Die Bildberichterstattung über einen Bundespolizisten – oder: die Aufnäher auf der Polizeiuniform
Mit der Unzulässigkeit einer Bildberichterstattung über einen Bundespolizisten, der bei einem Einsatz anlässlich eines Neonazifestivals Aufnäher an seiner Uniform trug hatte sich nunmehr der Bundesgerichtshof zu befassen1:
Dem zugrunde lag ein Fall aus Sachsen: Der klagende Bundespolizist unterstützte bei der Veranstaltung „Rechts rockt nicht“ am 22.06.2019 in Ostritz die Landespolizei Sachsen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Die Veranstaltung richtete sich gegen ein gleichzeitig in Ostritz stattfindendes, als „Schild- und Schwertfestival“ („SS-Festival“) bezeichnetes Neonazifestival. Die Leipziger Volkszeitung veröffentlichte auf ihrer Internetseite www.lvz.de unter dem Datum 24.06.2019 einen Artikel, in dem es unter anderem hieß: „Während einem Einsatz auf dem Neonazi-Festival ‘Schild und Schwert‘ im sächsischen Ostritz trägt ein Bundespolizist fragwürdige Aufnäher, die zur rechten Szene gehören. Was bedeuten sie? Und welche Codes und Zeichen verbergen sich hinter der Symbolik? Ein Überblick.“ und weiter: „Berlin. Hunderte Rechtsextreme waren am Wochenende ins sächsische Ostritz zum ‘Schild und Schwert‘-Festival gereist. Doch nicht nur die Besucher fielen durch Kleidung mit rechter Symbolik auf: Ein Foto zeigt einen Bundespolizisten, an dessen Uniform zwei Abzeichen angebracht sind, die mit der rechten Szene in Verbindung gebracht werden. Unter Rechtsextremen werden etliche Codes, wie diese Symbole benutzt. Eine Übersicht. Das bedeuten die Anhänger des Polizisten„
Im Anschluss ist eine Kurznachricht aus dem Internetportal Twitter – ein Tweet – der Initiative „Rechts rockt nicht!“ vom 22.06.2019 abgebildet mit einem unverpixelten, portraitähnlichen Foto des Bundespolizisten. Er trägt eine Uniform mit der Aufschrift „POLIZEI“ in Brusthöhe und darunter zwei Aufnäher. Einer davon zeigt ein Schwert mit Schild und Flügeln. Darüber steht: „RECTE FACIENDO NEMINEM TIMEAS“, übersetzt: „Tue Recht und scheue niemand“. Der andere Aufnäher zeigt ein griechisches Omega mit Spartanerhelm und gekreuzten Schwertern, darunter steht: „ΜΟΛΟΝ ΛΑΒΕ“ (Molon Labe), übersetzt: „Komm und hol sie dir“. Unter dem Bild des Bundespolizisten heißt es in der Twitter-Nachricht der Initiative „Rechts rockt nicht!“: „Was sollen denn diese Abzeichen bedeuten @PolizeiSachsen @bpol_pir? Sind diese offiziell oder mal wieder ein Einzelfall?“ Am Ende des Tweets steht: „1.454 Nutzer sprechen darüber“. In dem Artikel heißt es weiter: „‘Tue recht und scheue niemanden‘ (‘Faciendo Neminem Timeas‘) steht auf dem Patch (KIett-Aufkleber), oben auf der Uniform des Polizisten. Außerdem ist das Symbol der Kreuzritter abgebildet, die im Mittelalter gegen muslimische Länder im Nahen Osten kämpften. Anders Breivik, der 2011 77 Menschen in Norwegen tötete, sowie der Attentäter von Christchurch beriefen sich auf die Tradition der Kreuzritter. Den zweiten Aufnäher ziert der Spruch ‘Molon Labe‘ (‘Komm und hol sie dir‘), darunter ist ein antiker, griechischer Helm zu sehen. Das Zitat stammt von König Leonidas I. von Sparta und ist ebenfalls in der rechten Szene verbreitet.“ Danach werden in dem Artikel weitere von Rechtsradikalen verwendete Symbole erläutert.
