Die bei Medienunternehmen unerwünschte Litigation-PR

Die Übersendung eines presserechtlichen Informationsschreibens an ein Presseunternehmen stellt grundsätzlich nur dann einen unmittelbaren Eingriff in dessen Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, wenn es zuvor durch ein sogenanntes Opt-Out zu verstehen gegeben hat, dass es die Zusendung solcher Schreiben nicht wünscht1.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nehmen zwei Medienunternehmen, die Zeitschriften herausgeben und vertreiben, die beklagten Rechtsanwälte und ihren Mandanten auf Unterlassung presserechtlicher Informationsschreiben in Anspruch. Die beklagten Rechtsanwälte versenden, wenn sie etwa aufgrund einer aktuellen Veröffentlichung einer Presseredaktion von einer Übernahme der Berichterstattung durch andere Presseredaktionen ausgehen, sogenannte presserechtliche Informationsschreiben, in denen sie für den Fall einer solchen Berichterstattung presserechtliche Rechtsbehelfe ankündigen. Am 21.10.2020 versandte die Rechtsanwältin im Namen und im Auftrag ihrer Mandantin, einer Nachrichtensprecherin, jeweils ein von ihrem Sozius unterzeichnetes „presserechtliches Informationsschreiben“ an die beiden Medienunternehmen mit folgendem Inhalt:

„Presserechtliches Informationsschreiben […(Vor- und Nachname der Mandantin)] Aus Anlass einer BUNTE-Berichterstattung, die auf einer Berichterstattung der BILD-Zeitung aufbaut, zeigen wir an, dass wir [Mandantin] in ihren presserechtlichen Angelegenheiten vertreten. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Berichterstattung verletzt die Berichterstattung über das private Beziehungsleben unserer Klientin ihre Persönlichkeitsrechte. Es ist rechtskräftig anerkannt, dass sie eine Berichterstattung über ihr Privatleben nicht hinnehmen muss. Vor diesem Hintergrund sind wir auch bereits erfolgreich gegen die BILD-Zeitung vorgegangen, die freiwillig eine Unterlassungsverpflichtungserklärung zu ihrer Berichterstattung vom letzten Wochenende abgegeben hat. Ebenso sind wir beauftragt, gegen die aktuelle BUNTE-Berichterstattung, die eine massive Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt, vorzugehen. Vor diesem Hintergrund weisen wir darauf hin, dass jegliche Übernahme einer Berichterstattung zu der Privatsphäre unserer Klientin rechtswidrig wäre und vor dem Hintergrund des nunmehr bekannten entgegenstehenden Willens unserer Klientin auch dazu führen würde, dass es sich um eine hartnäckige Rechtsverletzung handeln würde. Wir bitten daher um dringende Beachtung.“

Die Abgabe einer von den Medienunternehmen geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärung lehnten die beklagten Rechtsanwälte und ihre Mandantin ab. Das Landgericht  München – I hat der Mandantin untersagt, den Medienunternehmen sogenannte presserechtliche Informationsschreiben zuzusenden, wenn dies geschieht wie mit Schreiben der Rechtsanwältin und 2 vom 21.10.2020. Die Klage gegen die Rechtsanwälte hat es abgewiesen, weil diese keine Störer seien; sie hätten erkennbar nicht im eigenen Namen, sondern in rechtlicher Vertretung ihrer Mandantin gehandelt2.

