Die Filmausfallversicherung und die Überdosis Kokain

Ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis gemäß § 178 Abs. 2 VVG liegt auch dann vor, wenn die versicherte Person willentlich die Injektion von Kokain vornimmt und anschließend an einer rauschmittelbedingten Intoxikation verstirbt. Falsche Angaben eines Schauspielers in einer vom Versicherer geforderten Gesundheitsselbsterklärung sind dem Versicherungsnehmer in entsprechender Anwendung von §§ 156, 179 Abs. 3, 193 Abs. 2 VVG zuzurechnen.

In dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall verlangt die Klägerin von der Versicherung Leistungen aus einer zwischen den Parteien geschlossenen Filmausfallversicherung, nachdem die Dreharbeiten eines von ihr produzierten Films wegen des Todes einer Hauptdarstellerin unterbrochen werden mussten und erst nach einer kompletten Überarbeitung des Drehbuchs wieder aufgenommen werden konnten.

Die Versicherung erklärte am 21.04.2011 für die später zu Tode gekommene Schauspielerin nur die Deckung der Ausfallschäden durch Unfall; der Versicherungsschutz betreffend Ausfallschäden für Krankheit und Tod wurde von der Prüfung der Gesundheitserklärungen abhängig gemacht. Auf Bitten der Klägerin übersandte die Agentur der Schauspielerin deren Gesundheitserklärung an die Klägerin, die diese wiederum der Versicherungsmaklerin zuleitete. Bei dieser Erklärung handelt es sich um ein Formblatt mit dem Logo der Versicherung, das zahlreiche unmittelbar an die unterzeichnende Person gerichtete Gesundheitsfragen enthält. Die Schauspielerin beantwortete die Frage unter Ziff. 7 nach regelmäßigem Medikamenten- oder Drogenkonsum wahrheitswidrig mit nein, obwohl sie seit geraumer Zeit kokainabhängig war. Auch die Frage nach Krankheiten oder Unfallfolgen in den letzten fünf Jahren unter Ziff. 8 verneinte sie, obgleich sie wusste, dass sie an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung litt. Daraufhin bestätigte die Versicherung die Krankheits- und Todesfalldeckung für die Schauspielerin.

Am 4.07.2011 wurde die Schauspielerin tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Als Todesursache wurde eine tödliche Kokainintoxikation diagnostiziert. Bei der Obduktion wurden etwa 300 Nadelstiche gefunden. Mutter und Freund der Verstorbenen bestätigten einen mehrjährigen, nahezu täglichen Kokainkonsum. Ihr Ausfall führte zu einer Unterbrechung der Dreharbeiten.

Die Versicherung erklärte mit Schreiben vom 23.08.2011 unter anderem den Rücktritt von der mit der Klägerin geschlossenen Filmversicherung und hilfsweise die Anfechtung der Deckungsbestätigung zur Filmversicherung vom 06.06.2011 wegen arglistiger Täuschung im Hinblick auf die Gesundheitsangaben der Schauspielerin. Weiterhin wurde von der Versicherung in der Klageerwiderung geltend gemacht, dass sie ohne die Täuschung die Deckungsbestätigungen bezüglich des Krankheits- und Unfallrisikos nicht erklärt hätte; die Anfechtung wurde zudem auch auf die Deckungsbestätigung vom 26.05.2011 erstreckt.

Nachdem die Klägerin ursprünglich den Totalausfall des Filmvorhabens in Höhe von circa 1,8 Mio. € geltend gemacht hatte, verlangt sie nach einer Überarbeitung des Drehbuchs nur noch die hierdurch bedingten Mehrkosten von 683.458,74 € und begehrt im Übrigen die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits. Sie macht insbesondere geltend, dass die Rücktritts- und Anfechtungserklärungen der Versicherung unwirksam seien, weil ihr als Filmproduzentin Angaben der Schauspielerin nicht zugerechnet werden könnten. Die Versicherung verneint ihre Einstandspflicht und beruft sich darauf, dass die Klägerin als Versicherungsnehmerin falsche Angaben ihrer Gefahrsperson gegen sich gelten lassen müsse.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen vor dem Landgericht Köln1 und dem Oberlandesgericht Köln2 keinen Erfolg. Auf die Revision der Klägerin hob jetzt der Bundesgerichtsof die klageabweisenden Urteile auf:

Im Ergebnis zu Recht hat das Oberlandesgericht allerdings angenommen, dass der Deckungsschutz für Krankheit und Tod wirksam angefochten wurde und die Anfechtung der Versicherung hierbei nicht den besonderen Anforderungen des § 123 Abs. 2 BGB unterliegt.

