Metall auf Metall II

Es ist unzulässig, die auf einem fremden Tonträger aufgezeichneten Töne oder Klänge im Wege der sogenannten freien Benutzung für eigene Zwecke zu verwenden, wenn es einem durchschnittlichen Musikproduzenten möglich ist, eine gleichwertige Tonaufnahme selbst herzustellen.

Eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG ist bei der Benutzung fremder Tonaufnahmen ausgeschlossen, wenn es einem durchschnittlich ausgestatteten und befähigten Musikproduzenten zum Zeitpunkt der Benutzung der fremden Tonaufnahme möglich ist, eine eigene Tonaufnahme herzustellen, die dem Original bei einer Verwendung im selben musikalischen Zusammenhang aus Sicht des angesprochenen Verkehrs gleichwertig ist1.

Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof in seinem zweiten „Metall auf Metall“-Urteil auf die Klage der Mitglieder der Musikgruppe „Kraftwerk“. Diese veröffentlichte im Jahre 1977 einen Tonträger, auf dem sich unter anderem das Musikstück „Metall auf Metall“ befindet. Beklagten zu 2 und 3 in dem hier entschiedenen Verfahren sind die Komponisten des Titels „Nur mir“, den die Beklagte zu 1 mit der Sängerin Sabrina Setlur in zwei Versionen eingespielt hat. Diese Musikstücke befinden sich auf zwei im Jahre 1997 erschienenen Tonträgern.

Die Kläger behaupten, die Beklagten hätten eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz aus dem Titel „Metall auf Metall“ elektronisch kopiert („gesampelt“) und dem Titel „Nur mir“ in fortlaufender Wiederholung unterlegt, obwohl es ihnen möglich gewesen wäre, die übernommene Rhythmussequenz selbst einzuspielen. Sie meinen, die Beklagten hätten damit ihre Rechte als Tonträgerhersteller verletzt. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung in Anspruch genommen.

Das erstinstanzlich mit der Klage befasste Landgericht Hamburg hat ihr stattgegeben2. Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen3. Auf die vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg zugelassene Revision hat der Bundesgerichtshof in seinem ersten „Metall auf Metall“-Urteil das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Hanseatische Oberlandesgericht zurückverwiesen4. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg die Verurteilung der Beklagten erneut bestätigt5. Die wiederum hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof nun in seinem zweiten „Metall auf Metall“-Urteil zurückgewiesen.

Die Beklagten haben – so der Bundesgerichtshof – in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger (§ 85 Abs. 1 UrhG) eingegriffen, indem sie dem von den Klägern hergestellten Tonträger im Wege des Sampling zwei Takte einer Rhythmussequenz des Titels „Metall auf Metall“ entnommen und diese dem Stück „Nur mir“ unterlegt haben. Die Beklagten können sich nicht mit Erfolg auf das Recht zur freien Benutzung (§ 24 Abs. 1 UrhG) berufen. Zwar kann in entsprechender Anwendung dieser Bestimmung auch die Benutzung fremder Tonträger ohne Zustimmung des Berechtigten erlaubt sein, wenn das neue Werk zu der aus dem benutzten Tonträger entlehnten Tönen oder Klängen einen so großen Abstand hält, dass es als selbständig anzusehen ist. Eine freie Benutzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings ausgeschlossen, wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen. In diesem Fall gibt es für einen Eingriff in die unternehmerische Leistung des Tonträgerherstellers keine Rechtfertigung. Auch aus der von Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Kunstfreiheit lässt sich in einem solchen Fall kein Recht ableiten, die Tonaufnahme ohne Einwilligung des Tonträgerherstellers zu nutzen. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass zur Beurteilung der Frage, ob es möglich ist, eine Tonfolge selbst einzuspielen; darauf abzustellen ist, ob es einem durchschnittlich ausgestatteten und befähigten Musikproduzenten zum Zeitpunkt der Benutzung der fremden Tonaufnahme möglich ist, eine eigene Tonaufnahme herzustellen, die dem Original bei einer Verwendung im selben musikalischen Zusammenhang aus Sicht des angesprochenen Verkehrs gleichwertig ist. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Beklagten nach diesen Maßstäben in der Lage gewesen wären, die aus „Metall auf Metall“ entnommene Sequenz selbst einzuspielen.