Der Bundespolizist macht geltend, die Veröffentlichung seines Bildes im Zusammenhang mit der Kommentierung im Text vermittele dem Leser, dass die an seiner Uniform angebrachten Aufnäher seine rechte Gesinnung zum Ausdruck brächten. Das erstinstanzlich mit der Unterlassungsklage des Bundespolizisten befasste Landgericht Dessau-Roßlau hat die Zeitungsverlegerin antragsgemäß verurteilt, es unter anderem zu unterlassen, das Foto des Bundespolizisten mit dessen für Dritte erkennbarem Gesicht, wie auf der Internetseite www.lvz.de geschehen, zu veröffentlichen2. Auf die Berufung der Zeitungsverlegerinn hat das Oberlandesgericht Naumburg das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen3. Auf die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Bundespolizisten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht Naumburg zurückverwiesen; die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen seine Annahme, der Bundespolizist habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung seines Bildnisses im Kontext der Berichterstattung der Zeitungsverlegerinn vom 24.06.2019 auf der Seite www.lvz.de nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG nicht.
Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung sich nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG beurteilt4. Dieses steht sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben als auch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention in Einklang5.
Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon bestehen allerdings gemäß § 23 Abs. 1 KUG Ausnahmen. Diese Ausnahmen gelten aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Die Veröffentlichung des Bildes einer Person begründet grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts6.
Die vom Bundespolizisten angegriffene Bildberichterstattung ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine – revisionsrechtlich voll zu überprüfende – Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Medien aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits.
Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Dieser darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse. Es gehört zum Kern der Freiheit der Presse, dass diese innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht. Dazu zählt auch die Entscheidung, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird. Eine Bedürfnisprüfung, ob eine Bebilderung veranlasst war, findet nicht statt7. Bilder können einen Wortbericht ergänzen und dabei der Erweiterung seines Aussagegehalts dienen, etwa der Unterstreichung der Authentizität des Geschilderten. Auch kann ein von Art. 5 Abs. 1 GG geschütztes Informationsanliegen darin liegen, durch Beigabe von Bildnissen die Aufmerksamkeit des Lesers für den Wortbericht zu wecken. Bildaussagen nehmen am verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teil, dessen Bebilderung sie dienen8.
Allerdings besteht das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Es bedarf einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen. Die Belange der Presse sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen. Im Rahmen der Abwägung kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, wobei der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln ist, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung9. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob die Presse im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllt und zur Bildung der öffentlichen Meinung beiträgt, oder ob sie – ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis – lediglich die Neugier der Leser befriedigt10.
Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen desto schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist11. Daneben sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der Anlass der Berichterstattung und die Umstände in die Beurteilung mit einzubeziehen, unter denen die Aufnahme entstanden ist. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird12. Von Bedeutung ist ebenfalls die Rolle des Betroffenen in der Öffentlichkeit. Wenn Fragen von allgemeinem Interesse betroffen sind, ist das Maß hinnehmbarer Kritik bei einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes, wenn er in amtlicher Eigenschaft tätig wird, weiter als bei Privatpersonen13.
Die von der Freiheit der Meinungsäußerung umfasste Veröffentlichung von Fotos betrifft einen Bereich, in dem der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts besondere Bedeutung hat14. Es kann sich aber niemand über eine Verletzung des Schutzes seines guten Rufs als Teil des Rechts auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EGMR beschweren, wenn sie die vorhersehbare Folge eigenen Verhaltens ist15.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe rechtfertigen die getroffenen Feststellungen nicht die Beurteilung, dass die im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorzunehmende Abwägung hinsichtlich der Bildberichterstattung im Artikel „Diese Symbole und Codes benutzen Rechtsradikale“ zugunsten der Zeitungsverlegerinn ausfällt. Die den Bundespolizisten mithilfe des Fotos identifizierende Berichterstattung transportiert die Tatsachenbehauptung, der Bundespolizist habe bei seinem Einsatz als Bundespolizist anlässlich eines Neonazifestivals Aufnäher getragen, die zur rechten Szene gehörten und von Rechtsradikalen getragen würden, und ordnet den Bundespolizisten damit selbst der rechten Szene zu.
