Der Internetlink und der Jugendmedienschutz

Im Jugendmedienschutzrecht muss sich ein Anbieter den Inhalt von verlinkten Seiten zurechnen lassen, selbst wenn er keine Kenntnis von dem Inhalt der verlinkten Seite genommen haben sollte. Die Beanstandung eines in der Vergangenheit liegenden rechtswidrigen Verhaltens beinhaltet die in die Zukunft gerichtete Feststellung, dass das Betreiben der Seite in der bisherigen (beanstandeten) Form unzulässig ist. Diesem Regelungsgehalt kommt angesichts der tatsächlichen Gegebenheiten im Internet grundlegende Bedeutung zu, da weder die Löschung noch die Änderung des Inhalts einer Internetseite irreversible Verhältnisse schafft.

Rechtsgrundlage der Feststellung der Verstöße gegen die Verbote der § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 i.V.m. Satz 2 JMStV und § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV sowie der Beanstandung sind § 20 Abs. 1 und 4 JMStV1 i.V.m. § 59 Abs. 3 RStV2 in der seit dem 15. bis 21.12 2010 geltenden Fassung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags, HmbGVBl.2011 S. 63, 70)).

Gemäß § 20 Abs. 1 JMStV trifft die nach § 20 Abs. 6 JMStV zuständige Landesmedienanstalt die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter, wenn sie feststellt, dass dieser gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutzstaatsvertrages verstoßen hat. Für Anbieter von Telemedien trifft nach § 20 Abs. 4 JMStV die zuständige Landesmedienanstalt durch die KJM entsprechend § 59 Absatz 2 bis 4 des Rundfunkstaatsvertrages unter Beachtung der Regelungen zur Verantwortlichkeit nach den §§ 7 bis 10 des Telemediengesetzes (TMG) vom 26.02.20073, zuletzt geändert am 31.05.20104, die jeweilige Entscheidung. Gemäß § 59 Abs. 3 RStV trifft sie die zur Beseitigung des Verstoßes erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter.

Da lediglich in der Vergangenheit liegende Verstöße gegen den Jugendmedienschutzstaatsvertrag feststellt und beanstandet wurden, ist maßgeblicher Zeitpunkt nicht der sonst übliche des Bescheiderlasses5. Vielmehr kommt es auf den Zeitpunkt an, an dem die Verstöße das letzte Mal festgestellt wurden.

Des Weiteren war die Betreiberin des Internetportals Verantwortliche im Sinne der §§ 7 ff. TMG. Gemäß § 7 Abs. 1 TMG sind Diensteanbieter für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. Dies war vorliegend der Fall. Die auf der Internetseite „…“ zur Nutzung bereitgehaltenen Inhalte waren als eigene Informationen der Portalbetreiberin anzusehen.

insichtlich der entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte und der pornografischen Inhalte, die sich im Vorschaubereich des Angebots selbst befanden, folgt dies schon daraus, dass sie unmittelbare Bestandteile der Internetseite der Portalbetreiberin waren. Zwar macht die Portalbetreiberin geltend, dass sie die Inhalte nicht selbst auf die Internetseite gestellt habe. Vielmehr seien gemäß ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Webmaster für diese Inhalte verantwortlich. Jedoch weist die Landesmedienanstalt zu Recht daraufhin, dass die Portalbetreiberin sich ihrer öffentlich-rechtlichen Verantwortung für Inhalte ihres Internetangebots nicht durch privatrechtliche Vereinbarung mit den Webmastern entledigen könne. Als im Impressum genannte Person und damit Anbieterin ist sie für die unmittelbar auf ihrer Internetseite veröffentlichten Inhalte verantwortlich.