Die Beklagten haben in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger aus § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG eingegriffen, indem sie dem von den Klägern hergestellten Tonträger im Wege des Sampling zwei Takte einer Rhythmussequenz des Titels „Metall auf Metall“ entnommen und diese dem Stück „Nur mir“ unterlegt haben. Durch die Verwendung der fremden Tonaufnahme bei der Herstellung des eigenen Tonträgers und das anschließende Inverkehrbringen dieses Tonträgers haben sie in das ausschließliche Recht der Kläger eingegriffen, den von ihnen hergestellten Tonträger zu vervielfältigen und zu verbreiten6.

Die Beklagten können sich hinsichtlich des Eingriffs in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger nicht mit Erfolg auf das Recht zur freien Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG berufen, weil es ihnen möglich gewesen wäre, die übernommene Rhythmussequenz selbst herzustellen.

Nach § 24 Abs. 1 UrhG darf ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden. Die Vorschrift ist hier nicht unmittelbar anwendbar, weil sie nach ihrem Wortlaut die Benutzung des Werkes eines anderen voraussetzt; die Regelung ist jedoch im Falle der Benutzung eines fremden Tonträgers grundsätzlich entsprechend anwendbar7. Eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings unter anderem dann aus, wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen8. An dieser Einschränkung des Rechts zur freien Benutzung eines fremden Tonträgers hält der Bundesgerichtshof trotz der von der Revision und im Schrifttum geäußerten Bedenken fest9.

Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 UrhG ist es, Freiraum für eine schöpferische Auseinandersetzung mit bestehenden Werken zu schaffen10 und damit eine kulturelle Fortentwicklung zu ermöglichen. Dem liefe es zuwider, wenn zwar der Urheber eine freie Benutzung seines Werkes hinnehmen müsste, der Tonträgerhersteller aber eine freie Benutzung des das Werk enthaltenden Tonträgers verhindern könnte. Muss selbst der Urheber eine Beschränkung seines Urheberrechts hinnehmen, ist auch dem Tonträgerhersteller eine Einschränkung seines Leistungsschutzrechts zuzumuten11.

Aus dem Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 UrhG, eine Fortentwicklung des Kulturschaffens zu ermöglichen, ergibt sich allerdings nicht nur der Grund, sondern auch eine Grenze für eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung. Ist derjenige, der die auf einem fremden Tonträger aufgezeichnete Töne oder Klänge für eigene Zwecke verwenden möchte, imstande, diese selbst herzustellen, stehen die Rechte des Tonträgerherstellers einer Fortentwicklung des Kulturschaffens nicht im Wege. In diesem Fall gibt es für einen Eingriff in seine unternehmerische Leistung keine Rechtfertigung8.

Die unterschiedlichen rechtlichen Maßstäbe, die danach für die freie Benutzung von Musikwerken einerseits und Tonträgern andererseits gelten, stehen nicht im Widerspruch zum Gebot des Art. 3 Abs. 1 GG, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln12. Die im Vergleich zur freien Benutzung von Werken nach § 24 Abs. 1 UrhG zusätzliche Voraussetzung, dass der Entlehnende die Tonaufnahme nicht selbst herzustellen vermag, ist im Blick darauf gerechtfertigt, dass das Urheberrecht am Musikwerk und das Leistungsschutzrecht am Tonträger unterschiedliche Schutzgegenstände haben13.

