Allgemeine Geschäftsbedingungen und die Rechteeinräumung durch den Synchronsprecher

Die Bestimmungen der § 88 Abs. 1, § 89 Abs. 1 und § 92 Abs. 1 UrhG sind Auslegungsregeln und kommen als Maßstab einer Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht in Betracht1.

Der Vorschrift des § 31 Abs. 5 UrhG kommt keine gesetzliche Leitbildfunktion für die Bewertung der Übertragung von Nutzungsrechten im Rahmen der Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu.

Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Daran fehlt es im Streitfall.

§ 31 Abs. 5 UrhG und die in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende Übertragungszwecklehre, wonach in Verträgen des Urhebers über sein Urheberrecht im Zweifel keine weitergehenden Rechte eingeräumt werden, als dies der Zweck des Nutzungsvertrages erfordert2, führen nicht zur Unwirksamkeit der beanstandeten Klauseln. Eine Anwendung der Auslegungsregel des § 31 Abs. 5 UrhG und seines Schutzgedankens kommt als Maßstab einer Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht in Betracht.

Vertragliche Regelungen, die wie im Streitfall die Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsrechte und damit unmittelbar den Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflicht bestimmen, gehören zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung. Sie sind deshalb regelmäßig der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB entzogen. Soweit die Vorschrift des § 31 Abs. 5 UrhG den Vertragsparteien die Möglichkeit eröffnet, durch eine ausdrückliche vertragliche Abrede mehr als die für den konkreten Vertragszweck erforderlichen Rechte zu übertragen, ist diese gesetzgeberische Leitentscheidung zugunsten privatautonomer Vertragsgestaltung im Rahmen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB zu berücksichtigen. Gegen die Annahme eines Leitbildcharakters des § 31 Abs. 5 UrhG im Rahmen einer AGBrechtlichen Inhaltskontrolle spricht ferner der für diese Bestimmung anzuwendende konkretindividuelle Prüfungsmaßstab, während bei der Inhaltskontrolle ein abstraktgenereller Maßstab zugrunde zu legen ist3. Nichts anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision aus der Reform des Urhebervertragsrechts durch das Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern vom 22.03.20024, insbesondere aus der Einführung des § 11 Satz 2 UrhG5.

§§ 88 ff. UrhG lässt sich nicht ein gesetzliches Leitbild entnehmen, dass dem Filmhersteller lediglich der Erwerb filmbezogener Nutzungsrechte erleichtert werde, während filmfremde Verwertungen nicht zu den schützenswerten Interessen des Verwerters zuzurechnen seien. Auch die Regelung des § 88 Abs. 1 UrhG als Sondervorschrift gegenüber § 31 Abs. 5 UrhG stellt kein gesetzliches Leitbild im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar. Voraussetzung für die Qualifizierung einer Regelung als Leitbild im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine gesetzliche Grundentscheidung im Sinne eines Gerechtigkeitsgebots6. Daran fehlt es im Hinblick auf § 88 Abs. 1 UrhG ebenso wie in Bezug auf die weiteren Bestimmungen gemäß § 89 Abs. 1 und § 92 Abs. 1 UrhG. Diese Vorschriften sind wie § 31 Abs. 5 UrhG und der Übertragungszweckgedanke bloße Auslegungsregeln7. Dem Umstand, dass die besondere, gegenüber der allgemeinen Auslegungsregel des § 31 Abs. 5 UrhG grundsätzlich vorrangige Auslegungsregel des § 89 Abs. 1 UrhG auf eine umfassende Rechteeinräumung zu Gunsten des Filmherstellers abzielt8, kann nicht die gesetzliche Grundentscheidung entnommen werden, dass Nutzungsrechte, die über die filmische Verwertung im engeren Sinne hinausgehen, beim Urheber verbleiben müssen. Für filmferne Rechte gelten vielmehr die allgemeinen Grundsätze des § 31 Abs. 5 UrhG.

Der Verwerter hat in der Filmbranche selbst dann ein schützenswertes Interesse an einer umfassenden Rechteübertragung, wenn man von einer urheberrechtlichen Prämisse einer möglichst geringen Aufgabe der Ausschließlichkeitsrechte ausgeht. Wie dargelegt, stellen die §§ 88 ff. UrhG keine gesetzliche Grundentscheidung im Sinne eines Gerechtigkeitsgebots dar, sondern haben den Charakter von Auslegungsregeln. Es liegt in der Natur der Ersatzfunktion von Auslegungsregeln, dass sie den Vertragspartnern Spielraum für abweichende Vertragsgestaltungen lassen9.

