Die Pressehintergrundgespräche des Bundesnachrichtendienstes zum Ukrainekrieg
Ein Journalist hat keinen Auskunftsanspruch gegen den Bundesnachrichtendienst zu der Frage, ob dieser in vertraulichen Einzelhintergrundgesprächen mit Medienvertretern zur militärischen Situation in der Ukraine eine Einschätzung zu einem militärischen Sieg der Ukraine über Russland abgegeben hat.
Einen entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz hierfür zuständige Bundesverwaltungsgericht jetzt abgelehnt.
Das Bundesverwaltungsgericht kann die begehrte einstweilige Anordnung erlassen, wenn der Journalist insoweit einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 1 und 2, § 294 ZPO).
Ein Anordnungsgrund besteht hier ebenso wie in dem früheren; vom gleichen Journalisten angestrengten Verfahren, ob solche vertraulichen Hintergrundgespräche des Bundesnachrichtendienstes mit Pressevertretern überhaupt stattgefunden haben1. Der Recherchegegenstand betrifft die Einschätzung des BND zur militärischen Situation in der Ukraine und seine hierauf bezogene Öffentlichkeitsarbeit. Das Bundesverwaltungsgericht hat im vorhergehenden Verfahren hervorgehoben, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine weltweit eines der am meisten beachteten aktuellen Themen in der Berichterstattung sei. Hieran hat sich nichts geändert. Nach wie vor besteht ein besonderes öffentliches Interesse an dem von dem Journalisten selbst umschriebenen Recherchegegenstand, ob der BND in Hintergrundgesprächen auf entsprechende Darstellungen in den Medien einwirkt, um im Sinne des Bundeskanzleramts zu suggerieren, dass die militärische Unterstützung keinen Erfolg mehr haben werde. Dass der Journalist im Unterschied zu dem vorhergehenden Verfahren hier nur die ergebnisoffene Auskunft über eine vom BND abgegebene Einschätzung zu einem militärischen Sieg über Russland begehrt und nicht zusätzlich dessen Einschätzung der konkreten Erfolgsaussichten der Ukraine zum Gegenstand des Auskunftsbegehrens macht, führt nicht dazu, ihn auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. Diese Auskunft würde ihren Nachrichtenwert verlieren und wäre nur noch von historischem Interesse, wenn sie erst aufgrund einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren erteilt würde.
Ein Anordnungsanspruch besteht indes nicht. Der Journalist kann sich zwar, wie im vorhergehenden Verfahren näher erläutert, als Journalist auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen. Dem Auskunftsanspruch stehen jedoch wie (teilweise) im vorangegangenen Verfahren überwiegende öffentliche Interessen in Form des Schutzes der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland entgegen. Der Bundesregierung steht in diesem Bereich ein weit bemessener Spielraum eigener Gestaltung zu2, der sich weitgehend der gerichtlichen Kontrolle entzieht3. Bei der Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen bedient sich die Bundesregierung u. a. des BND, welcher gemäß § 1 Abs. 2 BNDG Erkenntnisse sammelt, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind. Hierbei untersteht er der Aufsicht des Bundeskanzleramts (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BNDG). Vor diesem Hintergrund erscheint auch hier die Einschätzung der Antragsgegnerin nachvollziehbar, dass eine Auskunft über eine im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des BND abgegebene Einschätzung des BND zur Aussicht auf einen „Sieg der Ukraine über Russland“ die Stellung und Wahrnehmung der Bundesrepublik Deutschland in der internationalen Gemeinschaft beeinträchtigen könnte.
Die jetzt streitgegenständliche Frage entspricht nicht lediglich der Frage nach der Anzahl der Einzelhintergrundgespräche in dem vorangegangenen Verfahren, in dem das Bundesverwaltungsgericht eine Verpflichtung zur Auskunft bejaht hatte. Im Unterschied dazu steht hier die Einschätzung des BND zu einem militärischen Sieg der Ukraine über Russland und damit der Inhalt seiner Öffentlichkeitsarbeit in Rede. Die jetzige Fragestellung entspricht jedenfalls zum Teil der Frage 3 im vorangegangenen Verfahren, mit der der Journalist ohne Erfolg die Auskunft dazu begehrt hatte, ob der BND eine konkrete Darstellung zu den Siegchancen der Ukraine abgegeben hatte. Auch die nunmehr begehrte Information, ob der BND in Hintergrundgesprächen eine Einschätzung zu einem militärischen Sieg der Ukraine über Russland abgegeben habe, betrifft den Inhalt dieser Gespräche. Der Journalist selbst misst der begehrten Auskunft, sofern sie die Abgabe einer Einschätzung des BND bestätigt, eine Indizfunktion für die von ihm vermutete inhaltliche Beeinflussung der Darstellung der militärischen Situation in der Ukraine in den Medien bei. Mit Rücksicht hierauf hält das Bundesverwaltungsgericht an seiner bisherigen Bewertung fest, dass Informationen über etwaige Beurteilungen des BND zur militärischen Situation in der Ukraine gegenüber Medienvertretern in Hintergrundgesprächen wie auch über eine Einschätzung des BND zur Aussicht auf einen „Sieg der Ukraine über Russland“ – einschließlich der Frage, ob solche Beurteilungen abgegeben wurden – die Stellung und Wahrnehmung der Bundesrepublik Deutschland in der internationalen Gemeinschaft beeinträchtigen könnten. Vor diesem gravierenden öffentlichen Interesse muss im Einzelfall das von der Pressefreiheit des Journalisten getragene Auskunftsinteresse zurückstehen.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. November 2024 – 10 VR 3.24
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.09.2024 – 10 VR 1.24[↩]
- BVerfG, Urteil vom 07.05.2008 – 2 BvE 1/03, BVerfGE 121, 135 <158>[↩]
- BVerwG, Urteil vom 29.10.2009 – 7 C 22.08, NVwZ 2010, 321 Rn. 15[↩]
 
				




 
