Missbrauch des GEMA-Verteilungsplans

Die Regelungen eines Berechtigungsvertrags sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen unabhängig davon einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterworfen, ob es sich bei dem Vertragspartner um ein ordentliches, außerordentliches oder angeschlossenes Mitglied der Verwertungsgesellschaft handelt. In den Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan der GEMA für das Aufführungs- und Senderecht in der seit dem 28. Juni 2006 geltenden Fassung hält die Regelung des Abschnitt IV Ziff. 4 Abs. 3 – “Programme, die den Namen einzelner Bezugsberechtigter auffallend häufig enthalten, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund gegeben ist, sind von der Verrechnung insoweit ausgeschlossen, als sie auf dem zu beanstandenden Tatbestand beruhen. Im Zweifel werden diese Programme bis zur endgültigen Klärung von der Verrechnung zurückgestellt.” – der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB nicht stand.

Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) nimmt die ihr von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern aufgrund von Berechtigungsverträgen eingeräumten urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Musikwerken wahr.

Die GEMA verteilt die Einnahmen aus der Auswertung der ihr eingeräumten Rechte an ihre Mitglieder auf der Grundlage eines Verteilungsplans. Der Verteilungsplan wird von der Mitgliederversammlung der GEMA beschlossen und ist Bestandteil des Berechtigungsvertrags.

Abschnitt IV Ziff. 4 der Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan für das Aufführungs- und Senderecht (Verteilungsplan A) der GEMA in der seit dem 28.07.2006 geltenden Fassung (AVPA [2006]) lautet:

Die GEMA ist nach der Rechtsprechung als Treuhänderin aller Mitglieder verpflichtet, der missbräuchlichen Ausnutzung des Verteilungsplanes entgegenzuwirken. Diesem Zweck dienen die nachfolgenden Vorschriften.

Von der Verrechnung ausgeschlossen sind Programme, die den Tatsachen nicht entsprechen.
Programme, die den Namen einzelner Bezugsberechtigter auffallend häufig enthalten, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund gegeben ist, sind von der Verrechnung insoweit ausgeschlossen, als sie auf dem zu beanstandenden Tatbestand beruhen. Im Zweifel werden diese Programme bis zur endgültigen Klärung von der Verrechnung zurückgestellt.

In besonders schwerwiegenden Fällen, insbesondere in Wiederholungsfällen, findet Abschnitt III Ziff. 3 c) entsprechende Anwendung.

Soweit ein Programm nicht den Tatsachen entspricht, ist die GEMA berechtigt, Programme des betroffenen Veranstalters bzw. des nach Abschnitt III Ziff. 3 b) zur Programmabgabe Befugten von der Verrechnung eines Geschäftsjahrs zurückzustellen, bis der Veranstalter bzw. der Bezugsberechtigte die Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben nachgewiesen hat. Dasselbe gilt, soweit begründete Zweifel an der Richtigkeit von wesentlichen Programmbestandteilen bestehen. Die GEMA benachrichtigt den Veranstalter bzw. Bezugsberechtigten bis zum Abrechnungstermin von der Zurückstellung und fordert ihn auf, den Nachweis zu erbringen. Wird dieser nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Benachrichtigung erbracht, sind die zurückgehaltenen Programme von der Verrechnung ausgeschlossen.

Diese Verteilungsregeln hielten der Inhaltskontrolle des Bundesgerichtshofs nur teilweise stand: Die Regelungen des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 1, 2, 4 und 5 AVPA (2006) sind nach dem Urteil des Bundeserichtshofs weder nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam noch verstoßen sie gegen § 6 Abs. 1, § 7 Satz 1 UrhWG. Dagegen sind beide Sätze der Regelung des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 3 AVPA (2006) nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nichtig.

Inhaltskontrolle als Allgemeine Geschäftsbedingungen

Die Regelungen des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 1, 2, 4 und 5 AVPA (2006) sind nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Die Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan A unterliegen einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB.

Bei den Regelungen des Berechtigungsvertrags handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Der Verteilungsplan ist Bestandteil des Berechtigungsvertrags (§ 6 Buchst. a des Berechtigungsvertrags). Die Bestimmungen des Verteilungsplans einschließlich seiner Ausführungsbestimmungen sind daher gleichfalls Allgemeine Geschäftsbedingungen.