Das portraitähnliche Foto zeigt den Bundespolizisten mit unverpixeltem und halb ins Profil gedrehtem Kopf ohne Kopfbedeckung. Er trägt eine Sonnenbrille; sein Gesicht mit Ausnahme seiner Augen ist gut zu erkennen. Aufgrund des portraitartigen Charakters des Bildes kann er im Kollegen- und Bekanntenkreis identifiziert werden. Er steht vor einem Einsatzfahrzeug der Polizei in Uniform. Zu sehen ist nur der Oberkörper. Auf seiner Schutzweste ist in Brusthöhe der Schriftzug „POLIZEI“ zu lesen. Unter diesem Schriftzug sind zwei Aufnäher zu erkennen. Der eine zeigt ein Schwert mit nach unten zeigender Spitze und einem auf der Klinge des Schwertes unterhalb des Griffs angebrachten Schild mit rotem Kreuz. Rechts und links der Klinge sind Flügel mit Federn zu sehen. Über dem Schwert steht in Großbuchstaben „RECTE FACIENDO NEMINEM TIMEAS“, übersetzt: „Tue Recht und scheue niemand“. Auf dem zweiten Aufnäher ist ein griechisches Omega zu sehen. Das Rund des griechischen Buchstabens umschließt einen Spartanerhelm mit zwei gekreuzten Schwertern. Unterhalb des Omega steht „ΜΟΛΟΝ ΛΑΒΕ“ (Molon Labe), übersetzt: „Komm und hol sie dir“.
Das Foto des Bundespolizisten ist Teil einer Kurznachricht der Initiative „Rechts rockt nicht!“, die sich mit den Fragen „Was sollen denn diese Abzeichen bedeuten? Sind diese offiziell oder mal wieder ein Einzelfall?“ auf Twitter an die Polizei Sachsen und die Bundespolizei wendet. Mit dem Bild des Bundespolizisten und diesem Text stellt die Initiative die Gesinnung des Bundespolizisten in Frage. Aus der Angabe unter dem Tweet „1.454 Nutzer sprechen darüber“ ergibt sich darüber hinaus, dass hierüber im sozialen Netzwerk Twitter bereits zahlreich diskutiert wird.
Hierauf beschränkt sich der Informationsgehalt der angegriffenen Berichterstattung aber nicht. Der Tweet mit dem Foto des Bundespolizisten ist Bestandteil eines Artikels mit der Überschrift „Diese Symbole und Codes benutzen Rechtsradikale“. In diesem Artikel wird davon berichtet, dass beim „Neonazi-Festival ‘Schild und Schwert‘“ nicht nur die Besucher durch Kleidung mit rechter Symbolik aufgefallen seien, sondern auch ein – namentlich nicht genannter – Bundespolizist zwei „fragwürdige“ Abzeichen getragen habe, „die zur rechten Szene gehören“ bzw. „mit der rechten Szene in Verbindung gebracht werden“. Es wird weiter berichtet, „unter Rechtsextremen werden etliche Codes, wie diese Symbole, benutzt“. Nach der Wiedergabe des Fotos des Bundespolizisten wird die Bedeutung der Sprüche auf den Aufnähern erklärt. Es wird erläutert, dass auf einem der Aufnäher „das Symbol der Kreuzritter“ abgebildet sei, auf deren Tradition sich der norwegische Attentäter Anders Breivik und der Attentäter von Christchurch beriefen. Weiter wird auf die Herkunft des Spruchs „Molon Labe“ eingegangen, der laut Artikel ebenfalls in der rechten Szene verbreitet sei. Abschließend erläutert der Artikel unter der Überschrift „Die Symbole der Rechtsradikalen“ die Bedeutung weiterer Zeichen und Zahlencodes.