Dabei ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs von einer arglistigen Täuschung durch die Schauspielerin auszugehen. Revisionsrechtlich folgt dies bereits daraus, dass die Klägerin die ausdrückliche Feststellung des Oberlandesgerichts, wonach sie mit ihrer Berufung die landgerichtlichen Feststellungen zur Arglist nicht angegriffen habe3, nicht im hierfür allein maßgeblichen Verfahren nach § 320 ZPO4 hat berichtigen lassen.

Die Schauspielerin ist jedoch keine Wissenserklärungsvertreterin der Klägerin.

Durch die Rechtsfigur des Wissenserklärungsvertreters muss sich der Versicherungsnehmer falsche Angaben dritter Personen in entsprechender Anwendung des § 166 BGB zurechnen lassen, wenn er diese Personen mit der Erfüllung seiner Aufklärungsobliegenheit beauftragt hat. Dabei genügt es, dass der Versicherungsnehmer den Dritten mit der Erfüllung seiner Obliegenheiten gegenüber dem Versicherer betraut hat und der Dritte die Erklärungen anstelle des Versicherungsnehmers abgibt5.

Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts sind die von der Versicherung eingeforderten Gesundheitsangaben jedoch eine originär eigenständige Erklärung der Schauspielerin als Gefahrsperson. Ihre Beantwortung stellt daher keine Erklärung dar, mit deren Abgabe die Gefahrsperson durch die Versicherungsnehmerin betraut worden ist.

Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers6 richtet sich die als Anlage zur Rahmenvereinbarung des European Media Pool niedergelegte und den Gefahrspersonen zur individuellen Vervollständigung überlassene Gesundheitsselbsterklärung nicht an den Versicherungsnehmer; die Klägerin konnte daher nicht von einer sie treffenden Obliegenheit ausgehen. Entscheidend ist hierbei die Benennung der vom Versicherer von der Gefahrsperson eingeforderten Gesundheitsauskunft als „Gesundheitsselbsterklärung“ . Dies bringt zum Ausdruck, dass es sich um eine eigene Erklärung der Gefahrsperson handeln soll. Dieses Verständnis des Versicherungsnehmers wird dadurch verstärkt, dass er nach den maßgeblichen vertraglichen Regelungen die Gesundheitsdaten der Gefahrsperson nur bei einer Ablehnung des Versicherungsschutzes und in diesem Fall auch nur im Ergebnis erfährt. Entgegen der Ansicht der Versicherung macht das Bedingungswerk an keiner Stelle hinreichend deutlich, dass es sich bei der Gesundheitsselbsterklärung der Gefahrsperson um eine Erklärung der Versicherungsnehmerin handeln soll.

Nicht zu überzeugen vermag den Bundesgerichtshof die ergänzende Begründung des Oberlandesgerichts, bereits das Beschaffen der Gesundheitserklärung reiche für eine Wissenserklärungsvertretung aus, da hiervon die Deckung weiterer Risiken durch die Versicherung abhängig gewesen sei und die Vorlage dieser Unterlagen deshalb im Interesse der Klägerin gelegen habe. Hierbei wird übersehen, dass nicht jedes Handeln im Interesse des Versicherungsnehmers zur Begründung einer Wissenserklärungsvertretung ausreicht; erforderlich ist vielmehr, dass die Gefahrsperson mit der Erfüllung von Obliegenheiten betraut wurde. Eine Obliegenheit liegt vor, wenn dem Versicherungsnehmer ein bestimmtes Verhalten geboten wird, dessen Erfüllung nicht verlangt und eingeklagt werden kann und an dessen Nichterfüllung keine Schadensersatzansprüche, sondern der Verlust eines Rechts geknüpft werden7. Darum geht es hier jedoch nicht, weil das maßgebliche Bedingungswerk weder in den AFV 2008 (dort §§ 2, 4) noch im Produktinformationsblatt (dort unter „Obliegenheiten“) die Vorlage vollständiger Antragsunterlagen als Obliegenheit festlegt und es sich mithin allein um eine tatsächliche Voraussetzung der weiteren Antragsbearbeitung durch den Versicherer handelt.

