Der Redakteur in der Presseagentur

Eine Presseagentur unterfällt dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz. Die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts für den Bereich Funk und Fernsehen entwickelten Kriterien zur Abgrenzung von Arbeitsverhältnissen gegen Vertragsverhältnisse über eine freie Mitarbeit sind auf das Pressewesen übertragbar.

Bei sogenannten programmgestaltenden Mitarbeitern wirkt sich Art. 5 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz dahin aus, dass eine Beschäftigung in freier Mitarbeit als grundsätzlich zulässige Vertragsgestaltung anzusehen ist.

Entgegen der ausdrücklich getroffenen Vereinbarung kann aber auch bei programmgestaltenden Mitarbeitern ein Arbeitsverhältnis vorliegen, wenn ihnen ein geringes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigentinitiative und Selbstständigkeit verbleibt und die Arbeiten auch in zeitlicher Hinsicht zugewiesen werden.

Das ist nicht der Fall, wenn ein Redakteur auf Themen inhaltlich Einfluss nehmen kann und Zeitungsartikel eigenverantwortlich im Wesentlichen frei von fremder Kontrolle inhaltlich und sprachlich erarbeitet, sodass sie ihm als Verfasser zugeordnet werden können und er durch namentliche Nennung nach außen auch als solcher erkennbar wird. Das ist darüber hinaus nicht der Fall, wenn dem Redakteur bei der Arbeitsleistung in zeitlicher und örtlicher Hinsicht Freiräume verbleiben; eine gewisse organisatorische Einbindung steht dem nicht entgegen. Einer freien Mitarbeit steht auch nicht entgegen, dass Steuern und Sozialversicherungsbeiträge wie bei einem Arbeitsverhältnis abgeführt werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterscheiden sich beide durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privat-rechtlichen Vertrags im Dienste eines Anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 Abs. 2 HGB). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letztere maßgebend.

Diese Grundsätze sind auch im Bereich Funk und Fernsehen anzuwenden, wobei der verfassungsrechtliche Schutz der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu beachten ist. Allgemein müssen die Gerichte Grundrechte interpretationsleitend berücksichtigen, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt. Das verlangt im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in der Regel eine fallbezogene Abwägung zwischen der Bedeutung der Rundfunkfreiheit auf der einen und dem Rang der von den Normen des Arbeitsrechts geschützten Rechtsgüter auf der anderen Seite. Die Rundfunkfreiheit erstreckt sich auf das Recht der Rundfunkanstalten, dem Gebot der Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte auch bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Mitarbeiter Rechnung zu tragen, die bei der Gestaltung der Programme mitwirken sollen. Es ist von Verfassungs wegen nicht ausgeschlossen, auch im Rundfunkbereich von den für das Arbeitsrecht allgemein entwickelten Merkmalen abhängiger Arbeit auszugehen. Allerdings muss das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Recht der Rundfunkanstalten, frei von fremder Einflussnahme über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung programmgestaltender Mitarbeiter zu bestimmen, angemessen berücksichtigt werden. Eine Beeinträchtigung kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Betracht, wenn die verfügbaren Vertragsgestaltungen – wie Teilzeitbeschäftigungs- oder Befristungsabreden, zur Sicherung der Aktualität und Flexibilität der Berichterstattung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht in gleicher Weise geeignet sind wie die Beschäftigung in freier Mitarbeit.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist als „programmgestaltend“ der Kreis derjenigen Rundfunkmitarbeiter anzusehen, „die an Hörfunk- und Fernsehsendungen inhaltlich gestaltend mitwirken. Das gilt namentlich, wenn sie typischerweise ihre eigene Auffassung zu politischen, wirtschaftlichen, künstlerischen oder anderen Sachfragen, ihre Fachkenntnisse und Informationen, ihre individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft in die Sendung einbringen, wie dies bei Regisseuren, Moderatoren, Kommentatoren, Wissenschaftlern und Künstlern der Fall ist.“ Nicht zu den programmgestaltenden Mitarbeitern gehören das betriebstechnische und das Verwaltungspersonal sowie diejenigen, die zwar bei der Verwirklichung des Programms mitwirken, aber keinen inhaltlichen Einfluss darauf haben.

