Der Streit um eine veröffentliche eMail

Wie bemisst sich die Beschwer des Beklagten, der zur Löschung zweier mehr als drei Jahre alter E-Mails von seiner Internetseite verurteilt worden ist? Mit dieser Frage hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:

Die Bemessung der Berufungsbeschwer steht gemäß §§ 2, 3 ZPO im freien Ermessen des Berufungsgerichts, das dabei nicht an den in erster Instanz festgesetzten Streitwert gebunden ist1. Der vom Berufungsgericht angenommene Wert kann von der Revisions- oder Rechtsbeschwerdeinstanz nur beschränkt darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht, etwa weil es bei der Ausübung seines Ermessens die in Betracht zu ziehenden Umstände nicht umfassend berücksichtigt hat, die Grenze des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat2.

Im vorliegenden Fall ist das Berufungsgericht nach Ansicht des Bundesgerichtshofs zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Beschwer einer zur Unterlassung verurteilten Partei danach richtet, in welcher Weise sich das ausgesprochene Verbot zu ihrem Nachteil auswirkt3. Maßgeblich sind die Nachteile, die ihr aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehen4. Außer Betracht bleiben dabei die Nachteile, die nicht mit der Befolgung des Unterlassungsgebots, sondern mit einer Zuwiderhandlung – etwa durch die Festsetzung eines Ordnungsgeldes oder durch die Bestellung einer Sicherheit – verbunden sind5.

Dass die Löschung der E-Mails von der Internetseite des Beklagten in Bezug auf möglichen Aufwand und Kosten die festgesetzte Beschwer von 500, – € nicht übersteigt, zieht auch der Beklagte nicht in Zweifel, er macht allerdings geltend, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Interesse des zur Unterlassung verurteilten Beklagten an der Beseitigung seiner Verurteilung zwar nicht zwangsläufig, aber regelmäßig dem Interesse des Klägers an dieser Verurteilung entspreche, denn das Interesse des Klägers an einer solchen Unterlassung sei pauschalierend und unter Berücksichtigung von Bedeutung, Größe und Umsatz des Verletzers, Art, Umfang und Richtung der Verletzungshandlung sowie von subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers wie etwa dem Verschuldensgrad zu bewerten6. Diese Grundsätze können aber im Streitfall nicht herangezogen werden. Es muss hier nicht entschieden werden, ob sie grundsätzlich nur in wettbewerbsrechtlichen Verfahren Anwendung finden können, denn es ist ersichtlich, dass ihre Voraussetzungen im Streitfall nicht gegeben sind. Entgegen der Rechtsbeschwerde ist nicht festgestellt, dass der Beklagte gewerblich tätig ist und aus dem Betrieb seiner Internetseite Umsätze erzielt, auch nicht, dass er in einem Wettbewerb zum Kläger steht. Eine nach der Rechtsprechung des I. Zivilsenats für diese Fälle für die Beschwer maßgebende Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Beklagten7 ist mangels wirtschaftlicher oder gewinnorientierter Tätigkeit des Beklagten ebenfalls nicht festgestellt. Damit ist es ohne Bedeutung, ob das Landgericht den Streitwert mit Blick auf die wirtschaftlichen Interessen des Klägers zutreffend festgesetzt hat.

Bei der Bewertung der Nachteile für den Beklagten bei Befolgung des Unterlassungsgebots hat das Berufungsgericht nicht verkannt, dass die beanstandete Veröffentlichung vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG – Schutz der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit – erfasst wird. Ebenso wenig übersieht das Berufungsgericht, dass es für den Schutz der Meinungsäußerung nicht darauf ankommt, ob die Meinung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird8. Auch ist die Bewertung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass einem mehr als drei Jahre alten Beleg für den einmaligen Vorfall einer unfreundlichen Kundenbehandlung für die Meinungsbildung potentieller Kunden dieses Wohnmobilvermieters schon aufgrund des Alters und der fehlenden Aktualität nur sehr geringes Gewicht beizumessen ist.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. Januar 2015 – VI ZB 29/14

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 08.05.2012 – VI ZB 1/11, – VI ZB 2/11, VersR 2012, 1272 Rn. 10 mwN[]
  2. BGH, Beschluss vom 10.04.2014 – V ZB 168/13 5; Urteil vom 19.11.2014 – VIII ZR 79/14 14[]
  3. BGH, Beschluss vom 25.09.2013 – VII ZB 26/11, VersR 2015, 81 Rn. 9[]
  4. BGH, Beschlüsse vom 26.10.2006 – III ZR 40/06, MMR 2007, 37; vom 08.01.2009 – IX ZR 107/08, NJW-RR 2009, 549 Rn. 3[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 24.01.2013 – I ZR 174/11, GRUR 2013, 1067 Rn. 10[]
  6. vgl. BGH, Beschlüsse vom 24.01.2013 – I ZR 174/11, GRUR 2013, 1067 Rn. 12; vom 24.02.2011 – I ZR 220/10, AfP 2011, 261 Rn. 5[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2013 – I ZR 174/11, GRUR 2013, 1067 Rn. 15; Beschluss vom 24.02.2011 – I ZR 220/10, AfP 2011, 261 Rn. 7[]
  8. vgl. BVerfGE 90, 241 Rn. 26[]