Vor diesem Hintergrund überzeugen auch die Ausführungen des Oberlandesgerichts nicht, die Schauspielerin stehe im Lager der Klägerin und es ergebe sich deshalb aus allgemeinen Grundsätzen, dass die Schauspielerin keine Dritte im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB sei.

Zutreffend hat das Oberlandesgericht jedoch die §§ 156, 179 Abs. 3, 193 Abs. 2 VVG analog angewandt. Nach diesen Bestimmungen wird in der Lebens, Unfall- und Krankenversicherung bei der Versicherung auf die Person eines anderen auch deren Kenntnis und Verhalten berücksichtigt, soweit die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind. Die Voraussetzungen für eine Analogie8 liegen vor:

Eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes besteht. Der Gesetzgeber des Versicherungsvertragsgesetzes hat wie vom Oberlandesgericht überzeugend dargelegt die Besonderheiten der Versicherung von Gefahrspersonen nicht allgemein geregelt9, sondern nur punktuell in der Lebens, Unfall- und Krankenversicherung. Die Filmausfallversicherung ist keine derartige Versicherung, weil sie den Vermögensschaden des Filmproduzenten durch Unterbrechung seiner Dreharbeiten versichert und daher als Vermögensschadenversicherung zu qualifizieren ist10. Die hier versicherten Gefahren sind jedoch gleichgelagert zur Unfall, Kranken- und Todesfallversicherung11. Diese Sonderkonstellation hat der Gesetzgeber nicht im Blick gehabt. In der filmversicherungsrechtlichen Literatur ist infolgedessen anerkannt, dass für die Filmausfallversicherung die Bestimmungen der Unfall- und Lebensversicherung im Grundsatz analogiefähig sind12, 219, 223; Rehbinder, UFITA 41 (1964), 1, 59 f.)).

Auch die Vergleichbarkeit der Interessenlage ist gegeben. Die Frage, inwiefern ein Verhalten der Gefahrsperson beim Versicherungsnehmer zu berücksichtigen ist, ist bei der Filmausfallversicherung und den Regelungen in der Lebens, Unfall- und Krankenversicherung gleich zu beurteilen. Der gesetzgeberische Zweck der §§ 156, 179 Abs. 3, 193 Abs. 2 VVG liegt darin, den Versicherer vor falschen Angaben durch die Gefahrsperson zu schützen, die häufig als einzige am Vertragsschluss beteiligte Person von den gefahrerheblichen Umständen Kenntnis hat13. Die rechtliche Risikolage des Versicherers soll nicht dadurch nachteilig beeinflusst werden, dass eine Spaltung in der Parteirolle eintritt. Für die Filmausfallversicherung trifft diese Überlegung in gleicher Weise zu. Sie ist zwar eine Vermögensschadenversicherung.

Hinsichtlich der Gefahrsperson werden aber die Risikobereiche Unfall, Tod und Krankheit abgedeckt, da die Verwirklichung dieser Risiken bei der Gefahrsperson letztlich den versicherten Vermögensschaden auslöst.

Anders als die Revision meint, stehen einer Analogie zu den §§ 156, 179 Abs. 3, 193 Abs. 2 VVG spezifische Grundsätze der Filmversicherung nicht entgegen. Zwar wird in der filmversicherungsrechtlichen Literatur vertreten, dass Falschangaben der Gefahrsperson dem Versicherungsnehmer nicht schaden und der Versicherer weiterhin leistungspflichtig bleibt14. Entstanden ist diese Literaturmeinung jedoch in den 1930er Jahren vor dem Hintergrund, dass nach damaliger Gesetzeslage die Vorgängervorschriften der §§ 156, 179 Abs. 3 VVG (= §§ 161, 179 Abs. 4 VVG a.F.) für eine Berücksichtigung von Falschangaben der Gefahrsperson beim Versicherungsnehmer eine besondere Vereinbarung erforderten und eine solche in den AVB der Filmausfallversicherung nicht getroffen wurde15. Durch eine 1941 in Kraft getretene Gesetzesänderung (Nr. 42, 51 der Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsversicherung vom 19.12.193916) wurde indessen das Erfordernis einer besonderen vertraglichen Vereinbarung aufgegeben, so dass dieser Einwand gegen eine analoge Anwendung der §§ 156, 179 Abs. 3 VVG gegenstandslos geworden ist.