In Bezug auf die verlinkten pornografischen und indizierten Inhalte folgt dies daraus, dass sich die Portalbetreiberin den Inhalt der Internetseiten, zu denen sie den Zugang per Link ermöglicht, zu Eigen gemacht hat. Denn ein Anbieter, dessen Internetseite sich nicht auf eine bloße Auflistung von Links beschränkt, sondern die zu erreichenden Inhalte beschreibt, macht sich damit die fremden Informationen, auf die mit Hilfe des Hyperlinks verwiesen wird, durch ihre Freischaltung zu Eigen und haftet deshalb nach den allgemeinen Vorschriften dafür wie für eigene Informationen6. Dies gilt selbst dann, wenn der Anbieter selbst keine Kenntnis von dem Inhalt der verlinkten Seite genommen haben sollte, weil hinsichtlich des per Link auf seiner Internetseite zugänglich gemachten Inhalts dem jeweiligen Anbieter eine Prüfpflicht zukommt7. Ein wichtiges Indiz für das Zueigenmachen ist es, wenn das Geschäftsmodell des Anbieters darin besteht, auf Erotikseiten anderer Anbieter zu verweisen8.

Gemessen an diesem Maßstab hat sich die Portalbetreiberin die pornografischen und indizierten Inhalte zu Eigen gemacht. Sie hatte die Links, die auf die pornografischen und indizierten Inhalte verwiesen, bestimmten Kategorien (z.B. „Fetisch“ oder „Pärchen“) auf ihrer Internetseite zugeordnet und als anpreisende Textlinks ausgestaltet. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Prozessbevollmächtigte der Portalbetreiberin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass er bezweifle, dass die Portalbetreiberin die Kategorisierung auf ihrer Internetseite selbst vornehme. Er halte es sogar für wahrscheinlich, dass diese von den Webmastern vorgenommen werde. Zum einen bleibt dieser Vortrag unsubstantiiert. Der Prozessbevollmächtigte hat damit nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Portalbetreiberin die Kategorisierung nicht vornehme. Als Vertreter der Portalbetreiberin hätte er zu dieser in ihre Sphäre fallenden Tatsache näher vortragen müssen, zumal der Portalbetreiberin die Beweislast für diese Abweichung von der gewöhnlichen Haftung des Anbieters für verlinkte Inhalte zukommen dürfte. Zum anderen würde die ordnungsrechtliche Verantwortung für die per Link zugänglich gemachten Inhalte die Portalbetreiberin selbst dann treffen, wenn sie tatsächlich keine eigene Kategorisierung der Links vorgenommen hätte, denn in diesem Fall hätte sie als Anbieterin zumindest eine Prüfpflicht hinsichtlich der per Link zugänglich gemachten Inhalte, der sie nicht nachgekommen wäre. Davon unabhängig weist das Gericht darauf hin, dass sich ein Zueigenmachen schon deshalb aufdrängt, weil es das Geschäftsmodell der Portalbetreiberin gewesen sein dürfte, mit der Verlinkung von anderen Erotikseiten auf ihrem Seitennetzwerk Geld zu verdienen.

Die Portalbetreiberin hat mit ihrem Internetangebot zum maßgeblichen Zeitpunkt gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutzstaatsvertrages verstoßen.

Sie hat gegen die in § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 i.V.m. Satz 2 JMStV statuierten Verbote verstoßen, pornografische und indizierte Inhalte außerhalb einer geschlossenen Benutzergruppe zugänglich zu machen. Ebenfalls hat das Internetangebot entgegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte enthalten.

Nach § 5 Abs. 1 JMStV hat ein Anbieter bei Angeboten, die er verbreitet oder zugänglich macht und die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen. Mit dem von der Landesmedienanstalt beanstandeten Internetangebot hat die Portalbetreiberin gegen § 5 Abs. 1 JMStV verstoßen, da das Angebot geeignet war, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen und sie nicht dafür Sorge getragen hatte, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen dieses Angebot üblicherweise nicht wahrnehmen.