Die früher als „Randnutzungen“ bezeichneten Verwertungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel das Merchandising und die Verwendung als Klingeltöne, gehören heute zu den Kernbereichen der Filmauswertung, um auch im Interesse der Synchronschauspieler die Produktionsmittel aufzubringen. Der Einwand, derartige Klauseln würden erst in jüngerer Zeit unter dem Diktat der USamerikanischen Filmindustrie auch den deutschen Filmherstellern und Synchronfirmen aufgegeben, bestätigt zudem die Annahme, dass ein Bedürfnis in der Praxis besteht, sich auch die entsprechenden Rechte für eine filmferne Verwertung einräumen zu lassen.

Den angegriffenen Klauseln lässt sich auch im Übrigen keine unangemessene Benachteiligung entnehmen, die im Widerspruch zu wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes stünde. Ein abweichender typischer Vertragszweck für sämtliche denkbaren Verträge der Beklagten, denen sie die streitgegenständlichen Bestimmungen zugrunde legt, ist angesichts der Vielfalt der möglichen Verwertungshandlungen der von der Klägerin hergestellten Synchronfassungen nicht ersichtlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beschreibung der einzelnen Nutzungsrechte und Nutzungsarten in den Allgemeinen Vertragsbedingungen selbst zur Bestimmung des Vertragszwecks beiträgt und sich daraus Anhaltspunkte für den von den Parteien beabsichtigten Vertragszweck entnehmen lassen10.

Eine sogenannte „Buy-Out-Regelung“ wird insbesondere in der Filmbranche als wirksam angesehen, sofern nur eine im Verhältnis dazu redliche Pauschalvergütung vereinbart wird. Soweit eine nachträgliche Vergütung im Rahmen von § 32a UrhG praktisch kaum durchführbar ist, hat ein solcher Umstand keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Rechteübertragung, sondern kann allenfalls bei der Beurteilung der Pauschalvergütung eine Rolle spielen.

Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 2 BGB ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Übertragung von filmfremden Rechten keine gesonderte Vergütung vorgesehen ist. Das in § 11 Satz 2 UrhG geregelte Prinzip der angemessenen Vergütung hat keine Auswirkungen auf die vertragliche Gegenleistung, insbesondere den Umfangder im Streitfall angegriffenen Rechteeinräumung11. Entgegen der Ansicht der Revision liegt in einer fehlenden Aufschlüsselung des Honorars im Hinblick auf die Einräumung filmferner Rechte auch kein Verstoß gegen das Transparenzgebot im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine Klausel, die die Übertragung sowohl filmspezifischer als auch filmferner, mithin aller Rechte gegen Einräumung eines bestimmten Vergütungsbetrages bestimmt, lässt keine nach dem Transparenzgebot unzulässigen ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume für den Verwender erkennen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Oktober 2013 – I ZR 41/12

  1. Fortführung von BGHZ 193, 268 – Honorarbedingungen Freie Journalisten[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 27.09.1995 – I ZR 215/93, BGHZ 131, 8, 12 f. Pauschale Rechtseinräumung; BGH, Urteil vom 22.01.1998 – I ZR 189/95, BGHZ 137, 387, 392 – ComicÜbersetzungen I, mwN[]
  3. vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 31.05.2012 – I ZR 73/10, BGHZ 193, 268 Rn. 16 ff. Honorarbedingungen Freie Journalisten, mwN[]
  4. BGBl. I, S. 1155[]
  5. vgl. BGHZ 193, 268 Rn. 21 Honorarbedingungen Freie Journalisten, mwN[]
  6. vgl. nur BGH, Urteil vom 25.06.1991 – XI ZR 257/90, BGHZ 115, 38, 42 mwN; BGHZ 193, 268 Rn. 53 Honorarbedingungen Freie Journalisten[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 19.05.2005 – I ZR 285/02, GRUR 2005, 937, 939 = WRP 2005, 1542 Der Zauberberg; Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. IV/270, S. 98 zu § 98 des Entwurfs und S. 100 zu § 99 des Entwurfs; Katzenberger in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 88 Rn. 2, § 89 Rn. 1; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 88 Rn. 1 ff., § 89 Rn. 1 f., § 92 Rn. 2[]
  8. vgl. BGH, GRUR 2005, 937, 939 Der Zauberberg[]
  9. vgl. BGHZ 193, 268 Rn. 17 Honorarbedingungen Freie Journalisten[]
  10. vgl. BGHZ 193, 268 Rn. 23 Honorarbedingungen Freie Journalisten[]
  11. vgl. BGHZ 193, 268 Rn. 21 Honorarbedingungen Freie Journalisten[]