Eine Analogie scheitert auch nicht an dem Grundsatz, dass bei einer Eigen- und Fremdversicherung die Obliegenheitsverletzungen des Mitversicherten diesem nur selbst entgegengehalten werden und somit nicht auf den Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers durchschlagen, wenn der Mitversicherte nicht Repräsentant des Versicherungsnehmers ist17. Diese Situation liegt nicht vor. Bei der Filmausfallversicherung gibt es keine Kombination aus Eigen- und Fremdversicherung, sondern es liegt allein eine Eigenversicherung des Produzenten hinsichtlich seines Vermögensschadens durch eine ausfallbedingte Beeinträchtigung seiner Produktion vor.

In dem dem Vertrag zugrunde liegenden Bedingungswerk ist schließlich nichts Anderweitiges vereinbart.

Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Schlusserklärung in der Gesundheitsselbsterklärung der Gefahrsperson, wonach dieser die Berechtigung des Versicherers bekannt ist, bei wissentlich unrichtigen Angaben Schadensersatzansprüche gegen sie geltend zu machen. Entgegen der Ansicht der Revision kann dies aus der maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht so verstanden werden, dass der Versicherer damit auf eine Zurechnung des Verhaltens der Gefahrsperson oder das Berufen auf Leistungsfreiheit gegenüber dem Versicherungsnehmer verzichtet hat. Die Formulierung, dass der Versicherer gegenüber der Gefahrsperson zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen berechtigt ist, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer nur als Möglichkeit des Versicherers verstehen. Er wird daher den Regress als eine von mehreren denkbaren Reaktionen des Versicherers betrachten, die der Ausübung anderer dem Versicherer zustehender Rechte nicht entgegensteht. Dies kann etwa in Fällen gegeben sein, in denen der Versicherer von einer Anfechtung des Vertrages gegenüber dem Versicherungsnehmer absieht oder eine Anfechtung wegen Fristablaufs ausscheidet. Da die streitgegenständliche Formulierung somit keine Ausschließlichkeit des Regresses des Versicherers bei der Gefahrsperson zum Ausdruck bringt, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer hieraus nicht folgern, dass bei unrichtigen Angaben der Gefahrsperson seine Vertragsrechte hiervon nicht betroffen sein können.

Wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat ergibt sich auch aus dem Verzicht des Versicherers auf den Risikoausschluss drogenbedingter Ausfallschäden nichts anderes. Dies gilt umso mehr als sich die Falschangaben der Schauspielerin nicht nur auf ihren Drogenkonsum erstreckten. Vielmehr machte die Schauspielerin unabhängig davon auch bezüglich einer psychischen Erkrankung unzutreffende Angaben, ohne dass die Versicherung auch für diesen Bereich einen ausdrücklichen (Wieder-)Einschluss in den Versicherungsschutz erklärt hätte.

Mit dieser Begründung hätte das Oberlandesgericht die Klage allerdings nicht abweisen dürfen. Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass eine Deckung wegen Unfalls in Betracht kommt.

Dies ist zu prüfen, obwohl die Klägerin erstmals im Revisionsverfahren ausdrücklich einen Unfall als Versicherungsfall geltend macht. Nach allgemeinen Grundsätzen reicht es aus, wenn die Klägerseite Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen18. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt verstarb die sich regelmäßig Kokain spritzende Schauspielerin an einer Kokainintoxikation. Dieses tatsächliche Geschehen erfasst alle vom Versicherungsnehmer vorzutragenden Tatsachen eines Unfalls. Der geltend gemachte Anspruch hätte daher schon von den Instanzgerichten auch unter dem Blickwinkel eines Ausfallschadens wegen Unfalls aus § 3 Ziff. 3.1 BB Ausfall 2008 rechtlich gewürdigt werden müssen. Dass die Klägerin nicht ausdrücklich einen Unfall geltend macht, schade ihr nicht. Die zutreffende rechtliche Einordnung unter die abgestellten Gefahrenbereiche (Unfall/Krankheit/Tod) ist nicht Sache der Klägerin, sondern Aufgabe des Gerichts.

Der Tod der Schauspielerin ist nach den vom Revisionsgericht zu Grunde zu legenden Tatsachen durch einen Unfall eingetreten.