Auch bei programmgestaltenden Mitarbeitern kann entgegen der ausdrücklich getroffenen Vereinbarung ein Arbeitsverhältnis vorliegen, wenn sie weitgehenden inhaltlichen Weisungen unterliegen, ihnen also ein geringes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbständigkeit verbleibt, und der Sender innerhalb eines zeitlichen Rahmens über ihre Arbeitsleistung verfügen kann. Letzteres ist dann der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung durch Dienstpläne herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich zugewiesen werden1.

Die Übertragbarkeit der vorstehenden Abgrenzungskriterien auf das Pressewesen rechtfertigt sich daraus, dass es lediglich um die Konkretisierung allgemeiner Grundsätze unter Berücksichtigung der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk geht, der durch die genannte Vorschrift die Pressefreiheit gleichgestellt ist.

Diese Rechtsauffassung der Arbeitsgericht, die den Parteien mitgeteilt wurde, wird ersichtlich ebenso wenig von einer der Parteien angezweifelt wie der Umstand, dass die Presseagentur als Presseagentur unter den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fällt. Auch wenn die Presseagentur nicht selbst von ihr bzw. ihren Mitarbeitern erstellten Artikel veröffentlicht, sondern an Printmedien veräußert, so kann sie sich gewissermaßen als „verlängerte Werkbank“ auf den Schutzbereich der Verfassungsnorm berufen.

Die Redakteurin gehört zu den in diesem Sinne „programmgestaltenden Mitarbeiter“. Denn die Redakteurin nahm sowohl bei der Themenwahl als auch bei der Ausgestaltung der zur Veröffentlichung vorgesehenen Beiträge entscheidenden Einfluss. Sie unterlag bei der Erbringung ihrer Dienste keinem inhaltlichen Weisungsrecht, das ihre Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbständigkeit derart weitgehend einschränkte, dass die Annahme eines Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist.

Auch wenn die abschließende Themenwahl in der Redaktionskonferenz erörtert wird oder durch einen Vorgesetzten beispielsweise den Landesbüroleiter festgelegt wird, so konnte doch die Redakteurin insbesondere bei den sogenannten Initiativgeschichten entscheidenden Einfluss nehmen und eigene Vorstellungen einbringen. Die Redakteurin konnte selbst in das Informationssystem PLATO Gerichtstermine eingeben, die aus ihrer Sicht von Interesse waren.

Selbst mit der verbindlichen Bestimmung der Themen hätte die Presseagentur lediglich eine Abgrenzung der von der Redakteurin geschuldeten Leistung vorgenommen. Dies ist auch bei einem freien Dienst- oder Werkvertragsverhältnis möglich und üblich, zumal die Redakteurin die Möglichkeit hatte, die Themen im Rahmen der Redaktionskonferenzen zu beeinflussen. Außerdem war sie ausdrücklich aufgefordert worden, Initiativgeschichten zu erstellen.

Schließlich sind auch freie Mitarbeiter in der Erbringung ihrer Dienstleistung nicht völlig frei. Durch die Prüfung der sachlichen Richtigkeit nimmt die Presseagentur das ihr als Dienst- oder Auftragsgeberin zustehende Rügerecht wahr. Mit einer Kontrolle der Qualität seiner Arbeit muss auch der freie Mitarbeiter rechnen. Gelegentliche inhaltliche Änderungen von Vorschlägen sind nicht geeignet, einem Rechtsverhältnis das Gepräge eines Arbeitsverhältnisses zu geben. Abhängige Arbeit wird nicht dadurch gekennzeichnet, dass der Vertragspartner Korrekturen verlangt. So ist beim Werkvertrag der Werkbesteller berechtigt eine bestimmte Qualität festzusetzen und Nachbesserungen zu fordern2.