Das Urheberrecht schützt das Werk als persönliche geistige Schöpfung14 und weist dem Urheber das ausschließliche Recht zu dessen Verwertung zu15. Wer ein fremdes Werk zu eigenem Schaffen benutzen möchte, kann sich dem Erfordernis einer Einwilligung des Urhebers nicht dadurch entziehen, dass er zunächst dieses Werk reproduziert und sodann die Reproduktion zur Grundlage seines Schaffens macht. Bereits die Reproduktion stellt als körperliche Festlegung der geistigen Schöpfung eine nur mit Einwilligung des Urhebers zulässige Vervielfältigung16 und damit Verwertung17 des Werkes dar. Wer ein fremdes Werk zu eigenem Schaffen verwenden und seine Schöpfung ohne Zustimmung des Urhebers verwerten möchte, ist dazu nur berechtigt, wenn die Voraussetzungen einer freien Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG vorliegen. Ihm kann daher nicht entgegengehalten werden, er sei auf das Recht zur freien Benutzung des fremden Werkes nicht angewiesen, weil er zu einer Reproduktion dieses Werkes und zur Benutzung dieser Reproduktion in der Lage sei.

Schutzgegenstand des § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist nicht der Tonträger oder die Tonfolge selbst, sondern die zur Festlegung der Tonfolge auf dem Tonträger erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Tonträgerherstellers18. Wer auf einem fremden Tonträger aufgezeichnete Töne oder Klänge für eigene Zwecke verwenden möchte, ist deshalb – soweit diese keinen Urheberrechtsschutz genießen – aus rechtlichen Gründen nicht daran gehindert, sie selbst einzuspielen19. Die Fortentwicklung des Kunstschaffens kann durch die Ausübung des Tonträgerherstellerrechts daher nur behindert werden, wenn eine Reproduktion der Tonaufnahme aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. Ist eine Reproduktion der Tonaufnahme möglich, ist eine Beeinträchtigung der kulturellen Fortentwicklung grundsätzlich ausgeschlossen und eine Einschränkung des Tonträgerherstellerrechts durch das Recht zur freien Benutzung nicht gerechtfertigt.

Der Bundesgerichtshof stellt damit bei der entsprechenden Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG auf Klangfragmente keineswegs andere Anforderungen als bei der entsprechenden Anwendung dieser Bestimmung auf Laufbilder, ohne dass es dafür einen sachlichen Grund gebe.

Der Bundesgerichtshof hat in früheren Entscheidungen allerdings ausgeführt, bei der entsprechenden Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG auf Laufbilder gälten grundsätzlich keine anderen Anforderungen als bei der unmittelbaren Anwendung auf Werke20 und komme es nicht auf die Erforderlichkeit der Übernahme an21. Diese Ausführungen betreffen allerdings – anders als hier – Fallgestaltungen, in denen sich das neue Werk mit der benutzten Vorlage nach Darstellung des Entlehnenden kritisch auseinandersetzt und die Fragestellung, ob das neue Werk zu dem aus der Vorlage Entlehnten einen so großen inneren Abstand hält, dass es als ein selbständiges Werk anzusehen ist22. Ob in einer vergleichbaren Fallgestaltung möglichweise ähnliche Überlegungen für die Übernahme von Tonfolgen zu gelten haben, ist offen und braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.

Auch ist es im Blick darauf, dass das Sampling von Musiksequenzen als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzuerkennen ist, nicht nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geboten, der Bestimmung des § 24 Abs. 1 UrhG bei durch Sampling von Tonfolgen geschaffenen Kunstwerken zu einem weiteren Anwendungsbereich zu verhelfen als bei nichtkünstlerischen Musikwerken.

Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantiert die Freiheit der Betätigung im Kunstbereich umfassend. Die Kunstfreiheit ist dabei zwar vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos gewährleistet. Die Schranken ergeben sich aus den Grundrechten anderer Rechtsträger wie der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG, die den Schutz des geistigen Eigentums und hier insbesondere des Leistungsschutzrechts des Tonträgerherstellers erfasst. Auch das Eigentum ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet, sondern gebietet im Bereich des Urheberrechts lediglich die grundsätzliche Zuordnung der vermögenswerten Seite dieses Rechts an den Rechtsinhaber. Sachgerechte Maßstäbe für die Grenzen ergeben sich beispielsweise aus den Schrankenbestimmungen der §§ 44a ff. UrhG und der Vorschrift des § 24 UrhG. Bei der Anwendung dieser Regelungen sind die Schranken des Grundrechtsbereichs der einen Partei gegenüber dem der anderen Partei zu konkretisieren. Dabei kann die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geforderte kunstspezifische Betrachtung es verlangen, solchen Bestimmungen im Wege der Auslegung zu einem Anwendungsbereich zu verhelfen, der für Kunstwerke weiter ist als bei nichtkünstlerischen Werken23.