Da die dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen den Unfallbegriff nicht definieren, ist auf den in § 178 Abs. 2 VVG gesetzlich geregelten Unfallbegriff zurückzugreifen. Danach liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet, wobei die Unfreiwilligkeit bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird.

Die willentliche Injektion von Kokain ist ein plötzliches von außen auf den Körper wirkendes Ereignis.

Die Plötzlichkeit des Ereignisses ergibt sich bereits daraus, dass sich die Injektion des Kokains objektiv innerhalb eines kurz bemessenen Zeitraums vollzogen hat. Hat sich das Geschehen innerhalb dieses kurzen Zeitraums verwirklicht, ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stets plötzlich, ohne dass es auf die Erwartungen des Betroffenen ankommt19. Dies entspricht auch der überwiegenden Auffassung im Schrifttum20. Lediglich in den Fällen, in denen sich das Geschehen nicht innerhalb eines kurzen Zeitraums ereignet, werden auch weitere Ereignisse vom Versicherungsschutz umfasst, die für den Betroffenen unerwartet, überraschend und unentrinnbar sind21. Ist dagegen wie hier die zeitliche Komponente des Unfallbegriffs erfüllt, so liegt bereits damit ein plötzliches Ereignis vor. Daher kann die Plötzlichkeit des Geschehens nicht unter Hinweis auf das willensgesteuerte Verhalten bei einer Rauschmittelinjektion verneint werden22.

An diesem Verständnis des Unfallbegriffs ist auch nach Inkrafttreten des VVG 2008 festzuhalten.

Die Gesetzesbegründung zu § 178 Abs. 2 VVG23 führt aus, das Merkmal der plötzlichen Einwirkung verdeutliche in Übereinstimmung mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass das den Versicherungsschutz auslösende Ereignis für die versicherte Person unerwartet, überraschend und deshalb unentrinnbar eingetreten sein müsse und daher dem zeitlichen Element des Geschehens keine vorrangige oder ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werde24.

Dass der Gesetzgeber insoweit im Zusammenhang mit dem Merkmal der plötzlichen Einwirkung auch das subjektive Moment erwähnt, bedeutet nicht, dass er die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zum Unfallbegriff ändern wollte. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 178 Abs. 2 VVG erklärtermaßen den tradierten, durch die Rechtsprechung ausgeformten Unfallbegriff kodifiziert. Dabei wollte er die Übereinstimmung mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung gewahrt wissen25.

Auch abweichende Stimmen in Literatur und Instanzrechtsprechung zum Unfallbegriff geben dem Bundesgerichtshof keine Veranlassung zu einer Änderung seiner Rechtsprechung.

Weiterhin lässt sich eine Verengung auf das subjektive Verständnis eines Unfalls nicht darauf stützen, dass unter „plötzlich“ allein oder vorrangig etwas Unerwartetes zu verstehen wäre. Der Begriff „plötzlich“ beschreibt neben der Unerwartetheit auch die Schnelligkeit eines Vorgangs; daher ist „plötzlich“ nicht nur im Sinne von „unerwartet“ oder „überraschend“, sondern auch im Sinne von „schnell“, „schlagartig“ oder „jäh“ zu verstehen26.

Ein alleiniges oder hauptsächliches Abstellen auf eine subjektive Sichtweise führte vielmehr zu einer Vermengung des Unfallbegriffs mit der Frage der Freiwilligkeit. Würde etwa bei einer Gesundheitsbeschädigung durch einen Beilhieb bei der auch eine Selbstverstümmelung in Betracht kommt nicht bereits das in Bruchteilen einer Sekunde eintretende Ereignis ausreichen, sondern der Versicherungsnehmer die Unerwartetheit, die Unvorhersehbarkeit und die Unentrinnbarkeit des Ereignisses zu beweisen haben, so würde auf diese Weise der nach § 178 Abs. 2 Satz 2 VVG vom Versicherer zu führende Beweis der fehlenden Unfreiwilligkeit mittelbar auf den Versicherungsnehmer verlagert27. Dies widerspreche der Intention des Gesetzgebers, der in § 178 Abs. 2 Satz 2 VVG bis zum Beweis des Gegenteils eine Vermutung der Unfreiwilligkeit des Unfalls statuiert hat.