Die Redakteurin hat betont und durch Vorlage entsprechender Artikel untermauert, dass sie etliche und auch bundesweit und international beachtete Gerichtsprozesse, meist vom Auftakt bis zum Urteil, betreut und darüber berichtet habe und auch sonst viele wichtige Termine wahrgenommen und Recherche-Geschichten geschrieben habe. Die von der Redakteurin als Anlage zum Schriftsatz vom 18.07.2014 vorgelegten Zeitungsartikel tragen darüber hinaus ihren Namen als (Mit-)Verfasserin. Damit übt die Redakteurin für die Presseagentur geradezu die klassische Tätigkeit einer Journalistin aus.

Es ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass auf die von der Redakteurin verfassten Artikel von der Redaktionsleitung der Presseagentur derart Einfluss in inhaltlicher, sprachlicher oder sonstiger Weise ausgeübt wurde, dass sie der Redakteurin als Verfasserin nicht mehr zugeordnet werden könnten. Vielmehr verblieb der Redakteurin das für eine journalistische Tätigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 GG typische Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbständigkeit, das in seinem Kern auch nicht durch Vorgaben, Kontrollen und Korrekturen durch die Presseagentur eingeschränkt wurde.

Das Rechtsverhältnis der Parteien ist auch nicht aus sonstigen Gründen als Arbeitsverhältnis anzusehen. Insbesondere unterlag die Redakteurin keinen Weisungen in organisatorischer Hinsicht, die für ein Arbeitsverhältnis typisch sind und war auch nicht entsprechend in die betrieblichen Abläufe eingegliedert.

In zeitlicher Hinsicht war die Redakteurin weitgehend frei. Sie legte in Absprache mit ihrem Kollegen S. die jeweiligen Wochentage fest, an denen sie ihre Dienste erbrachte, typischerweise an den Wochentagen Montag, Dienstag und teilweise Mittwoch. Diese Tage wurden im Bedarfsfalle auch getauscht, worauf die Presseagentur keinen Einfluss nahm. Grund hierfür, wie auch für die Ablehnung einzelner Aufträge, waren beispielsweise private Verpflichtungen und Pläne. In dieser Weise verfuhr die Redakteurin – wie ihr Kollege S. – auch hinsichtlich des Urlaubs.

Im Übrigen waren insbesondere die von der Redakteurin wahrzunehmenden (Gerichts-) Termine in zeitlicher Hinsicht bestimmend für die Tätigkeit der Redakteurin. Zeitliche Vorgaben oder die Verpflichtung, bestimmte Termin für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, sind kein wesentliches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Auch bei Dienst- oder Werkverträgen können Termine für die Erledigung der Arbeit bestimmt werden, ohne dass daraus eine zeitliche Weisungsabhängigkeit folgt, wie sie für das Arbeitsverhältnis kennzeichnend ist3.

Auch die Anwesenheit zu feststehenden Zeiten (vor und nach der Sendung) schließt jedenfalls bei programmgestaltenden Mitarbeitern ein freies Mitarbeiterverhältnis nicht aus. Das gilt ebenso für die notwendige Teilnahme an zeitlich festgelegten Abstimmungskonferenzen. Entscheidend ist insgesamt, dass der freie Mitarbeiter, wenn er einmal in einen Dienstplan aufgenommen ist, weiß, was von ihm, auch in zeitlicher Hinsicht, erwartet wird. In einem solchen Fall erteilt der Dienstgeber keine Weisungen. Die zeitlichen Vorgaben sind vielmehr notwendiger Bestandteil der übernommenen Aufgabe4.

Deshalb spielt es auch keine Rolle, ob die Redakteurin regelmäßig und gegebenenfalls freiwillig an Redaktionskonferenzen teilgenommen hat oder nicht. Handelt es sich doch dabei um einen wesensimmanenten Bestandteil der Tätigkeit.

