Individualisierende Medienberichterstattung bei Sexualstraftaten

Eine Medienberichterstattung, aus der sich die Identität eines Straftäters entnehmen läßt, ist nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch dann verfassungsgemäß, wenn es sich dabei um eine Sexualstraftat handelt.

Der Beschwerdeführer in der jetzt vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Verfassungsbeschwerde und Verfügungskläger des zivilrechtlichen Ausgangsverfahrens ist ehemaliger Profi-Fußballspieler aus Karlsruhe, der bis 1993 auch in Bundesligaspielen auftrat. Er wurde am 29. Oktober 2008 vom Landgericht Köln wegen schwerer Vergewaltigung in einem minder schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Der Schuldausspruch ist rechtskräftig. Die gegen die Strafmaßentscheidung eingelegte Revision des Beschwerdeführers hat der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich, nach Einlegung der Verfassungsbeschwerde, verworfen.

Die Verfügungsbeklagte des Ausgangsverfahrens, die als Telemediendiensteanbieterin ein bekanntes Internetportal betreibt, berichtete zunächst anlässlich des Geständnisses des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung vom 16.10.2008 über das Strafverfahren und die zu Grunde liegende Tat. Unter der Überschrift „Dieser Ex-Bundesliga-Star vergewaltigte eine Domina – Gestern hat er vor Gericht gestanden“ schilderte die Verfügungsbeklagte unter Nennung des Namens des Beschwerdeführers, seines Alters und seiner Fußballerkarriere Einzelheiten der Tat und wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Beschwerdeführer bereits 5 Jahre lang Stammgast bei der als Domina tätigen Prostituierten gewesen sei. Dem Bericht wurde ein Archivbild beigefügt, welches den Beschwerdeführer in seiner Zeit als Fussballprofi zeigt. Mit weiterer Berichterstattung vom 29.10.2008 berichtete die Verfügungsbeklagte erneut unter Beifügung des Archivbildes und Namensnennung über die Tat und den Ausgang des Strafverfahrens in erster Instanz.

Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin beim Landgericht München I den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, der Telemediendiensteanbieterin einstweilen zu untersagen, über das Strafverfahren und über dessen Abschluss in individualisierender und bebildeter Weise unter Mitteilung verschiedener persönlicher Details aus dem Sexualleben des Beschwerdeführers zu berichten. Das Landgericht München I erließ die beantragte Verfügung und untersagte der Telemediendiensteanbieterin außerdem, über die Höhe der Freiheitsstrafe ohne Hinweis auf die insoweit (seinerzeit noch) fehlende Rechtskraft zu berichten.

Auf die Berufung der Telemediendiensteanbieterin hob das Oberlandesgericht München das Urteil des Landgerichts München I teilweise auf, soweit die individualisierende Wortberichterstattung über die Tat und das Strafverfahren sowie die Berichterstattung über das Sexualleben untersagt worden waren und wies im übrigen die Berufung zurück. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts in den unantastbaren innersten Kern der Menschenwürde eingreife, indem sie eine Berichterstattung gestatte, mit der die Veröffentlichung intimer Umstände einhergehe.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde, mit der der Beschwerdeführer die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Berichterstattung gerügt hat, nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls, so das BVerfG, unbegründet.

Zwar greift die Berichterstattung über eine Straftat und deren Umstände zwangsläufig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) ein. Die Freiheit, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem staatlichen Zugriff entzogenen Freiraum zu erleben, gehört sogar zum absolut geschützten Kernbereich des Grundrechts. Das gilt aber nicht uneingeschränkt für den Bereich der Sexualität. Bei Sexualstraftaten sind gewalttätige Übergriffe in die sexuelle Selbstbestimmung und die körperliche Unversehrtheit des Opfers tatbestimmend. Daher liegt die Annahme fern, dass die Umstände der Begehung einer Sexualstraftat zur absolut geschützten Intimsphäre des Täters zählen. Ein verurteilter Straftäter einer Sexualstraftat muss es daher dulden, dass im Fall der Berichterstattung über eine ihm zur Last gelegte Straftat sein allgemeines Persönlichkeitsrecht hinter dem Interesse der Öffentlichkeit an einer umfassenden Berichterstattung unter Umständen zurücktreten kann. Das gilt insbesondere dann, wenn er -wie hier – wegen seiner Prominenz in besonderer Weise im Blickfeld der Öffentlichkeit steht und die Medienöffentlichkeit mit Rücksicht hierauf hinzunehmen hat.