Der unvoreingenommene und verständige Leser16 entnimmt dieser Berichterstattung im Gesamtzusammenhang die Tatsachenbehauptung, dass der durch das Bild identifizierbare Bundespolizisten bei seinem Einsatz als Bundespolizist anlässlich eines Neonazifestivals Aufnäher getragen habe, die zur rechten Szene gehörten und von Rechtsextremen getragen würden. Die Berichterstattung der Zeitungsverlegerinn wirft – anders als die Berichterstattungen, die den BGH, Urteilen vom heutigen Tag in den Verfahren – VI ZR 1319/20, – VI ZR 1328/20 und – VI ZR 22/21 zugrunde liegen – nicht nur die offene Frage auf, ob der Bundespolizist mit der rechten Szene sympathisiert, sondern ordnet die Aufnäher des Bundespolizisten und letztlich diesen selbst der rechten bzw. rechtsradikalen Szene zu. Die Berichterstattung geht damit in ihrem Aussagegehalt über den Inhalt des abgebildeten Tweets der Initiative „Rechts rockt nicht!“ deutlich hinaus. Mit diesem Informationsgehalt beeinträchtigt die angegriffene Berichterstattung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Bundespolizisten zusätzlich in seinen Ausprägungen des Schutzes der Berufsehre und der sozialen Anerkennung17.
Die Berichterstattung darüber, welche Symbole und Codes Rechtsextreme benutzen, hat erheblichen Informationswert. Trifft die Tatsachenbehauptung, der Bundespolizist habe als Polizist bei einem dienstlichen Einsatz Aufnäher getragen, die zur rechtsextremen Szene gehören, zu, wird der Informationswert der Berichterstattung noch gesteigert. Wenn Polizisten bei der Dienstausübung Abzeichen tragen, die Rechtsextreme benutzen, ist eine öffentliche Diskussion darüber von großem gesellschaftlichen Interesse. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Neutralität, Objektivität, Unparteilichkeit und Verfassungstreue der Polizei hängt zu einem erheblichen Teil vom Auftreten und dem äußeren Erscheinungsbild dieser Beamten ab. Auch nach außen müssen Polizeibeamte bei der Dienstausübung eine innere Haltung ausdrücken, die durch Neutralität, Distanz und Objektivität geprägt ist18.
Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen überwiegt das Recht der Zeitungsverlegerinn – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – das Recht des Bundespolizisten auf Schutz seiner Persönlichkeit nicht.
Der Informationsgehalt der Bildberichterstattung beschränkt sich auf die Illustration der in der Textberichterstattung enthaltenen Aussagen, dass der auf dem Foto abgebildete Bundespolizist beim „Schild- und Schwertfestival“ in Ostritz an seiner Uniform zwei Aufnäher getragen habe, die zur rechten Szene gehörten bzw. mit der rechten Szene in Verbindung gebracht und von Rechtsextremen benutzt würden. Die Textberichterstattung befasst sich im Übrigen nicht mit dem Bundespolizisten oder seinem Einsatz anlässlich des Neonazifestivals in Ostritz. Das Bild des Bundespolizisten dient damit – anders als im Fall der Bundespolizistin des im Jahr 2010 entschiedenen Verfahrens19 – nicht der Illustration eines weiteren; vom Bundespolizisten auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen hinzunehmenden Gegenstands der Berichterstattung.
Der Bundespolizist hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwar eingeräumt, dass einzelne auf den Aufnähern zu Elemente auch in der rechten Szene Verwendung finden. Er hat aber bestritten, dass die beiden Aufnäher in ihrer Gesamtheit in diesen Kreisen benutzt werden. Das Berufungsgericht durfte die Frage, ob die Tatsachenbehauptung im Artikel zutrifft, dass die vom Bundespolizisten auf dem Bild getragenen Aufnäher als solche zu den Codes und Symbolen der rechten Szene gehören, nicht offenlassen. Die Berichterstattung trifft insoweit nicht nur die Aussage, dass diese Aufnäher auch in der rechten Szene Verwendung finden, womit deutlich würde, dass diese Aufnäher nicht ausschließlich der rechten Szene zuzuordnen wären, sodass ihr Tragen auch noch keinen eindeutigen Schluss auf die Gesinnung des Bundespolizisten zuließe. Mit der weitergehenden Aussage, die vom Bundespolizisten getragenen Aufnäher gehörten als solche – ebenso wie die anderen im Artikel angesprochenen Symbole und Codes – zur rechten bzw. rechtsextremen Szene, ordnet der Artikel den Bundespolizisten ohne Weiteres selbst diesem Lager zu. Der Vorwurf, Aufnäher, die (nur) von Rechtsextremen getragen werden, bei der Dienstausübung getragen zu haben, wiegt für einen Bundespolizisten, dessen persönliche Eignung für diesen Beruf dadurch in Frage stehen kann20, schwer. Die mit der Illustration dieser Tatsachenbehauptung durch sein Bildnis verbundene Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts muss der Bundespolizist nicht hinnehmen, wenn die Tatsachenbehauptung falsch ist.