In gleicher Weise zog es die Redakteurin vor, ihre Tätigkeit in den Räumlichkeiten der Presseagentur zu erbringen, obwohl ihr Herr O. nahelegte, häufiger im „Home-Office“ zu arbeiten. Hinsichtlich des Orts der Arbeitsleistung übte mithin die Presseagentur überhaupt kein Weisungsrecht aus, sondern die Redakteurin setzte sich mit ihrer Einschätzung durch, dass die Tätigkeit zu Hause die Abstimmung mit der Redaktion unnötig erschweren würde.

Bei der gebotenen wertenden Betrachtung fällt nicht entscheidend ins Gewicht, dass die Redakteurin einen Schreibtisch in den Redaktionsräumlichkeiten, einen Schrank usw. nutzen konnte und Essensmarken bezog. Dabei handelt es sich um keine entscheidende Arbeitsmittel. Ob dies etwa für einen Laptop gelten würde, kann offen bleiben, weil die Presseagentur einen solchen der Redakteurin nicht zur Verfügung stellte.

Im Übrigen müssen auch in einem freien Mitarbeiterverhältnis tätige Filmhersteller und Moderatoren sich des Personals und der Einrichtungen des Senders bedienen, um ihre Beiträge technisch sendereif fertig zu stellen. Das Angewiesensein auf Mitarbeiter und Einrichtungen des Senders kann daher nicht als Umstand gewertet werden, der auf eine Eingliederung und persönliche Abhängigkeit schließen lässt5.

Es ist deshalb nicht entscheidend, dass die Termine mit der Redaktionsleitung abgestimmt werden mussten, beispielsweise, „da die Fotokollegen meist auch ein Bild machen mussten“.

Soweit die Redakteurin darauf abstellt, die Presseagentur habe für sie Sozialversicherungsbeiträge und Steuern einbehalten sowie Arbeitgeberanteile abgeführt, führt dies nicht zur konkludenten Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses.

Die sozial- und steuerrechtliche Behandlung des Mitarbeiters ist arbeitsrechtlich ohne Belang, weil für die Abgrenzung eines freien Mitarbeiterverhältnisses zu einem Arbeitsverhältnis primär auf die Umstände abzustellen ist, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, und nicht auf die Modalitäten der Bezahlung6. Im Übrigen hat die Presseagentur ausgeführt, warum die Redakteurin auch als freie Mitarbeiterin sozialversicherungspflichtig gem. § 2 Nr. 9 SGB VI war, weil sie selbst keinen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigte und überwiegend für die Presseagentur tätig wurde.

Die Entscheidung der Presseagentur, mit der Redakteurin nicht in einem Arbeitsverhältnis, sondern auf Grund deren freien Mitarbeit zusammen zu arbeiten, ist deshalb unter Berücksichtigung der Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu beanstanden. Wie dargelegt, haben die Parteien auch keine von dieser Absprache abweichende Vertragspraxis gehandhabt.

Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 6. Oktober 2014 – 11 Ca 2368/14

  1. BAG 17.04.2013 – 10 AZR 272/12, Rn. 15 ff., juris unter Hinweis auf BVerfG 13.01.1982 – 1 BvR 848/77; BAG 20.05.2009 – 5 AZR 31/08, Rn.19 ff., juris; 14.03.2007 – 5 AZR 499/06, Rn. 13 ff. jeweils mit zahlweisen Hinweisen zur Rechtsprechung[]
  2. vgl. BAG 14.03.2007 – 5 AZR 499/06, Rn.19 ff., 24, juris; 20.05.2009 – 5 AZR 31/08, Rn. 26[]
  3. BAG 14.03.2007 – 5 AZR 499/06, Rn. 30[]
  4. BAG 20.05.2009 – 5 AZR 31/08, Rn. 25[]
  5. BAG 19.01.2000 – 5 AZR 644/98, Rn. 32[]
  6. BAG 14.03.2007 – 5 AZR 499/06, Rn. 34[]