Bei der danach vorzunehmenden Interessenabwägung kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Verwendung von Samples in der Musikbranche mittlerweile weit verbreitet ist und sich die entlehnende Bezugnahme zu einer eigenen Stilrichtung entwickelt hat. Diese tatsächliche Entwicklung gebietet es jedoch – entgegen der Auffassung der Revision – auch bei einer kunstspezifischen Betrachtung nicht, dass Musikproduzenten bei ihrem künstlerischen Schaffen sich die durch § 85 Abs. 1 UrhG geschützte wirtschaftliche (organisatorisch-unternehmerische) Leistung der Tonträgerhersteller ohne deren Einwilligung und damit ohne Vergütung zu eigen machen dürfen, wenn es ihnen möglich ist, die begehrte Tonfolge ohne Eingriff in deren Rechte selbst herzustellen. Zum einen ist in diesem Fall keine unangemessene Behinderung der kulturellen Fortentwicklung zu befürchten. Zum anderen lässt sich der Kunstfreiheit kein Schutz des – unter Umständen auch von eigenen wirtschaftlichen Interessen geprägten – künstlerischen Schaffens zu denkbar günstigsten wirtschaftlichen Konditionen auf Kosten unternehmerischer Leistungen Dritter entnehmen.

Soweit für die Beteiligten – wie die Revision geltend macht – Unsicherheit bei der Beurteilung besteht, ob die Übernahme einer Tonfolge in entsprechender Anwendung von § 24 Abs. 1 UrhG gestattet ist, ist dies hinzunehmen. Diese Unsicherheit können entlehnende Musikproduzenten dadurch vermeiden, dass sie die entsprechenden Rechte von den Tonträgerherstellern der Originalaufnahme erwerben, die Tonaufnahme selbst herstellen oder aber wenn ihnen dieser Aufwand als zu hoch und wirtschaftlich nicht tragbar erscheint – von einer Übernahme ganz absehen24.

Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die vom Oberlandesgericht herangezogenen Maßstäbe zur Beurteilung der Frage, ob es möglich ist, eine Tonfolge selbst einzuspielen.

Das Oberlandesgericht hat angenommen, für die Beurteilung, ob es möglich gewesen wäre, die Tonfolge selbst einzuspielen, sei – bezogen auf den Zeitpunkt der Entnahme der fremden Tonaufnahme – auf die Fähigkeiten und technischen Möglichkeiten eines durchschnittlich ausgestatteten Musikproduzenten abzustellen. Ein Nachbau der fremden Tonaufnahme sei bereits dann möglich, wenn es einem solchen Musikproduzenten gelinge, eine dem Original gleichwertige Tonaufnahme herzustellen. Eine – im naturwissenschaftlichen Sinne – vollständige Identität des Nachbaus mit dem Original sei nicht erforderlich. Maßgeblich sei vielmehr, ob der Nachbau aus der Sicht des Musikproduzenten von seinen Abnehmern – hier also den Käufern eines Tonträgers aus dem Genre „HipHop“ – als gleichwertig angesehen werde. Dabei sei auf die Auffassung eines mit musikalischen Fragen einigermaßen vertrauten und hierfür aufgeschlossenen Hörers abzustellen. Der Nachbau sei mit dem Original nicht isoliert, sondern nur im musikalischen Verwendungszusammenhang zu vergleichen. Unterschiede, die im direkten Vergleich wahrnehmbar seien, sich im musikalischen Zusammenhang aber nicht auswirkten, seien vom Musikproduzenten hinzunehmen.

