Prozessberichterstattung – und das Persönlichkeitsrecht des Angeklagten

Das Oberlandesgericht Köln hat einem Wettermoderator wegen 26 Fällen schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzung eine Geldentschädigung in Höhe von insgesamt 395.000 Euro zugesprochen.

Das Landgericht Köln hatte in erster Instanz wegen 38 Fällen insgesamt einen Betrag von 635.000 € ausgeurteilt1. Nachdem beide Seiten Berufung eingelegt hatten, hat das Oberlandesgericht diesen Betrag nun auf insgesamt 395.000 € herabgesetzt. Davon entfallen 215.000 € auf die Springer SE für 14 Printveröffentlichungen und 180.000 € auf die Bild GmbH & Co KG für 12 Onlineveröffentlichungen, wobei die Inhalte teilweise identisch sind. Im Berufungsverfahren hatte der Wettermoderator noch eine Gesamtsumme von 950.000 € begehrt.

Im Streit standen Internet- und Printveröffentlichungen in der Zeit von März 2010 bis März 2012 im Zusammenhang mit einem gegen den Wettermoderator gerichteten Strafverfahren. Von den Vorwürfen ist der Wettermoderator freigesprochen worden.

Das Oberlandesgericht Köln sah, wie zuvor bereits das Landgericht Köln, keine zielgerichtete Pressekampagne gegen den Wettermoderator als erwiesen an. Denn über den Verdacht einer Sexualstraftat habe auch mit Rücksicht auf die Prominenz des Wettermoderators grundsätzlich berichtet werden dürfen. Das hätten nicht nur die Medien des beklagten Verlages, sondern auch Produkte anderer Verlagshäuser getan. Dazu gehörten auch die im Rahmen des Ermittlungsverfahren zu Tage getretenen Umstände aus dem Privat- und Beziehungsleben des Wettermoderators, zumal das Strafgericht durch die Vernehmung von Beziehungszeuginnen zu erkennen gegeben habe, dass es ihm für die Beweisaufnahme auch auf die privaten Verhältnisse des Wettermoderators angekommen sei.

Da keine Pressekampagne vorliege, die es erlaubt hätte, im Wege der Gesamtbetrachtung eine Gesamtsumme als Geldentschädigung festzusetzen, hat der Senat jede einzelne Berichterstattung daraufhin überprüft, ob sie den Rahmen des Zulässigen überschritten hat und ob die Zuerkennung einer Geldentschädigung geboten war. Das ist nur dann der Fall, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die dadurch verursachte Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgeglichen werden kann.

Im Einzelnen wurden dem Wettermoderator insgesamt 235.000 € wegen insgesamt 13 Bildveröffentlichungen zugesprochen. Dazu zählen etwa Bilder, die den Wettermoderator

  • im Innenhof der Kanzlei seiner Verteidigerin (je 10.000 – 15.000 €),
  • auf dem Weg in den Urlaub und am Ort seiner Hochzeit (je 20.000 €) und
  • als Untersuchungshäftling im Hof der Justizvollzugsanstalt (20.000 – 25.000 €),
  • davon einmal mit nacktem Oberkörper (30.000 €)

zeigten.

Insbesondere beim letztgenannten Bild sei der Wettermoderator unter Missachtung seiner Würde zur bloßen Belustigung bzw. Befriedigung der Neugier des Publikums vorgeführt worden. Dies sei sogar vorsätzlich geschehen, weil das Landgericht dem Verlag zu diesem Zeitpunkt bereits die Veröffentlichung von ähnlichen Bildern verboten gehabt habe.

Ferner habe der Wettermoderator einen Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 70.0000 € wegen der Verletzungen seiner Geheimsphäre in 6 Fällen. Das betreffe etwa

  • die Veröffentlichung privaten SMS-Verkehrs (15.000 €) oder
  • Angaben zur gesundheitlichen Situation des Wettermoderators (10.000 €).

Weiter wurde dem Wettermoderator insgesamt ein Betrag von 40.000 € wegen der Verletzung seiner Intimsphäre in 3 Fällen zugesprochen, weil die Beklagten intime Details zu seinem Sexualleben veröffentlicht hatten.

Hier hatte das Landgericht noch weitere Fälle für ersatzpflichtig gehalten. Das Oberlandesgericht Köln folgte dem im Wesentlichen deshalb nicht, weil die Inhalte auch im Strafverfahren zur Sprache gekommen waren.

Schließlich erhält der Wettermoderator 50.000 € wegen unzulässiger Vorverurteilung in 4 Fällen. In verschiedenen Veröffentlichungen hätte der Verlag eine unzulässige Verdachtsberichterstattung betrieben, die nicht von einem hinreichenden Mindestbestand an Tatsachen gedeckt gewesen sei.

Einen Anspruch wegen Falschberichterstattung sah das Oberlandesgericht Köln dagegen – wie zuvor bereits das Landgericht Köln – nicht als gegeben an. Zwar habe es falsche Berichte gegeben, eine Geldentschädigung sei aber nicht geboten, da der Wettermoderator in seinem eigenen Buch ähnliche Details geschildert habe.

Keine Geldentschädigung erhält der Wettermoderator zudem für zahlreiche Berichterstattungen, für die er bislang keine Unterlassungsforderungen gestellt hatte. Daraus lasse sich schon schließen, dass die Eingriffe für ihn kein besonderes Gewicht gehabt hätten. Jedenfalls enthielten die Artikel inhaltlich keine so schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen, dass eine Geldentschädigung geboten gewesen wäre.

Bei der Bemessung der Geldentschädigung hat das Oberlandesgericht Köln eine Gesamtabwägung vorgenommen. Dabei hat es auch berücksichtigt, dass es mit dem Strafverfahren tatsächlich einen Anlass für die Berichterstattung gab und die für den Wettermoderator negativen Folgen des Strafverfahrens in der öffentlichen Wahrnehmung nicht dem Verlag angelastet werden können.

Daneben hat das Oberlandesgericht auch den Verbreitungsgrad der hier im streit stehenden Medien, die Nachhaltigkeit der Rufschädigung und, insbesondere in den Fällen vorsätzlicher Persönlichkeitsrechtsverletzung, den Präventionsgedanken und die Genugtuungsfunktion der Geldentschädigung berücksichtigt.

Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 12. Juli 2016 – 15 U 175/15 und 15 U 176/15

  1. LG Köln, Urteil vom 30.09.2015 – 28 O 2/14 und 28 O 7/14[]