Die auch im Vereinsrecht anwendbare Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB, wonach die §§ 307 ff. BGB unter anderem bei Verträgen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts keine Anwendung finden, steht einer Inhaltskontrolle nicht entgegen. Die sich aus dem Berechtigungsvertrag ergebenden Rechtsbeziehungen, die die Einräumung von Nutzungsrechten an die GEMA und die Teilhabe an den Erlösen betreffen, sind nicht körperschaftsrechtlicher Natur, sondern dem individualrechtlichen Bereich zuzurechnen. Sie regeln – auch im Verhältnis zu vereinsrechtlichen Mitgliedern der GEMA – nicht das mitgliedschaftliche Verhältnis, sondern die schuldrechtliche treuhänderische Beziehung.

Deshalb ist bei der Frage nach der Anwendbarkeit der §§ 307 ff. BGB entgegen der Auffassung der GEMA nicht danach zu unterscheiden, ob es sich bei dem Vertragspartner der GEMA um ein ordentliches, außerordentliches oder angeschlossenes Mitglied der GEMA handelt. Auf den vereinsrechtlichen Status der Berechtigten kommt es nicht an, weil sich die rechtlichen Wirkungen des Berechtigungsvertrags – ungeachtet der bei ordentlichen Mitgliedern durch das Vereinsrecht gewährten Möglichkeit der Einflussnahme auf dessen Gestaltung – für sämtliche Mitglieder gleichermaßen allein aus dem Berechtigungsvertrag ergeben.

Die Regelungen des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 1, 2, 4 und 5 AVPA (2006) sind nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Die Regelungen des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 1, 2, 4 und 5 AVPA (2006) führen nicht zu einer solchen unangemessenen Benachteiligung der Vertragspartner der GEMA.

Die Regelung des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 1 AVPA (2006) benachteiligt die Berechtigten nicht unangemessen. Satz 1 dieser Bestimmung erschöpft sich in der zutreffenden Feststellung, dass die GEMA nach der Rechtsprechung als Treuhänderin aller Mitglieder verpflichtet ist, der missbräuchlichen Ausnutzung des Verteilungsplanes entgegenzuwirken. Satz 2 dieser Regelung weist lediglich darauf hin, dass die nachfolgenden Vorschriften diesem Zweck dienen. Absatz 1 des Abschnitts IV Ziff. 4 AVPA (2006) hat damit, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, keinen eigenen Regelungsgehalt, sondern ist lediglich eine Art Präambel oder ein Programmsatz, der bei der Auslegung der nachfolgenden Regelungen des Abschnitts IV Ziff. 4 AVPA (2006) zu berücksichtigen ist. Die Bestimmung schränkt mithin keine Rechte oder Pflichten ein, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob die Bestimmung unklar oder unverständlich ist, weil sie unbestimmte und daher auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe enthält.

Hiergegen kann auch nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, die Bestimmung des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 2 AVPA (2006), wonach Programme, die den Tatsachen nicht entsprechen, von der Verrechnung ausgeschlossen sind, schaffe einen Freiraum für Entscheidungen, die gegen das Willkürverbot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen könnten. Sie ermögliche nämlich schon bei Unrichtigkeit eines unwesentlichen Bestandteils oder Begleitumstands eines Programms (wie etwa bei Angabe einer falschen Uhrzeit) den Ausschluss sämtlicher Musikfolgen eines Geschäftsjahres. Die Regelung ist – wie auch die übrigen Bestimmungen des Abschnitts IV Ziff. 4 AVPA (2006) – im Lichte des ersten Absatzes auszulegen. Danach dient sie dem Zweck, einer missbräuchlichen Ausnutzung des Verteilungsplans entgegenzuwirken. Bei diesem Verständnis können Unrichtigkeiten eines Programms, die (wie etwa die Angabe einer falschen Uhrzeit) für den Anspruch auf Beteiligung am Vergütungsaufkommen ohne Bedeutung sind, nicht dazu führen, dass dieses Programm von der Verrechnung ausgeschlossen ist.

Die Regelung des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 4 AVPA (2006) stellt keine unangemessene oder willkürliche Benachteiligung der Berechtigten dar.

Die in Abschnitt IV Ziff. 4 Abs. 5 AVPA (2006) aufgestellten Beweislastgrundsätze sind auch nicht unangemessen und willkürlich.

