Der deutsche Rundfunkbeitrag – und das europäische Beihilferecht

Der deutsche Rundfunkbeitrag ist nach einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union mit dem europäischen Unionsrecht vereinbar.

In Deutschland wird der öffentlichrechtliche Rundfunk hauptsächlich durch den Rundfunkbeitrag finanziert, den u. a. jeder Erwachsene zahlen muss, der Inhaber einer Wohnung im Inland ist. Dieser Rundfunkbeitrag ersetzte vom 1. Januar 2013 an die alte Rundfunkgebühr, die für den Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts zu entrichten war. Was die Einziehung des Rundfunkbeitrags angeht, verfügen die öffentlichrechtlichen Sender über vom allgemeinen Recht abweichende Befugnisse, die es ihnen erlauben, die Zwangsvollstreckung von rückständigen Forderungen selbst zu betreiben.

Der aktuellen Entscheidung des Gerichtshofs des Europäischen Union lagen Fälle aus BadenWürttemberg zugrunde: In den Jahren 2015 und 2016 erstellte die Landesrundfunkanstalt Südwestrundfunk (SWR) auf der Grundlage des BadenWürttembergischen Gesetzes zur Geltung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags vom 18. Oktober 20111 gegen Herrn Rittinger und andere Rundfunkbeitragsschuldner Vollstreckungstitel zur Beitreibung nicht gezahlter Beträge. Da die Zahlungen weiterhin ausblieben, leitete der SWR gestützt auf diese Titel die Zwangsbeitreibung seiner Forderungen ein. Herr Rittinger und die übrigen Schuldner legten vor den deutschen Gerichten gegen die sie betreffenden Vollstreckungsmaßnahmen Rechtsmittel ein. Das in zweiter Instanz mit diesen Verfahren befasste Landgericht Tübingen war der Auffassung, der Rundfunkbeitrag und die hoheitlichen Vorrechte der öffentlichrechtlichen Sender bei der Beitreibung verstießen gegen das europäische Unionsrecht, insbesondere das Recht der staatlichen Beihilfen, und hat dem Gerichtshof der Europäischen Union daher mehrere Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Im Wege eines solchen Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen nach der Auslegung des Europäischen Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Europäischen Union vorlegen. Der Unionsgerichtshof entscheidet dabei nicht über den nationalen Rechtsstreit, sondern nur über die vorgelegte Rechtsfrage. Es ist und bleibt sodann Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Unionsgerichtshofs zu entscheiden. Die Entscheidung des Unionsgerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.

Mit seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof der Europäischen Union nunmehr erstens fest, dass die Ersetzung der Rundfunkgebühr (die für den Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts zu entrichten war) durch den Rundfunkbeitrag (der insbesondere für das Innehaben einer Wohnung oder einer Betriebsstätte zu entrichten ist) keine erhebliche Änderung der Finanzierungsregelung für den öffentlichrechtlichen Rundfunk in Deutschland darstellt. Es war daher nicht erforderlich, die Kommission von dieser Änderung als Änderung einer bestehenden Beihilfe zu unterrichten, zumal die Kommission bereits im Jahr 2007 befunden hat, dass die seinerzeitige Rundfunkgebühr als bestehende Beihilfe einzustufen sei2.

Der Unionsgerichtshof verweist hierzu u. a. darauf, dass die Ersetzung der Rundfunkgebühr durch den Rundfunkbeitrag im Wesentlichen darauf abzielt, die Voraussetzungen für die Erhebung des Rundfunkbeitrags vor dem Hintergrund der technologischen Entwicklung in Bezug auf den Empfang der Programme der öffentlichrechtlichen Sender zu vereinfachen. Außerdem hat diese Änderung zu keiner wesentlichen Erhöhung der Vergütung geführt, die die öffentlichrechtlichen Sender erhalten, um die Kosten zu decken, die mit der Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags verbunden sind.

Der Gerichtshof der Europäischen Union stellt zweitens fest, dass es die Rechtsvorschriften der Europäischen Union über staatliche Beihilfen nicht verbieten, dass öffentlichrechtlichen Sendern vom allgemeinen Recht abweichende Befugnisse eingeräumt werden, die es ihnen erlauben, die Zwangsvollstreckung von Forderungen aus rückständigen Rundfunkbeiträgen selbst zu betreiben.

Der Unionsgerichtshof führt insoweit aus, dass die fraglichen Vorrechte von der Kommission bei ihrer Prüfung der Finanzierungsregelung für den öffentlichrechtlichen Rundfunk im Jahr 2007 berücksichtigt wurden und seither unverändert geblieben sind. Außerdem sind derartige Vorrechte als ein dem öffentlichen Auftrag der öffentlichrechtlichen Sender inhärenter Aspekt anzusehen.

Die übrigen Fragen des Landgerichts Tübingen zur Vereinbarkeit der Finanzierungsregelung für den öffentlichrechtlichen Rundfunk in Deutschland mit dem Unionsrecht erachtet der Unionsgerichtshof für unzulässig.

Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 13. Dezember 2018 – C -492/17

  1. zuletzt geändert durch Art. 4 des Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 3. Dezember 2015[]
  2. Entscheidung der Kommission vom 24. April 2007 (K[2007] 1761 endg. Staatliche Beihilfe E 3/2005 [ex CP 2/2003, CP 232/2002, CP 43/2003, CP 243/2004 und CP 195/2004] – Die Finanzierung der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland[]