Änderung der Beteiligungsverhältnisse an einem Fernsehveranstalter

Soweit die Veränderung der Beteiligung an einem Fernsehveranstalter der Bestätigung medienrechtlicher Unbedenklichkeit bedarf, geht es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers um die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht auf dem Fernsehmarkt.

Eine starke Stellung auf dem Fernsehmarkt kann zwar durch eine ebenfalls starke Stellung des Anteilsinhabers auf medienrelevanten verwandten Märkten verstärkt werden. Je weiter der Schwellenwert von 25 vom Hundert Zuschaueranteil unterschritten wird, desto mehr entfernt sich die Rechtsanwendung aber von den Wertungen, die der Gesetzgeber in den Vermutungsregeln zum Ausdruck gebracht hat, und desto stärker gerät die Prüfung der Unbedenklichkeit zu einer allgemeinen, statt spezifisch fernsehbezogenen Medienkonzentrationskontrolle.

Bei einem Zuschaueranteil unter 20% wird die Stellung auf dem Fernsehmarkt nach den Wertungen des Gesetzgebers regelmäßig nur noch ein so geringes Gewicht haben, das es auch unter Berücksichtigung von Aktivitäten auf verwandten medienrelevanten Märkten nicht mehr zur Annahme einer vorherrschenden Meinungsmacht ausreicht.

Nach § 29 Satz 1 des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV)1, ist jede geplante Veränderung von Beteiligungsverhältnissen oder sonstigen Einflüssen bei der zuständigen Landesmedienanstalt vor ihrem Vollzug schriftlich anzumelden. Nach § 29 Satz 3 RStV dürfen die Veränderungen nur dann von der zuständigen Landesmedienanstalt als unbedenklich bestätigt werden, wenn unter den veränderten Voraussetzungen eine Zulassung erteilt werden könnte.

Danach kann die Unbedenklichkeit einer beabsichtigten Beteiligungsveränderung insbesondere dann nicht bestätigt werden, wenn im bundesweiten Fernsehen ein Unternehmen durch die Änderung der Beteiligungsverhältnisse eine vorherrschende Meinungsmacht erlangt. Denn nach § 26 Abs. 1 RStV darf ein Unternehmen (natürliche oder juristische Person oder Personenvereinigung) in der Bundesrepublik Deutschland selbst oder durch ihm zurechenbare Unternehmen bundesweit im Fernsehen eine unbegrenzte Anzahl von Programmen veranstalten, es sei denn, es erlangt dadurch vorherrschende Meinungsmacht. Dass vorherrschende Meinungsmacht gegeben ist, wird nach § 26 Abs. 2 Satz 1 RStV vermutet, wenn die einem Unternehmen zurechenbaren Programme (§ 28 RStV) im Durchschnitt eines Jahres einen (nach Maßgabe von § 27 RStV ermittelten) Zuschaueranteil von 30 vom Hundert erreichen. Gleiches gilt nach § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV bei Erreichen eines Zuschaueranteils von 25 vom Hundert, sofern das Unternehmen auf einem medienrelevanten verwandten Markt eine marktbeherrschende Stellung hat oder eine Gesamtbeurteilung seiner Aktivitäten im Fernsehen und auf medienrelevanten verwandten Märkten ergibt, dass der dadurch erzielte Meinungseinfluss dem eines Unternehmens mit einem Zuschaueranteil von 30 vom Hundert im Fernsehen entspricht.

Zuständig für die abschließende Beurteilung von Fragestellungen der Sicherung von Meinungsvielfalt im Zusammenhang mit der bundesweiten Veranstaltung von Fernsehprogrammen, insbesondere für die Prüfung solcher Fragen bei der Bestätigung von Veränderungen von Beteiligungsverhältnissen als unbedenklich, ist nach § 36 Abs. 1 Satz 1 und 2 RStV die KEK und war seinerzeit noch nach Maßgabe des § 37 Abs. 2 RStV die – durch den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag inzwischen aufgelöste – Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten (KDLM). Die Beschlüsse der KEK sind gegenüber den anderen Organen der zuständigen Landesmedienanstalt bindend und deren Entscheidungen zugrunde zu legen, § 37 Abs. 1 Satz 5 und 6 RStV.