Auf die Berufung der Medienunternehmen hat das Oberlandesgericht unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Mandantin das Urteil des Landgerichts dahingehend abgeändert, dass es über die Mandantin hinaus auch die beklagten Rechtsanwälte verurteilt hat, die Zusendung presserechtlicher Informationsschreiben, wie geschehen mit Schreiben vom 21.10.2020, zu unterlassen3. Auf die vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision der Rechtsanwälte und ihrer Mandantin hob der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil auf, wies die Berufung der Medienunternehmen gegen das Urteil des Landgerichts München – I hinsichtlich der beiden Rechtsanwälte ab und verwies die Sache im Übrigen zurück an das Oberlandesgericht München:

Die zulässige Revision der Rechtsanwältin und 2 ist begründet und führt ihnen gegenüber zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts. Die Medienunternehmen hatten schon deshalb keinen Anspruch auf Unterlassung der Zusendung presserechtlicher Informationsschreiben, wie geschehen mit Schreiben vom 21.10.2020, gegen die Rechtsanwältin und 2, da diese nicht Störer sind. Denn nach den tatbestandlichen Feststellungen des Oberlandesgerichts München (§ 314 ZPO) übersandten die Rechtsanwältin und 2 die beiden Schreiben vom 21.10.2020 an die Medienunternehmen im Namen und im Auftrag der Mandantin, ihrer Mandantin. Die persönliche Verantwortung für das Schreiben übernahmen sie nicht.

Es ist Aufgabe des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege, die Interessen seines Mandanten unabhängig zu vertreten und wahrzunehmen, um dessen Rechte zu wahren und zu verfolgen. Soweit er sich im Interesse eines Mandanten äußert, wird er nicht als Privatperson tätig, sondern in seiner Funktion als Rechtsanwalt und Vertreter seines Mandanten. Regelmäßig macht er sich Äußerungen im Namen und in Vollmacht seines Mandanten nicht als persönliche zu Eigen. Materiell-rechtlich ist in diesen Fällen gegebenenfalls nicht er, sondern sein Mandant als Störer anzusehen4. Das gilt auch dann, wenn die Äußerung nicht nur die Wiedergabe eines Sachverhalts, sondern auch eine rechtliche Bewertung und die Aufforderung zur Unterlassung enthält5.

Nur im Ausnahmefall kann die Berücksichtigung der Gesamtumstände eine persönliche Verantwortung des Rechtsanwalts nahelegen6. Dies kommt etwa bei einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung zur Durchsetzung eines vermeintlichen Ausschließlichkeitsrechts in Betracht7. Im Äußerungsrecht hat der Bundesgerichtshof einen Ausnahmefall wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls in dem seinem Urteil vom 15.01.20198 zugrunde liegenden Fall angenommen, in dem die dortige Rechtsanwältin9 bereits im Vorfeld und unabhängig von der Vertretung eines bestimmten Mandanten für sich selbst in Anspruch genommen hatte, in der von der dortigen Klägerin beanstandeten Art und Weise vorgehen zu dürfen, nämlich an diese presserechtliche Informationsschreiben übersenden zu dürfen. Sie hatte dort sogar ausdrücklich angeregt, nicht einen konkreten Mandanten, sondern sie selbst zu verklagen. Damit hatte sie zum Ausdruck gebracht, für diese Vorgehensweise – bis zu der dann mit dem BGH, Urteil vom 15.01.201910 erfolgten gerichtlichen Klärung – die Verantwortung zu übernehmen.

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts München nicht vor.

Das Oberlandesgericht München stützt seine Ansicht zunächst darauf, dass sich die Klägervertreter mit ihrem Schreiben vom 27.09.2018 und mit der Aufforderung zur Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen an die Rechtsanwältin und nicht an die Mandantin gewandt hätten. Das belegt jedoch allenfalls, dass die Klägervertreter in der Rechtsanwältin die Verantwortliche sahen, nicht aber, dass die Rechtsanwältin rechtlich verantwortlich ist.