Es nicht unangemessen oder willkürlich, dass die GEMA bereits dann, wenn ein von einem Veranstalter oder (ausnahmsweise) von einem Bezugsberechtigten (vgl. Abschnitt III AVPA [2006]) eingereichtes Programm nicht den Tatsachen entspricht oder begründete Zweifel an der Richtigkeit wesentlicher Programmbestandteile bestehen, gemäß Abschnitt IV Ziff. 4 Abs. 5 Satz 1 und 2 AVPA (2006) berechtigt ist, sämtliche Programme dieses Veranstalters oder Bezugsberechtigten bis zum Nachweis der Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben von der Verrechnung eines Geschäftsjahres zurückzustellen. Eine Verwertungsgesellschaft ist aufgrund der treuhänderischen Bindung im Interesse aller Berechtigten gehalten, das Vergütungsaufkommen möglichst leistungsgerecht auszuschütten. Sie ist daher im Interesse der anderen Berechtigten gehalten, unzureichend belegte Meldungen zurückzuweisen und gegebenenfalls auf einem vollen Nachweis der Voraussetzungen des Anspruchs auf Beteiligung am Vergütungsaufkommen zu bestehen. Die GEMA muss von einem Veranstalter oder Bezugsberechtigten danach zwar nicht den Nachweis der Richtigkeit eingereichter Programme fordern, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Programme unrichtig sein könnten. Macht ein Veranstalter oder Bezugsberechtigter jedoch in einem Programm unrichtige Angaben, darf die GEMA darin einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür sehen, dass er auch in den übrigen Programmen unrichtige Angaben gemacht haben könnte. Es ist daher nicht unangemessen oder willkürlich, wenn die Beklagte sich für solche Fälle das Recht einräumen lässt, auch die übrigen von diesem Veranstalter oder Bezugsberechtigten eingereichten Programme bis zum Nachweis der Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben von der Verrechnung eines Geschäftsjahres zurückzustellen.

Es ist ferner sachlich gerechtfertigt, dass der Veranstalter oder Bezugsberechtigte nach Abschnitt IV Ziff. 4 Abs. 5 Satz 1 und 2 AVPA (2006) die Beweislast für die Richtigkeit des Programms trägt und nicht etwa die GEMA die Beweislast für dessen Unrichtigkeit. Die in den Programmen genannten Werkaufführungen liegen im Wahrnehmungs- und Verantwortungsbereich des Veranstalters oder Bezugsberechtigten, der das Programm bei der GEMA eingereicht hat. Dagegen hat die GEMA von diesen Werkaufführungen keine Kenntnis, wenn sie nicht ausnahmsweise eine Kontrolle durchgeführt hat.

Die Regelung in Abschnitt IV Ziff. 4 Abs. 5 Satz 4 AVPA (2006), wonach die GEMA den Veranstalter bzw. den Bezugsberechtigten bis zum Abrechnungstermin von der Zurückstellung benachrichtigt und ihn auffordert, den Nachweis zu erbringen, ist ebenfalls nicht unangemessen. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, dem Veranstalter oder Bezugsberechtigten sei aufgrund der “Flüchtigkeit” von Musikaufführungen eine Beweisführung aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich, wenn die GEMA ihm ihre Zweifel an der Richtigkeit des Programms erst mehrere Monate nach der Veranstaltung mitteile. Der Veranstalter oder Bezugsberechtigte muss damit rechnen, dass die Beklagte einen Nachweis der Richtigkeit des eingereichten Programms fordert. Er kann daher entsprechende Vorsorge treffen und geeignete Beweismittel sichern.

Die in Abschnitt IV Ziff. 4 Abs. 5 AVPA (2006) aufgestellten Beweislastgrundsätze führen auch nicht dazu, dass die Bezugsberechtigten unerfüllbaren Anforderungen an den Nachweis ihres Vergütungsanspruchs ausgesetzt sind.

Die Berechtigten, die nach allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Beteiligung am Vergütungsaufkommen tragen, sind durch diese Regelung nicht daran gehindert, wegen Werkaufführungen, die in von der Verrechnung zurückgestellten oder ausgeschlossenen Programmen genannt sind, einen Anspruch auf Beteiligung am Vergütungsaufkommen geltend zu machen und das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen anderweitig nachzuweisen.

Die Regelung des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 5 AVPA (2006) bestimmt nicht, dass der Anspruch der Berechtigten auf Beteiligung am Vergütungsaufkommen wegen Werkaufführungen, die in von der Verrechnung zurückgestellten oder ausgeschlossenen Programmen genannt sind, ausgeschlossen ist; sie regelt vielmehr allein, dass die GEMA unrichtige oder zweifelhafte Programme bis zum Nachweis der Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben von der Verrechnung zurückstellen und im Falle eines Fehlens dieses Nachweises von der Verrechnung ausschließen darf.