Die Axel Springer AG hätte keine vorherrschende Meinungsmacht nach Maßgabe des § 26 Abs. 1 RStV in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Satz 1 oder 2 RStV erlangt. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs haben die Programme von Sat.1, ProSieben, Kabel 1, N24 und 9Live in dem maßgeblichen Zeitraum der letzten zwölf Monate vor der Einleitung des Verfahrens (§§ 27, 36 Abs. 1 Satz 4 RStV) einen tatsächlichen Zuschaueranteil von 22, 06 vom Hundert erreicht. Damit war sowohl der Schwellenwert des § 26 Abs. 2 Satz 1 RStV von 30 vom Hundert als auch der Schwellenwert des § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV von 25 vom Hundert nicht erreicht.

In seinem ersten Revisionsurteil vom 24.11.2010 hat das Bundesverwaltungsgericht § 26 RStV jedoch dahingehend ausgelegt, dass eine vorherrschende Meinungsmacht nicht nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 2 der Vorschrift angenommen werden kann, also insbesondere nicht zwingend die dort genannten Schwellenwerte für den Zuschaueranteil erreicht sein müssen2. § 26 Abs. 2 RStV trifft keine abschließende Regelung, sondern enthält Regelbeispiele mit Leitbildcharakter für die Auslegung der Generalklausel des § 26 Abs. 1 RStV. Bei der Feststellung vorherrschender Meinungsmacht kommt der KEK ein Beurteilungsspielraum zu, der eine der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegende Grenze im richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs findet3. Dazu gehört hier, dass es die Regelbeispiele des § 26 Abs. 2 RStV nur bei Vorliegen gewichtiger Gründe ermöglichen, eine vorherrschende Meinungsmacht auch dann anzunehmen, wenn die Schwellenwerte nicht ganz erreicht werden4. Die indizielle Bedeutung der Regelbeispiele kann im Rahmen einer Gesamtabwägung nur kompensiert werden, wenn sich der Einzelfall aufgrund individueller Besonderheiten vom Normalfall so deutlich abhebt, dass ein Festhalten an der regelmäßig vorgesehenen Rechtsfolge unangemessen erscheint. Dabei hat die KEK zum einen den Sinn des Regelbeispiels und die dabei vom Gesetzgeber getroffenen Wertungen zu beachten und zum anderen sicherzustellen, dass die besonderen Umstände, auf die sie sich stützt, ihrem Gewicht nach den Regelbeispielen entsprechen. Besteht eine Ähnlichkeit mit einem Regelbeispiel, ist es dem Rechtsanwender nicht erlaubt, eigene Wertungen an die Stelle der Wertungen des Gesetzgebers zu setzen. Die KEK ist zu einer freien Gesamtabwägung erst dann aufgerufen, wenn der Einzelfall Besonderheiten aufweist, die sich durch kodifizierte Regelbeispiele nicht angemessen erfassen lassen. Die KEK hat danach die vom Gesetzgeber getroffene Wertung, dass ein Zuschaueranteil von weniger als 25 vom Hundert in der Regel als unbedenklich einzustufen ist, zu beachten. Nur wenn die vom Gesetzgeber vorgegebene Eingriffsschwelle im Lichte der Ziele des Gesetzes offensichtlich unangemessen ist, kann § 26 Abs. 1 RStV im Rahmen einer Gesamtabwägung auch bei Unterschreitung der Schwellenwerte Anwendung finden.

Die KEK hat ihren Beurteilungsspielraum überschritten, indem sie hier angenommen hat, die Axel Springer AG hätte mit der Übernahme der in Rede stehenden Beteiligungen eine vorherrschende Meinungsmacht erlangt.

Im Zeitpunkt der Entscheidung der KEK lag der Zuschaueranteil der von dem beabsichtigten Erwerb betroffenen Fernsehveranstalter unter 20 vom Hundert, weil von dem tatsächlichen Zuschaueranteil von 22, 06 vom Hundert weitere fünf Prozentpunkte für sogenannte Fensterprogramme und Sendezeiten Dritter abzuziehen waren. Jedenfalls dann, wenn der Schwellenwert von 25 vom Hundert so deutlich unterschritten wird, schließen es die vom Gesetzgeber in § 26 Abs. 2 RStV getroffenen Wertungen aus, eine vorherrschende Meinungsmacht im Fernsehen unter Einbeziehung von Aktivitäten auf medienrelevanten verwandten Märkten anzunehmen.