Schließlich besteht auch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht die Gefahr, dass im Falle einer Gesundheitsschädigung durch Drogenkonsum grundsätzlich Versicherungsschutz aus einer Unfallversicherung zu gewähren wäre. Nach den üblicherweise vereinbarten Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB) besteht kein Versicherungsschutz für Gesundheitsschäden durch Heilmaßnahmen oder Eingriffe am Körper der versicherten Person (so etwa 5.2.3. AUB 2008 gemäß der unverbindlichen Bekanntgabe des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft), worunter auch die Injektion von Drogen zählt28. Ferner führen Versicherer regelmäßig vor Vertragsschluss eine Risikoprüfung durch, so dass ihnen bei Falschangaben zum Drogenkonsum die Rechte aus §§ 19 ff. VVG zustehen. Die Versicherung hat demgegenüber in der hier zu beurteilenden besonderen Konstellation einer Filmausfallversicherung sowohl von der Vereinbarung der Ausschlussklausel für Eingriffe am Körper abgesehen als auch Deckungsschutz für Unfall und Unfalltod ohne Risikoprüfung gewährt.

Nach dem revisionsrechtlich maßgebenden Sachverhalt ist mangels abweichender Feststellungen davon auszugehen, dass die Gesundheitsbeschädigung nicht freiwillig erfolgte.

Das Merkmal der Unfreiwilligkeit bezieht sich nicht auf die Einwirkung von außen, sondern die durch das Unfallereignis bewirkte Gesundheitsschädigung29. Dabei gibt es keine Einschränkung dahingehend, dass damit allein die erste, unter Umständen nur geringfügige Gesundheitsschädigung wie etwa die Hautverletzung nach einem Spritzeneinstich gemeint ist30. Hat die versicherte Person bei der Durchführung risikoreicher Handlungen zwar mit Verletzungen gerechnet, infolge einer Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf jedoch nicht mit deren konkretem, die Leistungspflicht des Versicherers auslösendem Ausmaß, so erleidet sie die Gesundheitsschädigung unfreiwillig31. Dass der Tod der Schauspielerin als Folge der Injektion von Kokain und der sich anschließenden Kokainintoxikation auf dieser Grundlage freiwillig war, was die Versicherung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hätte, stehen nicht fest.

Das Oberlandesgericht, das zum Vorliegen der Voraussetzungen des Versicherungsfalles Unfall bzw. Unfalltod noch keine Feststellungen getroffen hat, wird dies gegebenenfalls nach neuem Sachvortrag der Parteien nachzuholen haben.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Entgegen der Ansicht der Revision hat sich die Versicherung nicht auf eine Anfechtung beschränkt, sondern auch den Rücktritt vom gesamten Vertrag erklärt. Es fehlen jedoch Feststellungen des Oberlandesgerichts dazu, ob dieser Rücktritt, der auch hinsichtlich der Deckung für das Unfallrisiko erklärt wurde, insbesondere mit Blick auf die Belehrung nach § 19 Abs. 5 VVG und die Voraussetzungen nach § 29 VVG, wirksam ist.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Oktober 2013 – IV ZR 390/12