Die Bewertung, dass das Angebot der Portalbetreiberin geeignet war, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, ist nicht zu beanstanden. Diese Bewertung wurde aufgrund der Beschlussempfehlung der Landesmedienanstalt vom Prüfausschuss Telemedien der KJM einstimmig festgestellt; die einstimmige Entscheidung des Prüfausschusses gilt nach § 14 Abs. 5 Satz 3 JMStV als Entscheidung der KJM. Zwar kommt der KJM für diese Bewertung kein Beurteilungsspielraum zu. Ihre Äußerung bzw. Entscheidung ist jedoch als sachverständige Äußerung eines unabhängigen (vgl. § 14 Abs. 6 Satz 1 JMStV) und sachverständigen (§ 14 Abs. 3 Satz 1 JMStV) Gremiums anzusehen, die als sachverständige Aussage zu begreifen ist und im gerichtlichen Verfahren nur mit dem gleichen Aufwand in Frage gestellt werden kann, der notwendig ist, um die Tragfähigkeit fachgutachtlicher Äußerungen zu erschüttern9. Ist die Bewertung der KJM in diesem Sinn nicht in Frage gestellt, so ist dem Gericht verwehrt, seine eigene Bewertung an die Stelle der Bewertung der KJM zu setzen, vielmehr hat und darf das Gericht von der Richtigkeit der Bewertung durch das sachverständige Gremium auszugehen10.

Die Portalbetreiberin hatte auch nicht Sorge dafür getragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen ihr Internetangebot üblicherweise nicht wahrnehmen. Die von der Portalbetreiberin getroffenen Maßnahmen waren nicht geeignet, Kinder oder Jugendliche von der Wahrnehmung der Inhalte effektiv abzuhalten. Zwar war das Angebot der Portalbetreiberin nach ihren Angaben mit dem ICRA Label versehen. Jedoch genügte dies nicht, um die Anforderungen nach § 5 Abs. 3 JMStV zu erfüllen. Seit dem Beschluss der KJM vom 18.12 2008 kann das ICRA-Label nicht mehr als geeignetes Mittel im Sinne des § 5 Abs. 3 JMStV angesehen werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt keine anerkannten Jugendschutzprogramme i.S.d. § 11 Abs. 1 JMStV bestanden. Die Landesmedienanstalt führt zu Recht aus, dass die Portalbetreiberin die Anforderungen des § 5 Abs. 3 JMStV durch effektive Altersverifikationssysteme oder zeitliche Angebotsbegrenzungen hätte einhalten können.

Liegen damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten vor, trifft die zuständige Landesmedienanstalt nach § 20 Abs. 4 JMStV auf der Rechtsfolgenseite entsprechend § 59 Abs. 3 Satz 1 RStV die „erforderlichen Maßnahmen“ gegenüber dem Anbieter – vorliegend der Portalbetreiberin. Die Aufzählung der zulässigen Maßnahmen in § 59 Abs. 3 Satz 2 RStV ist nicht vollständig („insbesondere“). Die gegenüber der Untersagung weniger gewichtigen Maßnahmen der Feststellung und Beanstandung sind deshalb durch § 59 Abs. 3 Satz 2 RStV gedeckt11. Auch bei diesen Maßnahmen ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der in § 59 Abs. 3 Satz 3 und 4 JMStV für die Untersagung gesetzlich konkretisiert ist, zu beachten. Dabei reicht für ein Einschreiten der Landesmedienanstalt im Wege ihrer Aufsicht über Telemediendienste, dass Verstöße in der Vergangenheit bestanden. Hingegen ist nicht erforderlich, dass sie bis in die Gegenwart fortbestehen12. Denn Maßnahmen auf der Grundlage des § 20 JMStV verfolgen den Zweck, einem Anbieter sein rechtswidriges Verhalten in der Vergangenheit vor Augen zu führen und für die Zukunft die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zum Jugendmedienschutz zu sichern13. Von allen der Landesmedienanstalt zur Verfügung stehenden Maßnahmen sind die Feststellung und die Beanstandung die denkbar mildesten14.