Der Gesetzgeber des Rundfunkstaatsvertrags hat keine allgemeine Konzentrationskontrolle auf den Medienmärkten geschaffen. Er hat sich darauf beschränkt, Instrumente bereitzustellen, die die Bildung vorherrschender Meinungsmacht gerade im Fernsehen verhindern sollen. Verfassungsrechtlich war er zu weitergehenden Regelungen nicht verpflichtet. Verfassungsrecht gebietet deshalb auch nicht, die einschlägigen Vorschriften des § 26 Abs. 1 und 2 RStV erweiternd auszulegen, um so zu einer allgemeinen medienrechtlichen Konzentrationskontrolle zu gelangen.

Vorherrschende Meinungsmacht kann zunächst in Beschränkung auf den Bereich des Rundfunks entstehen. Dies kann der Fall sein, wenn von Beginn an nur wenige Anbieter vorhanden sind, wenn eine anfängliche Vielzahl von Anbietern durch Ausscheiden kleiner Veranstalter auf wenige große Veranstalter zusammenschmilzt, wenn ein und derselbe Veranstalter mehrere im Geltungsbereich eines Rundfunkgesetzes empfangbare Programme anbietet oder wenn ein Zusammenschluss privater Anbieter stattfindet5. Gleiche, möglicherweise größere Gefahren sind zu befürchten, wenn Meinungsmacht im Bereich des Rundfunks sich mit Meinungsmacht im Bereich der Presse verbindet. Demgemäß erfordert die verfassungsrechtliche Gewährleistung freier Meinungsbildung gesetzliche Vorkehrungen auch dagegen, dass vorherrschende Meinungsmacht sich aus einer Kombination der Einflüsse in Rundfunk und Presse ergibt. Für den Landesgesetzgeber kann im Rahmen seiner Rundfunkgesetzgebung eine Verpflichtung zu Vorkehrungen nur bestehen, soweit die Entstehung multimedialer Meinungsmacht zu Gefahren für die Meinungsvielfalt im Rundfunk zu führen droht6. Der Landesgesetzgeber ist hingegen zwar möglicherweise berechtigt, nicht jedoch verfassungsrechtlich verpflichtet, im Rahmen seiner Rundfunkgesetzgebung eine Konzentration von Meinungsmacht allgemein einer Kontrolle zu unterwerfen, unabhängig davon, wie sich die Kombination von Meinungsmacht im Bereich der Presse und des Fernsehens gerade auf die Meinungsvielfalt im Fernsehen auswirkt. Er kann sich vielmehr darauf beschränken, nur der Gefahr zu begegnen, die sich daraus ergeben kann, dass eine ohnehin beträchtliche Meinungsmacht im Fernsehen durch Aktivitäten des Veranstalters auf verwandten Märkten noch verstärkt wird.

Der Gesetzgeber des Rundfunkstaatsvertrags ist in § 26 RStV nur seiner Pflicht nachgekommen, Gefahren für die Meinungsvielfalt im Fernsehen zu wehren, hat aber nicht die Entstehung multimedialer Meinungsmacht allgemein, zwar unter Einbeziehung des Fernsehens, aber unabhängig von dessen konkreten Beitrag zu dieser Meinungsmacht, verhindern wollen. Dass es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers darum geht, vorherrschende Meinungsmacht im Fernsehen zu verhindern, hat insbesondere in den Vermutungsregeln des § 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 RStV seinen Ausdruck gefunden. Der Gesetzgeber bemisst die vorherrschende Meinungsmacht dort an Zuschaueranteilen. In ihnen drückt sich eine starke Stellung auf dem Fernsehmarkt aus. Zwar fordert § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV die Einbeziehung von Aktivitäten außerhalb des Fernsehmarktes, nämlich auf medienrelevanten verwandten Märkten. Die Orientierung am Zuschaueranteil wird damit aber nicht aufgelöst, sondern nur modifiziert. Eine starke Stellung auf dem Fernsehmarkt, ausgedrückt in einem entsprechenden Zuschaueranteil, muss erreicht sein, damit eine Änderung der Beteiligungsverhältnisse überhaupt aufgegriffen und einer medienrechtlich ausgerichteten Konzentrationsprüfung zugeführt werden kann. Aktivitäten auf anderen Märkten haben nur dann eine Bedeutung, wenn sie eine ohnehin beträchtliche Meinungsmacht im Fernsehen zu einer vorherrschenden Meinungsmacht verstärken können. Dass eine solche Prüfung auch stattfinden kann, wenn der Zuschaueranteil die Schwellenwerte nicht ganz erreicht, löst diesen Zusammenhang nicht auf. Denn die vorherrschende Meinungsmacht ist nach § 26 Abs. 1 RStV in jedem Fall nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze dieser Bestimmung und damit auch nach Absatz 2 und dem an Zuschaueranteilen orientierten Modell festzustellen.