Die Berichterstattung über Entstehung, Ausführung und Verfolgung einer Straftat unter Namensnennung, Abbildung und Darstellung des Straftäters greift zwangsläufig in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht ein, weil sie sein Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Öffentlichkeit zwangsläufig negativ bewertet. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG) ist aber nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern muss mit der ebenfalls nicht schrankenlos gewährleisteten Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) abgewogen werden. Diese Abwägung ist für jeden Einzelfall gesondert vorzunehmen.

Zivilrechtliche Grundlage zur Durchsetzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist § 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 BGB, §§ 185 ff. StGB. Die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts im Einzelfall sind indes Sache der Fachgerichte und einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen. Bei Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften müssen die zuständigen Gerichte allerdings die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend berücksichtigen, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf Ebene der Rechtsanwendung gewahrt bleibt. Dies verlangt in der Regel eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange, die im Rahmen der auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale des einfachen Rechts vorzunehmen ist und die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen hat. Das Ergebnis dieser Abwägung lässt sich nicht generell und abstrakt vorwegnehmen. In der Rechtsprechung ist allerdings eine Reihe von Gesichtspunkten entwickelt worden, die Leitlinien für die konkrete Abwägung vorgeben. So müssen wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden, unwahre dagegen nicht. Jedoch können auch wahre Berichte das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dann verletzen, wenn die Darstellung einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen, obschon sie wahr sind, geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen.

Auf der anderen Seite sprechen erhebliche Erwägungen für eine auch die Person des Täters einbeziehende vollständige Information der Öffentlichkeit über vorgefallene Straftaten und die zu ihrer Entstehung führenden Vorgänge. Straftaten gehören zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Presse ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen ein anzuerkennendes Interesse an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist daher ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Informationsinteresse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen.

Wägt man dieses Interesse mit der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts, die mit der identifizierenden Berichterstattung über Verfehlungen des Betroffenen verbunden ist, ab, verdient für die tagesaktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang. Wer den Rechtsfrieden bricht, durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern er muss auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird.

Dieser Vorrang gilt indes nicht schrankenlos. So ist auf den unantastbaren innersten Lebensbereich Rücksicht zu nehmen. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts muss ferner im angemessenen Verhältnis zur Schwere des Fehlverhaltens und seiner sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen. Danach ist die Namensnennung, Abbildung oder sonstige Identifizierung des Täters keineswegs immer zulässig; insbesondere in Fällen der kleinen Kriminalität oder bei jugendlichen Straftätern wird dies nicht der Fall sein. Ein an sich geringeres Interesse der Öffentlichkeit über leichte Verfehlungen kann im Einzelfall indes durch Besonderheiten etwa in der Person des Täters oder des Tathergangs aufgewogen werden. Handelt es sich im Übrigen um ein noch laufendes Ermittlungsverfahren, so ist im Rahmen der Abwägung auch die zugunsten des Betroffenen streitende, aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen. Bis zu einem erstinstanzlichen Schuldspruch wird insoweit oftmals das Gewicht des Persönlichkeitsrechts gegenüber der Freiheit der Berichterstattung überwiegen. Eine individualisierende Bildberichterstattung über den Angeklagten eines Strafverfahrens kann allerdings dann gerechtfertigt sein, wenn sich der Betreffende nicht beziehungsweise nicht mehr mit Gewicht auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen kann, etwa wenn er sich in eigenverantwortlicher Weise den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen in der medialen Öffentlichkeit auch im Wege der individualisierenden Berichterstattung gestellt hat, aber auch dann, wenn der betreffende Verfahrensbeteiligte kraft seines Amtes oder wegen seiner gesellschaftlich hervorgehobenen Verantwortung beziehungsweise Prominenz auch sonst in besonderer Weise im Blickfeld der Öffentlichkeit steht und die Medienöffentlichkeit mit Rücksicht hierauf hinzunehmen hat.