Die angefochtene Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg beruht auf dem dargestellten Rechtsfehler, soweit die Klage hinsichtlich der Bildberichterstattung auf der Internetseite www.lvz.de abgewiesen wurde. Das Berufungsurteil war daher insoweit aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses ggf. weitere Feststellungen treffen kann.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. November 2022 – VI ZR 57/21
- Abgrenzung zu BGH, Urteilen vom 08.11.2022 – VI ZR 1319/20; – VI ZR 1328/20; – VI ZR 22/21[↩]
- LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 08.05.2020 – 4 O 448/19[↩]
- OLG Naumburg, Urteil vom 21.01.2021 – 9 U 78/20[↩]
- BGH, Urteile vom 29.09.2020 – VI ZR 449/19, ZUM 2021, 50 Rn. 16; vom 07.07.2020 – VI ZR 250/19, ZUM-RD 2020, 642 Rn. 9; jeweils mwN[↩]
- vgl. BVerfGE 120, 180, 211 ff. 78 ff.; EGMR, NJW 2012, 1053 Rn. 114 ff.[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 29.09.2020 – VI ZR 449/19, ZUM 2021, 50 Rn. 17; vom 07.07.2020 – VI ZR 250/19, ZUM-RD 2020, 642 Rn. 9; jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 29.09.2020 – VI ZR 449/19, ZUM 2021, 50 Rn. 22; vom 07.07.2020 – VI ZR 250/19, ZUM-RD 2020, 642 Rn. 12 f.; jeweils mwN[↩]
- vgl. BVerfG, NJW 2017, 1376 Rn. 11, 16; BGH, Urteil vom 17.05.2022 – VI ZR 141/21 50 mwN[↩]
- BGH, Urteile vom 29.05.2018 – VI ZR 56/17, VersR 2018, 1136 Rn. 16; vom 27.09.2016 – VI ZR 310/14, NJW 2017, 804 Rn. 8[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 29.09.2020 – VI ZR 449/19, ZUM 2021, 50 Rn. 23; vom 07.07.2020 – VI ZR 250/19, ZUM-RD 2020, 642 Rn. 15 ff.; jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 29.09.2020 – VI ZR 449/19, ZUM 2021, 50 Rn. 24; vom 07.07.2020 – VI ZR 250/19, ZUM-RD 2020, 642 Rn. 17; jeweils mwN[↩]
- BGH, Urteile vom 29.09.2020 – VI ZR 449/19, ZUM 2021, 50 Rn. 25; vom 07.07.2020 – VI ZR 250/19, ZUM-RD 2020, 642 Rn.19; jeweils mwN; EGMR, NJW 2019, 741 Rn. 30[↩]
- EGMR, AfP 2014, 430 Rn. 33 f.; EGMR, NJW 2006, 1645 Rn. 80[↩]
- vgl. EGMR, NJW 2012, 1053 Rn. 103; EGMR, GRUR 2004, 1051 Rn. 59[↩]
- vgl. EGMR, GRUR 2012, 741 Rn. 83[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 27.04.2021 – VI ZR 166/19, AfP 2021, 336 Rn. 11; vom 17.05.2022 – VI ZR 141/21 29; jeweils mwN[↩]
- vgl. dazu BGH, Urteile vom 27.09.2016 – VI ZR 250/13, NJW 2017, 482 Rn. 17, 31; vom 26.01.2021 – VI ZR 437/19, VersR 2021, 856 Rn. 18[↩]
- vgl. BVerwGE 168, 129 Rn. 27[↩]
- BGH, Urteil vom 13.04.2010 – VI ZR 125/08, NJW 2010, 3025 Rn. 17 f.[↩]
- vgl. hierzu BVerwG, NVwZ 2001, 1410, 1412 36; BayVGH, Beschluss vom 08.02.2021 – 6 CS 21.11120[↩]