Danach ist es ausgeschlossen, bei der Feststellung vorherrschender Meinungsmacht der Stellung auf dem Fernsehmarkt, ausgedrückt in Zuschaueranteilen, ein ausschließlich relatives Gewicht beizumessen, das stets durch ein entsprechend höheres Gewicht ausgeglichen werden kann, das sich aus der Stellung des jeweiligen Veranstalters auf medienrelevanten verwandten Märkten ergibt. Je weiter der Schwellenwert von 25 vom Hundert. Zuschaueranteil unterschritten wird, desto mehr entfernt sich vielmehr die Rechtsanwendung von den Wertungen, die der Gesetzgeber in den Vermutungsregeln zum Ausdruck gebracht hat, und desto stärker gerät die Prüfung der Unbedenklichkeit zu einer allgemeinen, statt spezifisch fernsehbezogenen Medienkonzentrationskontrolle.

Eine Grenze für den Zuschaueranteil, der nicht unterschritten werden darf, ohne Rücksicht auf das Gewicht der Aktivitäten auf anderen Märkten in jedem Falle schon dann anzunehmen, wenn der Schwellenwert von 25 vom Hundert um 10 vom Hundert. unterschritten wird, erscheint allerdings zu eng und findet insbesondere in dem Regelungsmodell des Gesetzgebers keine hinreichende Stütze. Bei einem Zuschaueranteil unter 20 vom Hundert wird jedoch die Stellung auf dem Fernsehmarkt nach den Wertungen des Gesetzgebers regelmäßig nur noch ein so geringes Gewicht haben, das es auch unter Berücksichtigung von Aktivitäten auf verwandten medienrelevanten Märkten nicht mehr zur Annahme einer vorherrschenden Meinungsmacht ausreicht. Diese Grenze bei einem Zuschaueranteil unter 20 vom Hundert anzunehmen, legt die Systematik des § 26 Abs. 2 RStV nahe. Eine vorherrschende Meinungsmacht wird bei einem Zuschaueranteil von 30 vom Hundert vermutet (Satz 1). Liegen bestimmte Faktoren außerhalb des Fernsehens vor, kann die Schwelle auf 25 vom Hundert gesenkt werden. Der Normgeber nimmt mithin einen Schritt von fünf Prozentpunkten vor. Es ist nicht anzunehmen, dass er für eine weitergehende Absenkung der Schwelle außerhalb der Vermutungstatbestände einen größeren Schritt für richtig halten könnte. Ein noch größerer Schritt würde über die Wertung des Gesetzgebers hinweggehen, dass ein tatsächlicher Zuschaueranteil von weniger als 25 vom Hundert in der Regel als unbedenklich einzustufen ist.

Ob ein tatsächlicher Zuschaueranteil von 20 vom Hundert als absolute Untergrenze für die Annahme vorherrschender Meinungsmacht anzusehen ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn diese Grenze wird hier noch deutlich unterschritten. Von dem ermittelten tatsächlichen Zuschaueranteil von 22, 06 vom Hundert sind nämlich in entsprechender Anwendung von § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV weitere fünf Prozentpunkte abzuziehen, weil in dem Programm von Sat.1 sogenannte Fensterprogramme zur aktuellen und authentischen Darstellung der Ereignisse des politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens in dem jeweiligen Land (§ 25 Abs. 4 RStV) und Sendezeiten für Dritte (§ 26 Abs. 5 RStV) aufgenommen waren.

Zwar scheidet eine direkte Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV aus, weil der Zuschaueranteil den Schwellenwert von 25 vom Hundert nicht erreicht hat und daher der Anwendungsbereich des § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV, an den die Bonusregelung anknüpft, nicht eröffnet war. Wenn jedoch bei einem Zuschaueranteil zwischen 25 und 30 vom Hundert ein Bonus für Fensterprogramme und Sendezeit für Dritte durch Abzug vom tatsächlichen Zuschaueranteil zu gewähren ist, dann muss dies erst recht bei einer Unterschreitung des Schwellenwerts im Rahmen der Generalklausel des § 26 Abs. 1 RStV gelten, wie der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf die Auffassung der KEK im vorliegenden Fall (Nr. IV 3.04. des Beschlusses vom 10.01.2006) und ihrer Spruchpraxis in anderen Prüffällen zutreffend ausführt.