Mit zeitlicher Distanz zur Straftat gewinnt im Übrigen das Interesse des Täters, vor einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben, zunehmende Bedeutung. Das Persönlichkeitsrecht bietet Schutz vor einer zeitlich uneingeschränkten Befassung der Medien mit der Person des Straftäters und seiner Privatsphäre. Hat die das öffentliche Interesse veranlassende Tat mit der Strafverfolgung und Verurteilung die gebotene rechtliche Sanktion erfahren und ist die Öffentlichkeit hierüber hinreichend informiert worden, so lassen sich fortgesetzte oder wiederholte Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich des Täters mit Blick auf sein Interesse an der Wiedereingliederung in die Gemeinschaft nicht ohne Weiteres rechtfertigen. Eine vollständige Immunisierung vor der ungewollten Darstellung persönlichkeitsrelevanter Geschehnisse ist damit jedoch nicht gemeint. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt Straftätern keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mit ihrer Tat konfrontiert zu werden. Selbst die Verbüßung der Straftat führt nicht dazu, dass ein Täter den uneingeschränkten Anspruch erwirbt, mit der Tat „allein gelassen zu werden“. Maßgeblich ist vielmehr stets, in welchem Ausmaß das Persönlichkeitsrecht einschließlich des Resozialisierungsinteresses des Straftäters von der Berichterstattung unter den konkreten Umständen beeinträchtigt wird. Für die Intensität der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts kommt es auch auf die Art und Weise der Darstellung, insbesondere auf den Grad der Verbreitung des Mediums an. In der Regel stellt eine Fernsehberichterstattung einen weitaus stärkeren Eingriff in die Privatsphäre dar als eine Wortberichterstattung.

Die aktuelle Berichterstattung über eine schwere Straftat rechtfertigt gegebenenfalls aber nicht allein die Namensnennung – und unter Umständen die Abbildung – des Täters, sondern sie schließt auch Berichte über sein persönliches Leben ein, soweit deren Inhalt in unmittelbarer Beziehung zur Tat steht, Aufschlüsse über Motive oder andere Tatvoraussetzungen gibt und für die Bewertung der Schuld des Täters wesentlich erscheint. Die genaue Grenze einer verantwortungsvollen Berichterstattung mit Blick auf eine mögliche Prangerwirkung lässt sich nur im Einzelfall bestimmen.

Gemessen an den verfassungsrechtlichen Maßstäben ist die angegriffene Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht, das die von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Maßstäbe beachtet, hat insbesondere eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange vorgenommen.

Das Grundgesetz gewährt dem Bürger einen unantastbaren Bereich zur Entfaltung der Persönlichkeit im Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist. Wegen seiner besonderen Nähe zur Menschenwürde ist der Kernbereich privater Lebensgestaltung absolut geschützt, ohne dass dieser Schutz einer Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zugänglich ist. Diesem Kernbereich gehören insbesondere Ausdrucksformen der Sexualität an. Im Übrigen hängt die Beurteilung, ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich zuzuordnen ist, davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt.

Der Bereich der Sexualität gehört nicht zwangsläufig und in jedem Fall zu diesem Kernbereich. Geschützt ist die Freiheit, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem staatlichen Zugriff entzogenen Freiraum zu erleben. Eine Sexualstraftat mag intime Züge tragen, weil sie sich auf dem Gebiet der Sexualität abspielt. Mit ihr geht aber ein gewalttätiger Übergriff in die sexuelle Selbstbestimmung und die körperliche Unversehrtheit des Opfers einher, so dass ihre Begehung keinesfalls als Ausdruck der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit des Täters angesehen werden kann. Die Tat ist deshalb auch nicht von höchstpersönlicher, die Menschenwürde des Täters berührender Natur, so dass ihm hierfür ein fremden Einblicken entzogener Freiraum zuzubilligen wäre. Auch die weiteren Umstände der Tat, insbesondere die Beziehung des Täters zu seinem Opfer, zählen nicht zu seiner absolut zu schützenden Intimsphäre.

Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Oberlandesgericht auf einen grundsätzlichen Vorrang des Informationsinteresses abstellt, soweit wie hier die wahrheitsgemäße tagesaktuelle Berichterstattung über eine schwere Straftat in Rede steht, deren Begehung durch den Betroffenen zumindest im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung über das Unterlassungsbegehren nicht mehr zweifelhaft, sondern durch Urteil festgestellt ist. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass das Strafurteil mit Blick auf die Strafmaßentscheidung noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Auch die Würdigung des Oberlandesgerichts, dass die hier in Rede stehende Tat so schwer wiegt, dass sie ein Informationsinteresse auch an der Person des Täters zu begründen vermag, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es begegnet keinen Bedenken, dass das Oberlandesgericht zur Beurteilung der Schwere der Tat auf den gesetzlichen Strafrahmen sowie auf die konkret verhängte Freiheitsstrafe abgestellt hat. Demgegenüber ändert allein die Möglichkeit, dass im Wege der Revision eine Milderung erstritten werden könnte, nichts daran, dass bereits ihrer Art nach eine schwere Straftat und nicht etwa nur eine lediglich leichte Verfehlung in Rede steht, die möglicherweise für sich genommen ein Informationsinteresse auch an der Person des Täters nicht zu rechtfertigen vermöchte. Ohnehin kommt hier hinzu, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit in erheblichem Maße im Licht der Öffentlichkeit gestanden hat, so dass ungeachtet dessen, dass seine Prominenz inzwischen verblasst sein mag, ein nicht völlig zu vernachlässigendes Informationsinteresse an seiner Person und seinem Verhalten auch nach Rückkehr in die Anonymität besteht.

Verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass das Oberlandesgericht dem Resozialisierungsinteresse keinen überwiegenden Einfluss auf die Abwägung zugemessen hat, zumal es einen Teil der Untersagungsverfügung des Landgerichts aufrechterhalten hat. Zutreffend stellt das Oberlandesgericht klar, dass aus der Anknüpfung in der Lebach-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für ein mögliches Überwiegen des Resozialisierungsinteresses gegenüber einer erneuten Berichterstattung über die frühere Tat an den Zeitpunkt der Haftentlassung nicht folgt, dass bei Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung – oder bei Verhängung einer Geldstrafe – das Resozialisierungsinteresse bereits ab dem Moment der Strafmaßentscheidung allein deshalb zwingend überwiege, weil gar keine Haft anzutreten ist. Der Wunsch, allein gelassen zu werden, gewinnt mit der zeitlichen Distanz zur Straftat und zum Strafverfahren zunehmende Bedeutung, steht aber der Befriedigung des vom Täter selbst erweckten Informationsinteresses durch tagesaktuelle Berichterstattung über die Tat und über die hierfür verhängte Sanktion nicht entgegen. Auch eine mögliche stigmatisierende Wirkung führte hier nicht zum Überwiegen des Persönlichkeitsrechts. Zwar kann unterstellt werden, dass den Beschwerdeführer durch die Berichterstattung eine erhebliche soziale Missbilligung treffen wird. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt dem Täter aber keinen Anspruch darauf, in aller Stille das Strafverfahren abwickeln zu können, um der sozialen Missbilligung durch sein Umfeld zu entgehen. Allein von der tagesaktuellen Berichterstattung, die mit dem Abschluss des Verfahrens ein Ende findet, geht indes keine derart schwerwiegende Stigmatisierung in einer solchen Breitenwirkung aus, dass eine dauerhafte oder lang anhaltende soziale Ausgrenzung zu befürchten wäre, die hier in der Abwägung das Berichterstattungsinteresse überwiegen müsste.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10. Juni 2009 – 1 BvR 1107/09