Verdachtsberichterstattung – oder doch nur eine falsche Tatsachenbehauptung?
Begehrt der Antragsteller die Unterlassung der Verbreitung einer Äußerung mit der Begründung, es handle sich um eine falsche Tatsachenbehauptung, und verteidigt sich der Antragsgegner damit, dass die angegriffene Äußerung Bestandteil einer zulässigen Verdachtsberichterstattung sei, führt das nicht zu einer Änderung des Streitgegenstandes. Verbietet das Gericht die angegriffene Äußerung mit der Begründung, es handle sich bei ihr um eine unzulässige Verdachtsäußerung, liegt darin kein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO.
Der Umstand, dass sich die Antragsgegnerin zur Rechtfertigung der angegriffenen Äußerungen im Rahmen des § 193 StGB auf die Grundsätze rechtmäßiger Verdachtsberichterstattung1 berufen hat, führt nicht zu einer Änderung des Streitgegenstandes. Wie die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt hat, wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag und den Lebenssachverhalt bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Die Einwendungen der Gegenseite beeinflussen den Streitgegenstand hingegen nicht. Entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin entspricht es auch nicht der „ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts“, dass das Verbot einer unwahren Tatsachenbehauptung und das Verbot einer Verdachtsäußerung zwei verschiedene Streitgegenstände darstellten. Das zum Beleg genannte Urteil des Oberlandesgerichts2 betrifft den Fall, dass der Antragsteller sich gegen die Verbreitung eines in einer Berichterstattung enthaltenen Zitats wandte und das Landgericht verbot, „durch die aus der Anlage Ast 1 ersichtliche Berichterstattung“ einen Verdacht zu erwecken. Gegen diese sonstige Berichterstattung hatte sich der dortige Antragsteller nicht gewandt. Dort lagen verschiedene Äußerungen und damit verschiedene Streitgegenstände vor.
Ob sich die Antragsgegnerin ein unwahres Gerücht zu Eigen gemacht oder über einen Verdacht berichtet hat, konnte in dem hier vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg entschiedenen Fall dahinstehen, da die Berichterstattung jedenfalls den Grundsätzen rechtmäßiger Verdachtsberichterstattung nicht genügt. Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass es an einem Mindestbestand an Beweistatsachen fehlt. Der Antragsteller selbst hat erklärt, dass er im Dezember 2013 in N. mit C. nicht über die Personalie D. gesprochen habe. C. hat vor dem Erscheinen des Artikels lediglich bekundet, dass es ein Gespräch in N. mit dem Antragsteller gegeben habe. 1)). Nach dem Erscheinen des Artikels hat er ergänzt, dass auch über das „Thema D.“ gesprochen worden sei, sich aber nicht weiter zum Inhalt des Gesprächs geäußert. 6)). Der Autor E. versichert, dass er von zwei (von ihm anonym gehaltenen) C.-Vertrauten und einem anderen Branchenkenner und danach von zahlreichen Spielerberatern, Funktionären und Spielern von der Absprache gehört habe. Die Pakt-Version habe ihm dann ein enger Geschäftspartner des Antragstellers bestätigt. Der Spielerberater F. versichert, ebenfalls von verschiedenen Leuten aus der Bundesligabranche und von Journalisten von der Absprache gehört zu haben. Diese Umstände vermögen die Veröffentlichung des Verdachts nicht zu rechtfertigen. Sie belegen allenfalls, dass ein entsprechendes Gerücht im Umfeld C.s, in der Bundesliga und unter Journalisten kursiert. Dieser Umstand reicht nicht aus, um der Nachricht Öffentlichkeitswert zu verleihen, da nicht festgestellt werden kann, worauf das Gerücht beruht.
Das Landgericht hat auch keine zu hohen Anforderungen an den Mindestbestand von Beweistatsachen gestellt. Es handelt sich zwar nicht um eine Berichterstattung über ein Verbrechen, bei der hohe Anforderungen zu stellen sind. Es handelt sich aber auch nicht um eine Lappalie, einen derartigen „Kuhhandel nach Gutsherrenart“ ohne Beteiligung der Betroffenen G. und D. abzuschließen und dann auch noch diesen „Pakt unter Männern“ zu brechen.
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 1. Dezember 2015 – 7 U 68/15