Der Bonus für Fensterprogramme und Sendezeiten Dritter ist vorab von dem ermittelten tatsächlichen Zuschaueranteil abzuziehen. Er bestimmt die Schwelle mit, die erreicht sein muss, damit die Stellung auf dem Fernsehmarkt Anlass bietet, überhaupt die Aktivitäten auf verwandten medienrelevanten Märkten in den Blick zu nehmen. Die Verbesserung der Meinungsvielfalt durch Fensterprogramme und Sendezeiten für Dritte ist hingegen kein Gesichtspunkt, der erst im Rahmen einer Gesamtabwägung heranzuziehen ist, um eine Verschlechterung der Meinungsvielfalt durch Aktivitäten auf medienrelevanten verwandten Märkten nach deren Umrechnung in fiktive Zuschaueranteile gegebenenfalls zu relativieren.

Der Gesetzeswortlaut ist nicht eindeutig. Danach sind „bei der Berechnung des nach Satz 2 maßgeblichen Zuschaueranteils“ Bonuspunkte „vom tatsächlichen Zuschaueranteil“ abzuziehen. Der „tatsächliche Zuschaueranteil“ ist dabei zweifellos der gemäß §§ 27, 28, 36 Abs. 1 Satz 4 RStV von der KEK auf der Grundlage repräsentativer Erhebungen ermittelte Zuschaueranteil. Bei dem „nach Satz 2 maßgeblichen Zuschaueranteil“ könnte es sich um jenen Zuschaueranteil handeln, anhand dessen festgestellt wird – der also „maßgeblich“ dafür ist, ob der 25-vom-Hundert-Schwellenwert erreicht ist.

Dieses Verständnis ist aber im Hinblick auf die Systematik des in § 26 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 RStV normierten Vermutungstatbestandes ausgeschlossen. § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV verweist auf den „nach Satz 2“ maßgeblichen Zuschaueranteil, ohne zwischen den dort geregelten Alternativen zu unterscheiden. In § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass er in beiden dort behandelten Fällen die Meinungsvielfalt im Fernsehen in grundsätzlich gleicher, die Vermutung vorherrschender Meinungsmacht rechtfertigender Weise einem erheblichen Risiko ausgesetzt sieht. Sofern jeweils ein Zuschaueranteil von 25 vom Hundert erreicht ist, sind Unternehmen mit einer marktbeherrschenden Stellung auf einem medienrelevanten verwandten Markt aus medienkonzentrationsrechtlicher Sicht nicht anders zu bewerten als Unternehmen, die aufgrund ihrer Aktivitäten im Fernsehen und auf medienrelevanten verwandten Märkten über einen Meinungseinfluss verfügen, der dem eines Unternehmens mit einem Zuschaueranteil von 30 vom Hundert im Fernsehen entspricht. Dieser Gleichsetzung entspricht es dann aber auch, die vom Gesetzgeber in Anerkennung der vielfaltverstärkenden Wirkung von Regional- und Drittfenstern vorgesehene Anrechnung von Bonuspunkten in einheitlicher Weise vorzunehmen, was wiederum nur durch Vorwegabzug vom tatsächlichen Zuschaueranteil bei der Prüfung der Erreichung des 25-vom-Hundert-Schwellenwerts möglich ist.

Auch entstehungsgeschichtliche Erwägungen sprechen jedenfalls nicht gegen das hier gefundene Ergebnis. Die Bonusregelung wurde im Zuge der Ersetzung des vormals in § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV vorgesehenen Geringfügigkeitskriteriums durch den 25-vom-Hundert-Schwellenwert durch den Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag eingeführt. Die amtliche Begründung der Gesetzesänderung ist hinsichtlich der hier interessierenden Frage der Art und Weise der Bonifizierung unergiebig. Dort7 heißt es: „Durch die Streichung des Wortes ‚geringfügig’ in Absatz 2 Satz 2 wird die Möglichkeit eröffnet, die Stellung eines Unternehmens auf medienrelevanten Märkten ab einer Untergrenze von 25 vom Hundert Zuschaueranteil einzubeziehen, bei gleichzeitiger Gewährung eines Bonus bei Aufnahme von Regionalfenstern … und eines weiteren Bonus …, wenn … Sendezeit für Dritte …gewährt wird“. Dem lässt sich eine unmittelbare Aussage dazu, wie zu gewährende Bonuspunkte in Abzug zu bringen sind, nicht entnehmen. Allenfalls mag in dieser Formulierung die Vorstellung zum Ausdruck kommen, dass es für die Bonusgewährung keine Rolle spielt, welche der beiden Alternativen des § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV jeweils in Rede steht, was die systematische Auslegung bestätigt, die eine einheitliche Handhabung der Bonusgewährung ermöglicht.