Die Beanstandung der Verstöße gegen den Jugendmedienschutzstaatsvertrag ist auch nicht deshalb ungeeignet, die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zum Jugendmedienschutz für die Zukunft zu sichern, weil die Portalbetreiberin den Betrieb der Internetseite bereits aufgegeben habe. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Beanstandung des – ggf. in der Vergangenheit liegenden – rechtswidrigen Verhaltens die in die Zukunft gerichtete Feststellung beinhaltet, dass das Betreiben der Seite in der bisherigen (beanstandeten) Form unzulässig ist15. Diesem Regelungsgehalt kommt angesichts der tatsächlichen Gegebenheiten im Internet grundlegende Bedeutung zu, da weder die Löschung noch die Änderung des Inhalts einer Internetseite irreversible Verhältnisse schafft. Vielmehr können diese Änderungen ohne größeren Aufwand rückgängig gemacht werden, so dass der Beanstandung rechtswidrigen Verhaltens in der Vergangenheit besondere verhaltenssteuernde Wirkung zukommt, indem sie eine Rückkehr zu gegen den Jugendmedienschutzstaatsvertrag verstoßenden Zuständen auch für die Zukunft verbietet.

Ein bloßer Hinweis wäre im Verhältnis zur förmlichen Beanstandung kein gleich effektives, milderes Mittel gewesen, um das Ziel, die Einhaltung der jugendmedienschutzrechtlichen Vorschriften in der Zukunft sicherzustellen, zu erreichen. Zu beachten ist hier der Umfang des Internetangebotenetzwerks der Betreiberin, ihre strikte kommerzielle Ausrichtung, die Häufigkeit der Verstöße ihrer Angebote, ihre Uneinsichtigkeit und die verschleierte Aufrechterhaltung der Rechtsverstöße, ihre genaue Kenntnis von Problematik und Verfahren sowie die wiederholten Aufforderungen durch Jugendschutz.net und die Landesmedienanstalt, alle von der Portalbetreiberin verantworteten Angebote rechtmäßig zu gestalten. Vor diesem Hintergrund durfte die Landesmedienanstalt in rechtmäßiger Weise davon ausgehen, dass ein bloßer Hinweis im Vergleich zu einer förmlichen Beanstandung kein gleich effektives Mittel zur Sicherstellung der Einhaltung der jugendmedienschutzrechtlichen Vorschriften in der Zukunft darstellen würde.

Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 21. August 2013 – 9 K 1879/12

  1. in der seit 1.04.2010 geltenden Fassung, vgl. Art. 2 des 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrags ((HmbGVBl.2009, S. 39[]
  2. Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien ((Rundfunkstaatsvertrag – RStV[]
  3. BGBl. I S. 179[]
  4. BGBl. I S. 692[]
  5. vgl. dazu VG Münster, Urteil vom 12.02.2010, 1 K 1608/09 38; VG Hamburg, Urteil vom 4.01.2012, 4 K 262/11 48[]
  6. vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 25.07.2012, 5 K 3496/10 36; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16.12.2009, 14 K 4086/07 56 ff.; grundlegend: BGH, Urteil vom 18.10.2007, I ZR 102/0520 f.[]
  7. vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16.12.2009, 14 K 4086/07 69[]
  8. vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16.12.2009, 14 K 4086/07 58; BGH, Urteil vom 18.10.2007, I ZR 102/05 21[]
  9. VGH München, Urteil vom 23.03.2011, 7 BV 09.2512, u.a. 45; VG Hamburg, Urteil vom 4.01.2012, 4 K 262/11 68, m.w.N.[]
  10. VG Hamburg, Urteil vom 4.01.2012, a.a.O.[]
  11. VG Karlsruhe, Urteil vom 25.07.2012, 5 K 3496/10 30, m.w.N.[]
  12. VG Karlsruhe, Urteil vom 25.07.2012, 5 K 3496/10 41[]
  13. VG Düsseldorf, Urteil vom 20.03.2012, 27 K 6228/10 55[]
  14. vgl. VG Münster, Urteil vom 12.02.2010, 1 K 1608/09; VG Minden, Urteil vom 18.08.2010, 7 K 721/10[]
  15. vgl. VG Hamburg, Urteil vom 4.01.2012, 4 K 262/11 35[]