  1. LG Köln, Urteil vom 23.02.2012 – 24 O 405/11[]
  2. OLG Köln, Urteil vom 06.11.2012 – 9 U 66/12[]
  3. vgl. zur Beweiswirkung von Feststellungen zum Bestreiten BGH, Urteil vom 17.05.2000 – VIII ZR 216/99, NJW 2000, 3007 unter II 2 a m.w.N.[]
  4. BGH, Urteil vom 08.01.2007 II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434 Rn. 11 m.w.N.[]
  5. BGH, Urteile vom 02.06.1993 IV ZR 73/92, BGHZ 122, 388, 389; vom 30.04.1981 IVa ZR 129/80, VersR 1981, 948 unter III 2 b; BGH, Urteil vom 19.01.1967 II ZR 37/64, VersR 1967, 343 unter VI[]
  6. st. Rspr., hierzu BGH, Urteile vom 08.05.2013 – IV ZR 233/11, m.w.N.; vom 23.06.1993 – IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85[]
  7. Rixecker in Römer/Langheid, VVG 3. Aufl. § 28 Rn. 8 m.w.N.[]
  8. hierzu Palandt/Sprau, BGB 72. Aufl. Einl. vor § 1 Rn. 48 m.w.N.[]
  9. zur mangelnden Einschlägigkeit der Bestimmungen über die Versicherung für fremde Rechnung auf diese Fallkonstellation vgl. Rixecker in Römer/Langheid, VVG 3. Aufl. § 43 Rn. 3 m.w.N.[]
  10. Aldenhoff, Die deutsche Filmversicherung S. 28; Rehbinder, UFITA 41 (1964), 1, 58[]
  11. Möller, UFITA 8 (1935), 219, 226; Rehbinder aaO 59[]
  12. Birchler, Filmversicherung S. 16 f.; von Gierke, Die Filmversicherung S. 22; Möller, UFITA 8 ((1935[]
  13. HK-VVG/Brambach, 2. Aufl. § 156 Rn. 1; Römer in Römer/Langheid, VVG 3. Aufl. § 156 Rn. 2[]
  14. Aldenhoff, Die deutsche Filmversicherung S. 35; von Gierke, Die Filmversicherung S. 25 f.; Fuchs in von Hartlieb/Schwarz, Handbuch des Film, Fernseh- und Videorechts, 5. Aufl. Kap. 103 Rn. 7; Möller, UFITA 8 (1935), 219, 223[]
  15. von Gierke, Die Filmversicherung S. 25 f.; Möller aaO[]
  16. RGBl. I S. 2443[]
  17. hierzu BGH, Urteil vom 29.01.2003 – IV ZR 41/02, VersR 2003, 445 unter II 2 m.w.N; Prölss/Klimke in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 47 Rn. 11 m.w.N.[]
  18. BGH Urteil vom 23.04.1991 – X ZR 77/89, NJW 1991, 2707 unter II 4 b aa m.w.N.[]
  19. BGH, Urteile vom 13.07.1988 – IVa ZR 204/87, VersR 1988, 951 unter II 1; vom 12.12.1984 IVa ZR 88/83, VersR 1985, 177 unter II 1; vom 05.02.1981 IVa ZR 58/80, NJW 1981, 1315 unter II 4[]
  20. Grimm, AUB 5. Aufl. § 1 AUB Rn. 26; HKVVG/Rüffer, 2. Aufl. § 178 Rn. 5; Hormuth in Terbille/Höra, Anwaltshandbuch Versicherungsrecht 3. Aufl. § 24 Rn. 18; Jannsen in Schubach/Jannsen, Private Unfallversicherung § 1 Rn. 23; Kloth, Private Unfallversicherung S. 75; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 178 Rn. 14 ff.; Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung 18. Aufl. AKB 2008 A.04.1, Rn. 18; Marlow, r+s 2006, 362, 363; trotz eigenen Ansatzes der Rechtsprechung im Ergebnis zustimmend Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 178 Rn. 92 ff.; a.A. im Sinne der subjektiven Theorie MünchKomm-VVG/Dörner, § 178 Rn. 77[]
  21. vgl. RGZ 120, 18: mehrstündiges Einatmen von Gasen; RGZ 97, 189: Verbrennungen durch 40minütige Röntgenbestrahlung[]
  22. so aber OLG Karlsruhe, VersR 2005, 678[]
  23. BT-Drucks. 16/3945 S. 107[]
  24. kritisch zur Widersprüchlichkeit dieser Begründung Brömmelmeyer in Schwintowski/Brömmelmeyer, VVG 2. Aufl. § 178 Rn. 5; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 178 Rn. 13; Marlow/Spuhl, Das neue VVG kompakt 4. Aufl. Rn. 1229[]
  25. vgl. Grimm, AUB 5. Aufl. § 1 AUB Rn. 22, 26; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 178 Rn. 13 ff.; Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 178 Rn. 90 ff.[]
  26. Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 178 Rn. 91; OLG Saarbrücken VersR 1997, 949[]
  27. Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl § 178 Rn. 93[]
  28. Jannsen in Schubach/Jannsen, Private Unfallversicherung, 5.02.3 Rn. 80[]
  29. BGH, Urteil vom 12.12.1984 – IVa ZR 88/83, VersR 1985, 177 unter II 2[]
  30. so aber Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 178 Rn.20[]
  31. OLG Karlsruhe VersR 2005, 678; OLG Saarbrücken VersR 1997, 949, 950; OLG Oldenburg VersR 1997, 1128, 1129; Rixecker in Römer/Langheid, VVG 3. Aufl. § 178 Rn. 7; HKVVG/Rüffer, 2. Aufl. § 178 Rn. 13 f.; Jannsen in Schubach/Jannsen, Private Unfallversicherung § 1 Rn. 31[]