Die Zurückstellung oder der Ausschluss des Programms von der Verrechnung führt lediglich dazu, dass die vereinfachte Form des außergerichtlichen Nachweises von – für den Anspruch auf Beteiligung am Vergütungsaufkommen bedeutsamen – Werknutzungen durch den Berechtigten gegenüber der GEMA ausgeschlossen ist. Nach diesem vereinfachten Verfahren genügt zum Nachweis von Werkaufführungen grundsätzlich, dass der Veranstalter oder (ausnahmsweise) ein Bezugsberechtigter das Programm einreicht, aus dem sich die aufgeführte Musikfolge ergibt (vgl. Abschnitt III AVPA [2006]).

Nicht ausgeschlossen ist damit, dass Werkaufführungen auf andere Weise nachgewiesen werden. Das ergibt sich aus Abschnitt V Ziff. 1 AVPA (2006). Danach sind die bei der GEMA eingegangenen verwertbaren Programme nur eine Möglichkeit des Nachweises für die Aufführung eines Werkes. Darüber hinaus kann der Nachweis nach dieser Bestimmung durch Angaben über abgehaltene Aufführungen geführt werden. Die Möglichkeit, Aufführungen auf diese Weise zu belegen, besteht nicht nur für zurückgestellte, sondern auch für ausgeschlossene Programme. Der Bestimmung des Abschnitts V Ziff. 1 AVPA (2006) lässt sich keine Einschränkung auf zurückgestellte Programme entnehmen.

Bei dem Nachweis durch Angaben über abgehaltene Aufführungen muss es sich zwar im Interesse einer wirksamen Verwaltung der wahrgenommenen Rechte um eine Ausnahme von der Regel handeln, dass Aufführungszahlen in einem vereinfachten Verfahren anhand eingereichter Programme ermittelt werden. Auf eine formlose Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen ist die Verwertungsgesellschaft jedoch weder beschränkt noch angewiesen. Sie kann vom Anspruchsteller vielmehr auch andere Nachweise verlangen und ihn sogar auf den Rechtsweg und die Beweisführung in einem Gerichtsverfahren verweisen, wenn sie begründete, nicht ausgeräumte Zweifel daran hat, dass die notwendigen Voraussetzungen vorliegen.

Den Berechtigten werden damit entgegen der Ansicht des Klägers keine unerfüllbaren Anforderungen an die Darlegung und den Nachweis der Voraussetzungen ihres Vergütungsanspruchs auferlegt. Für die Berechtigten mag es schwierig sein, längere Zeit nach der behaupteten Aufführung die Richtigkeit der im eingereichten Programm gemachten Angaben nachzuweisen. Das rechtfertigt es aber nicht, die Darlegungs- und Beweislast vom Berechtigten auf die GEMA zu verlagern. Die GEMA weist zudem zutreffend darauf hin, dass ein Berechtigter die Angaben in einem von der Verrechnung zurückgestellten oder ausgeschlossenen Programm verwerten kann, um die Aufführung eines von ihm komponierten oder verlegten Musikwerks nachzuweisen. Insbesondere kann er die Personen als Zeugen benennen, die nach seiner Darstellung bei einer Aufführung als Veranstalter und Darbietende (Musikleiter) mitgewirkt haben. Den Zeugen kann die Aufstellung der aufgeführten Werke im Programm als Gedächtnisstütze dienen.

Kein Verstoß gegen das UrhWG

Da die Regelungen des Abschnitts IV Ziff. 4 AVPA (2006) – wie dargelegt – weder unangemessen noch willkürlich sind, verstoßen sie weder gegen die Verpflichtung der GEMA, die Rechte der Berechtigten zu angemessenen Bedingungen wahrzunehmen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 UrhWG), noch führen sie zu einer willkürlichen Verteilung des Vergütungsaufkommens (§ 7 Satz 1 UrhWG). Es kann daher offenbleiben, ob ein Verstoß von Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan gegen § 6 Abs. 1 Satz 1 UrhWG oder § 7 Satz 1 UrhWG gemäß § 134 BGB zu deren Unwirksamkeit führt oder allenfalls gemäß § 19 Abs. 1 UrhWG von der Aufsichtsbehörde beanstandet werden kann.

Verrechnungsausschluß bei “auffallend häufiger” Nennung

Die Regelung des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 3 AVPA (2006) ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB nichtig.

Die Bestimmung des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 3 Satz 1 AVPA (2006) benachteiligt die Vertragspartner der GEMA unangemessen, weil sie nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB). Nach dieser Bestimmung sind Programme, die den Namen einzelner Bezugsberechtigter auffallend häufig enthalten, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund gegeben ist, von der Verrechnung insoweit ausgeschlossen, als sie auf dem zu beanstandenden Tatbestand beruhen.