Die Revision macht ohne Erfolg geltend, entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts sei auf die subjektive Einschätzung des entlehnenden Musikproduzenten in Bezug auf die Erheblichkeit der Unterschiede zwischen Original und Nachbau und auf dessen individuelle musikalische oder technische Fähigkeit zur Reproduktion abzustellen. Die Frage, ob die Ausschließlichkeitsrechte des Tonträgerherstellers im Allgemeininteresse einer Fortentwicklung des Kulturschaffens einzuschränken sind, ist nur nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Andernfalls wäre ein unerfahrener oder unfähiger Produzent zur Verwertung einer fremden Tonfolge eher berechtigt als ein erfahrener und fähiger Produzent25.

Eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG ist auch nicht nur dann ausgeschlossen, wenn ein identischer Nachbau der übernommenen Tonfolge möglich sei. Soweit ein gleichwertiger Nachbau möglich ist, gibt es keinen sachlichen Grund für eine Übernahme der fremden Tonfolge. Unterschiede des Nachbaus gegenüber dem Original, die bei objektiver Betrachtung eines durchschnittlichen Rezipienten nicht ins Gewicht fallen, sind daher vom Musikproduzenten hinzunehmen. Will der Übernehmende diese Unterschiede vermeiden, so steht es ihm frei, die Einwilligung des Herstellers der originalen Tonaufnahme einzuholen.

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat angenommen, nach diesen Maßstäben wären die Beklagten im Jahre 1997 in der Lage gewesen, einen Nachbau der aus „Metall auf Metall“ entnommenen Sequenz selbst herzustellen, der im musikalischen Zusammenhang des Stücks „Nur mir“ dem Original gleichwertig gewesen wäre. Zu dieser Überzeugung ist das Oberlandesgericht insbesondere aufgrund eines Vergleichs zwischen dem Original der Tonaufnahmen und den von den Zeugen H. und L. hergestellten Nachbauten sowie einer Würdigung der Aussagen dieser Zeugen gelangt. Die dagegen gerichteten Rügen greifen nicht durch.

Dem Oberlandesgericht kann nicht die Sachkunde zur Beurteilung der Gleichwertigkeit der Aufnahmen abgesprochen werden.

Das Hanseatische Oberlandesgericht hat angenommen, seine Mitglieder zählten zu dem durch die Tonaufnahme angesprochenen Rezipientenkreis und seien mit musikalischen Fragen einigermaßen vertraut und hierfür aufgeschlossen. Die Revision hält dem vergeblich entgegen, es sei zweifelhaft, ob die Mitglieder des BerufungsBundesgerichtshofs zu Käufern oder Hörern von Musikstücken des Genres „HipHop“ zählten, das ein Phänomen der Jugendkultur darstelle. Der Umstand, dass es sich bei „HipHop“ um ein solches Phänomen handeln mag, besagt nicht, dass Musikstücke dieses Genres nur von Jugendlichen gehört werden. Es gibt daher keinen Grund für die Annahme, der mit musikalischen Fragen einigermaßen vertraute und hierfür aufgeschlossene BerufungsBundesgerichtshof habe nicht beurteilen können, ob der Nachbau dem Original aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs gleichwertig ist.

Das Oberlandesgericht hat die von den Zeugen H. und L. hergestellten Nachbauten im Rahmen der Beweisaufnahme zunächst isoliert im taktweisen Wechsel mit den entsprechenden Sequenzen des Originals und sodann im musikalischen Zusammenhang mit dem Intro des Titels „Nur mir“ angehört. Es hat angenommen, der Nachbau des Zeugen H. , der durch Hammer- schläge auf eine Schubkarre und Schläge auf ein Zinkregal in Verbindung mit einem aus einer KlangBibliothek ausgewählten fertigen Sample hergestellt worden sei, weise bereits für sich genommen eine sehr hohe Ähnlichkeit mit der originalen Rhythmussequenz auf. Dies gelte sowohl für den Grundrhythmus als auch für die Tonhöhe und den Klang der Metallschläge. Im musikalischen Zusammenhang seien die ohnehin geringfügigen Unterschiede kaum noch wahrnehmbar. Dies gelte auch für den vom Zeugen H. ausschließlich aus ferti- gen Samples hergestellten Nachbau. Bei dem vom Zeugen L. erstellten Nachbau sei der Grundrhythmus in Takt und Klang identisch. Die Metallschläge seien zwar im Takt identisch, aber in Tonhöhe und Klang nicht so dicht am Original wie die Nachbauten des Zeugen H. . Gleichwohl seien sie dem Original immer noch sehr ähnlich. Im musikalischen Zusammenhang wirkten sich die Unterschiede im Klang der Metallschläge selbst für einen aufmerksamen und aufgeschlossenen Hörer nicht aus.

