber und Gastwirte die Musikwerke in ihren Veranstaltungsräumen darbieten und ihrem Publikum gezielt zugänglich machen9. Das gilt mithin auch für solche Betreiber von mobilen Diskotheken, Gastwirtschaften und anderen Standbetreibern während der „Kieler Woche“, die Live-Musikdarbietungen und Tonträgerwiedergaben für ihr Publikum anbieten, nicht aber für die Stadt Kiel. Auch insoweit hat die GEMA nicht dargelegt, dass die Stadt Kiel in irgendeiner Weise Einfluss auf die Programmgestaltung von dritten Musikanbietern gehabt oder diese Musikdarbietungen in sonstiger Weise organisatorisch und wirtschaftlich vorbereitet oder durchgeführt hat. Insbesondere das lediglich (makroökonomische) wirtschaftliches Interesse der Stadt Kiel an den positiven Wirkungen der „Kieler Woche“ für die lokale Wirtschaft und den Arbeitsmarkt genügt nicht für die Annahme, die Stadt Kiel mache sich damit auch eine (ggf. widerrechtliche) Nutzung von Urheberrechten durch Dritte – die allein deren (mikroökonomischem) wirtschaftlichen Interesse diente – zu eigen. Soweit die GEMA ihr Schadensersatzbegehren mit einem auf die von ihr angenommene Veranstaltungsfläche von 50.000 qm bezogenen Pauschalbetrag für die gesamte Dauer der „Kieler Woche“ begründet, konnte der Senat somit weder eine Verletzung von Verpflichtungen der Stadt Kiel als (Mit-) Veranstalterin aller Musikdarbietungen im Sinne von § 13b Abs. 1 UrhWG noch eine andersartige widerrechtliche Nutzung von Musikwerken durch Stadt Kiel feststellen.

Schleswig -Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 7. Dezember 2015 – 6 U 54/13

  1. siehe Dreier/Schulze, UrhG, 5. Aufl., zu § 31 Rdn. 22[]
  2. vgl. BGH GRUR 2012, 711, zitiert nach Juris, dort Rdn. 10 f[]
  3. siehe Dreier/Schulze, a.a.O., zu § 1 UrhWG, Rdn. 6 und 9 sowie zu § 13b UrhWG, Rdn. 8 und 9[]
  4. siehe dazu Dreier/Schulze, a.a.O., zu § 81 Rn. 1 und zu § 73 Rn. 11[]
  5. vgl. BGH, GRUR 2015, 987, zitiert nach Juris, dort Rn16 – 20; siehe auch OLG Hamburg, GRUR 2001, 523, zitiert nach Juris, dort Rdn. 38 – unter Bezugnahme auf BGH GRUR 1972, 141, 142, BGH GRUR 1959, 150, 151 und BGH GRUR 1960, 253, 255, siehe auch Dreier/Schulze, a.a.O. zu § 81 Rdn. 5[]
  6. vgl. BGH GRUR 2015, 987, zitiert nach Juris Rn 18-20[]
  7. so Dreier/Schulze, a.a.O., zu § 97 Rn. 23[]
  8. siehe Dreier/Schulze, a.a.O., zu § 15 Rn 40a und Rn. 43[]
  9. vgl. Dreier/Schule, aaO zu § 13 b UrhWG, Rdn. 2 und derselbe aaO, zu § 12 UrhWG, Rdn. 17[]