Der Verwender ist nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners in Allgemeinen Geschäftsbedingungen klar, einfach und präzise darzustellen. Dieses Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein und verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen.

Nach diesen Grundsätzen ist die Regelung des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 3 Satz 1 AVPA (2006) unwirksam.

Es kann offenbleiben, ob bereits die erste Voraussetzung für den Ausschluss eines Programms von der Verrechnung – die “auffallend häufige” Nennung des Namens einzelner Bezugsberechtigter im Programm – nicht hinreichend bestimmt ist und der GEMA einen ungerechtfertigten Beurteilungsspielraum eröffnet. Jedenfalls die zweite Voraussetzung – das Fehlen eines “sachlichen Grundes” für die auffallend häufige Nennung einzelner Bezugsberechtigter – ist unklar. Das ergibt sich bereits daraus, dass diese Tatbestandvoraussetzung sogar von der GEMA selbst in ganz unterschiedlicher Weise verstanden wird.

In den Vorinstanzen hatte die GEMA noch die Ansicht vertreten, die Regelung des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 3 Satz 1 AVPA (2006) erfasse Programme, bei denen zwar die in den Programmen angegebenen Werke tatsächlich aufgeführt worden seien mit der Folge, dass diese Programme insoweit (anders als die von Abschnitt IV Ziff. 4 Abs. 2 AVPA [2006] erfassten Programme) den Tatsachen entsprechen , in denen jedoch der Name einzelner Bezugsberechtigter auffallend häufig genannt sei. Für eine auffallend häufige Aufführung der Werke einzelner Bezugsberechtigter gebe es keinen sachlichen Grund, wenn dafür keine Nachfrage des Publikums bestehe und die Aufführung allein dem Zweck diene, den Bezugsberechtigten einen Anspruch gegen die GEMA auf Beteiligung am Vergütungsaufkommen zu verschaffen, der den Vergütungsanspruch der GEMA gegen die Veranstalter übersteigt. Ein derartiger Missbrauch des Verteilungsplans komme insbesondere bei einer auffällig häufigen Aufführung der Werke von Berechtigten in Betracht, die mit den Veranstaltern persönlich oder wirtschaftlich identisch oder verbunden seien.

In der mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz hat die GEMA dagegen die Auffassung vertreten, die Regelung des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 3 AVPA (2006) erfasse Programme mit Werken, die tatsächlich nicht aufgeführt worden seien mit der Folge, dass diese Programme insoweit (ebenso wie die von Abschnitt IV Ziff. 4 Abs. 2 AVPA [2006] erfassten Programme) den Tatsachen nicht entsprechen. Die auffallend häufige Nennung des Namens einzelner Bezugsberechtigter begründe nach dieser Bestimmung den Verdacht, dass die Werke dieser Bezugsberechtigten tatsächlich nicht aufgeführt worden seien. Soweit die Werke nicht aufgeführt worden seien, sei im Sinne dieser Regelung kein sachlicher Grund für die auffallend häufige Nennung des Namens dieser Bezugsberechtigten gegeben.

Es ist danach bereits nach dem eigenen Vorbringen der GEMA unklar, ob mit dem Passus “ohne dass hierfür ein sachlicher Grund gegeben ist”, gemeint ist, dass ein sachlicher Grund für die auffallend häufige Nennung des Namens einzelner Bezugsberechtigter in Programmen dann fehlt, wenn für die Aufführung ihrer Werke keine Nachfrage des Publikums bestand, oder ob damit gemeint ist, ein sachlicher Grund fehlt, wenn ihre Werke überhaupt nicht aufgeführt worden sind. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 3 Satz 1 AVPA (2006) sind demnach so ungenau beschrieben, dass für die GEMA ein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum entsteht.

Die Bestimmung des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 3 Satz 2 AVPA (2006) kann danach gleichfalls nicht als wirksam angesehen werden. Nach dieser Regelung werden “diese Programme” – also Programme, die im Sinne von Satz 1 des Abschnitts IV Ziff. 4 Abs. 3 AVPA (2006) den Namen einzelner Bezugsberechtigter auffallend häufig enthalten, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund gegeben ist – im Zweifel bis zur endgültigen Klärung von der Verrechnung zurückgestellt. Die Revision macht zutreffend geltend, dass Absatz 3 des Abschnitts IV Ziff. 4 AVPA (2006) eine Einheit bildet und Satz 2 dieses Absatzes daher keinen Bestand haben kann, wenn Satz 1 dieses Absatzes unwirksam ist.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. Dezember 2012 – I ZR 23/11