Diese Ausführungen des Oberlandesgerichts lassen hinreichend deutlich erkennen, auf welche Weise und aus welchen Gründen es zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Nachbauten dem Original gleichwertig sind. Soweit die Revision musikalische Unterschiede zwischen dem Original und den Nachbauten geltend macht, setzt sie ihre eigene Beurteilung an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung, ohne dabei einen Rechtsfehler des Oberlandesgerichts aufzuzeigen.

Das Oberlandesgericht hat die Aussage des Zeugen H. als glaubhaft erachtet, er habe bei Anfertigung des Nachbaus nicht gewusst, welche Gegenstände die Gruppe „Kraftwerk“ zur Erzeugung der Metallschläge bei der Aufnahme von „Metall auf Metall“ benutzt habe; auch der Kläger zu 1 habe dies nicht mehr gewusst, als er mit ihm im Anschluss an die Anfertigung des ersten Gutachtens im Jahre 2010 darüber gesprochen habe. Das Oberlandesgericht hat angenommen, es gebe daher keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dem Zeugen H. bei der Anfertigung des Nachbaus spezielles Insiderwissen zur Verfügung gestanden habe.

Auch aus dem Umstand, dass die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 14.06.1999 detailliert vorgetragen hätten, wie sie die Rhythmusfigur im Jahre 1976 in ihrem Studio mit Röhren, Stäben, Ketten, Hämmern, Metallflächen und Stahlblechen erzeugt hätten, folgt nicht, dass die Aussage des Zeugen H. nicht zutreffen könne. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger zu 1 dem Zeugen H. sein noch vorhandenes Wis- sen mitgeteilt und der Zeuge H. dieses Insiderwissen bei seinem Nachbau verwertet habe. Das Oberlandesgericht hätte seine Aussage und seinen Nachbau daher nicht verwerten dürfen.

Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Oberlandesgericht das Vorbringen der Kläger in ihrem Schriftsatz vom 14.06.1999 zur Erzeugung der Rhythmusfigur übersehen hat. Die Annahme des Oberlandesgerichts, angesichts der vielfältigen metallischen Gegenstände, mit denen die Gruppe „Kraftwerk“ Klänge – auch innerhalb des Stückes „Metall auf Metall“ – erzeugt habe, sei es durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger zu 1 im Jahre 2010, als der Zeuge H. den Nachbau erstellt habe, nicht mehr gewusst habe, mit welchen Ge- genständen gerade die hier fraglichen Metallschläge erzeugt worden seien, widerspricht entgegen der Ansicht der Revision auch nicht der Lebenserfahrung. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass eine Person, die sich nach 23 Jahren26 noch an bestimmte Umstände erinnern konnte, auch nach 34 Jahren27 noch an diese Umstände erinnern musste. Vielmehr entspricht es der Lebenserfahrung, dass das Erinnerungsvermögen mit zunehmendem Lebensalter abnimmt und die Erinnerung an konkrete Umstände mit zunehmendem Zeitabstand verblasst.

Das Oberlandesgericht ist schließlich im Ergebnis mit Recht davon ausgegangen, dass den Beklagten die Übernahme der Rhythmussequenz nicht deshalb gestattet ist, weil der Nachbau dieser Sequenz nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme einen Zeitraum von zwei Tagen in Anspruch genommen hätte.

Eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG ist – wie ausgeführt – bei der Benutzung fremder Tonaufnahmen ausgeschlossen, wenn es einem durchschnittlich ausgestatteten und befähigten Musikproduzenten zum Zeitpunkt der Benutzung der fremden Tonaufnahme möglich ist, eine eigene Tonaufnahme herzustellen, die dem Original bei einer Verwendung im selben musikalischen Zusammenhang aus Sicht des angesprochenen Verkehrs gleichwertig ist. Dagegen kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob dem Musikproduzenten die Herstellung einer solchen Tonaufnahme zumutbar ist. Anderenfalls wären mit einem großen zeitlichen und finanziellen Aufwand hergestellte Originaltonaufnahmen weniger geschützt als Originaltonaufnahmen, die mit einem geringerem Aufwand hergestellt worden und daher leichter zu reproduzieren sind. Es ist daher unerheblich, ob ein Aufwand von zwei Tagen für den Nachbau der Rhythmussequenz – wie das Oberlandesgericht angenommen hat – angesichts des Umstandes zumutbar war, dass die übernommene Sequenz einen wesentlichen Bestandteil des rhythmischen Grundgerüsts des von den Beklagten produzierten Titels „Nur mir“ darstellt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Dezember 2012 – I ZR 182/11 – Metall auf Metall II

  1. Fortführung von BGH, Urteil vom 20.11.2008 – I ZR 112/06, GRUR 2009, 403 = WRP 2009, 308 Metall auf Metall I[]
  2. LG Hamburg, Urteil vom 08.10.2004 – 308 O 90/99[]
  3. OLG Hamburg, GRUR-RR 2007, 3[]
  4. BGH, Urteil vom 20.11.2008 – I ZR 112/06, GRUR 2009, 403 = WRP 2009, 308 – Metall auf Metall I[]
  5. OLG Hamburg, Urteil vom 17.08.2011 – 5 U 48/05, GRUR-RR 2011, 396 = ZUM 2011,755[]
  6. BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 8 bis 18 – Metall auf Metall I[]
  7. BGH, GRUR 2009, 403 Rn.20 f. – Metall auf Metall I[]
  8. BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 23 – Metall auf Metall I[][]
  9. kritisch Schack, JZ 2009, 475, 476 f.; Stieper, ZUM 2009, 223, 225; Hoeren, MMR 2009, 257, 258; Lindhorst, GRUR 2009, 406, 409; Röhl, K&R 2009, 172, 174 f.; ders., K&R 2011, 660 f.; Oebbecke, Der „Schutzgegenstand“ der verwandten Schutzrechte, Diss. Köln 2011, S. 306 ff.[]
  10. Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 24 UrhG Rn. 1; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 24 UrhG Rn. 2[]
  11. BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 21 – Metall auf Metall I, mwN[]
  12. vgl. zum Gleichheitssatz BVerfG, Beschluss vom 18.07.2012 – 1 BvL 16/11, NJW 2012, 2719, 2720 mwN[]
  13. BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 16 Metall auf Metall I, mwN[]
  14. § 2 Abs. 2 UrhG[]
  15. § 15 UrhG[]
  16. § 16 UrhG[]
  17. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UrhG[]
  18. BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 13 – Metall auf Metall I, mwN[]
  19. BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 17 – Metall auf Metall I, mwN[]
  20. BGH, Urteil vom 20.12.2007 I ZR 42/05, GRUR 2008, 693 Rn. 25 = WRP 2008, 1121 – TVTotal[]
  21. BGH, Urteil vom 13.04.2000 – I ZR 282/97, GRUR 2000, 703, 704 = WRP 2000, 1243 – Mattscheibe[]
  22. vgl. BGH, GRUR 2000, 703, 704 Mattscheibe; GRUR 2008, 693 – TV-Total[]
  23. vgl. zu § 51 Nr. 2 UrhG aF: BVerfG, Beschluss vom 29.06.2000 – 1 BvR 825/98, GRUR 2001, 149, 151 f. – Germania 3[]
  24. BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 17 Metall auf Metall I[]
  25. vgl. LG Hamburg, ZUM-RD 2010, 399, 410[]
  26. hier im Jahr 1999[]
  27. hier im Jahr 2010[]