Der systematischen Auslegung stehen schließlich auch Sinn und Zweck des § 26 RStV, zur Sicherung der Meinungsvielfalt im bundesweiten Fernsehen dem Entstehen vorherrschender Meinungsmacht vorzubeugen, nicht entgegen. Zwar führt ein Vorwegabzug von Bonuspunkten – wenn und weil der 25-vom-Hundert-Schwellenwert danach nicht mehr erreicht wird – gegebenenfalls dazu, dass eine Berücksichtigung der Stellung eines Unternehmens auf medienrelevanten verwandten Märkten nicht mehr in Betracht kommt, unabhängig davon, wie groß der insoweit erlangte Meinungseinfluss auch sein mag. Das betrifft freilich nur das Eingreifen der in § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV normierten Vermutungstatbestände. Da jedoch auch unterhalb der Schwellenwerte des § 26 Abs. 2 RStV nach Maßgabe der oben stehenden Erwägungen ein Rückgriff auf § 26 Abs. 1 RStV zulässig ist, bleibt eine Berücksichtigung der Gefahren für die Meinungsvielfalt, die sich aus einer Verknüpfung der Stellung im Fernsehen mit Aktivitäten auf vor- und nachgelagerten Märkten oder aus einer Kombination von Einflüssen in Rundfunk und Presse ergeben können, innerhalb der aufgezeigten Grenzen weiter möglich.

Von dem im Jahr 2006 ermittelten Zuschaueranteil von P7S1 in Höhe von 22, 06 vom Hundert sind daher zur Ermittlung der Meinungsmacht des Anbieters insgesamt 5 Prozentpunkte abzuziehen. Der Bundesverwaltungsgericht teilt insofern die rechtlichen Beurteilungen des Berufungsgerichts auf der Grundlage der von diesem getroffenen tatsächlichen Feststellungen. Insbesondere war die Erfüllung der ohne Übergangsregelung verschärften Anforderungen bereits kurz nach Inkrafttreten der Regelung naheliegender Weise nicht oder nur schwer möglich. Im Hinblick darauf, dass die Nichterfüllung der Anforderungen durch die Sat.1-Regionalfenster im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 10.01.2006 wohl auch nach Auffassung der KEK nur vorübergehender Natur und der fehlenden Übergangsregelung geschuldet war, geriete eine Nichtberücksichtigung im Rahmen der Bonusregelung des § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV mit dem Gedanken des Vertrauensschutzes in Konflikt. Auch stünde es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in Einklang, wegen der im Zeitpunkt des Beschlusses vom 10.01.2006 noch nicht vollständig umgesetzten Anpassung an die Neuregelung für Regionalfenster sowohl den hierfür vorgesehenen Bonus in Höhe von 2 vom Hundert Zuschaueranteil als auch den daran gekoppelten Bonus für Drittsendezeiten in Höhe von 3 vom Hundert in vollem Umfang abzulehnen.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. Januar 2014 – 6 C 2.2013 –

  1. in der hier maßgeblichen, im Zeitpunkt der Erledigung des Verpflichtungsbegehrens geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 27.07.2001, BayGVBl S. 502, zuletzt geändert durch den am 1.04.2005 in Kraft getretenen Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, BayGVBl 2005 S. 27, 245[]
  2. BVerwG 6 C 16.09, BVerwGE 138, 186 = Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 59 Rn. 31 ff.[]
  3. BVerwG, a.a.O. Rn. 42 f.[]
  4. BVerwG, a.a.O. Rn. 44[]
  5. BVerfG, Urteil vom 04.11.1986 – 1 BvF 1/84, BVerfGE 73, 118, 172[]
  6. BVerfG, Urteil vom 04.11.1986 a.a.O. S. 175[]
  7. LTDrucks 14/8628 S. 12[]