Das Oberlandesgericht München hat zur Begründung seiner Entscheidung weiter ausgeführt, es sei die Rechtsanwältin gewesen, die in dem BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17 zugrunde liegenden Fall die dortige Klägerin explizit aufgefordert habe, sie selbst und nicht ihre Mandanten zu verklagen. Damit habe sie im dortigen Verfahren explizit die Verantwortung für weitere Informationsschreiben übernommen. Deshalb hätte es im hier zu entscheidenden Fall eines frühzeitigen und eindeutigen Hinweises bedurft, wenn die Rechtsanwältin das streitgegenständliche Informationsschreiben nicht gegen sich gelten lassen wolle. Das überzeugt nicht. Die Klägerin in dem Verfahren – VI ZR 506/17 war die F. GmbH und nicht eine der hiesigen Medienunternehmen. Eine Aufforderung auch an die hiesigen Medienunternehmen, die Rechtsanwältin und nicht deren Mandanten zu verklagen, oder sonst ein Verhalten, das auf die Übernahme der persönlichen Verantwortung der Rechtsanwältin (und 2) schließen ließe, ist nicht festgestellt. Es bedurfte deshalb auch keines Hinweises der Rechtsanwältin und 2, dass sie das Schreiben vom 21.10.2020, welches sie ausdrücklich in anwaltlicher Vertretung der Mandantin verfassten, nicht gegen sich persönlich gelten lassen wollen. Hinzu kommt, dass zeitlich nach der Klärung durch das BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17 ohne eindeutige entgegenstehende Anhaltspunkte nicht mehr anzunehmen war, dass die Rechtsanwältin ein weiteres Mal – nun gegenüber einem anderen Verlag – persönlich die Verantwortung für presserechtliche Informationsschreiben übernehmen werde. Soweit das Oberlandesgericht München in der Gesamtschau weiter darauf abstellt, dass die Rechtsanwältin im einstweiligen Verfügungsverfahren inhaltlich zur Berechtigung des Schreibens vom 21.10.2020 Stellung genommen habe, ohne sich auf ihre fehlende Passivlegitimation zu berufen, vermag dieses Verteidigungsverhalten im Prozess ihre Störereigenschaft nicht nachträglich zu begründen.

Soweit die Medienunternehmen geltend machen, die presserechtlichen Informationsschreiben seien von vornherein ungeeignet gewesen, präventiven Rechtsschutz zu bewirken, übersieht sie, dass dieses Argument die Rechtswidrigkeit eines etwaigen Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betrifft, nicht aber die davon zu trennende Frage, ob die Rechtsanwältin und 2 bei einer Handlung, die sie in anwaltlicher Vertretung der Mandantin vorgenommen haben, als Störer anzusehen sind. Ob ein Rechtsanwalt Störer ist, wenn er bei der Vertretung eines Mandanten seine Funktion als Organ der Rechtspflege missbräuchlich ausübt, kann dahinstehen. Denn von einem Missbrauch kann vorliegend bei der allein inmitten stehenden fehlerhaften Beurteilung der Rechtmäßigkeit des presserechtlichen Informationsschreibens nicht die Rede sein.

Die zulässige Revision der Mandantin ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht München zur neuen Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Mandantin. Dieses ist zwar als „Anschlussberufung“ bezeichnet, ist aber in eine (rechtzeitig eingelegte und begründete) Berufung nach § 511 ZPO umzudeuten. Eine Anschlussberufung wäre nicht zulässig, weil sie nur zwischen den Prozessbeteiligten des Berufungsverfahrens möglich ist; eine Partei, die nur im ersten Rechtszug beteiligt war, kann sich nicht durch eine Anschlussberufung Zugang zu dem nicht gegen sie gerichteten Rechtsmittelverfahren verschaffen11. Hier waren die Berufungen der Medienunternehmen nur gegen die Rechtsanwältin und 2 gerichtet, sodass sich die Mandantin nur durch eine selbständige Berufung Zugang zum Rechtsmittelverfahren verschaffen konnte.

Auf die vom Oberlandesgericht München getroffenen Feststellungen lässt sich ein Anspruch gegen die Mandantin aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB auf Unterlassung der Übermittlung von presserechtlichen Informationsschreiben, wie geschehen mit Schreiben vom 21.10.2020, nicht stützen.

Die Mandantin käme zwar als Störerin im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB in Betracht, weil sie nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts München die Rechtsanwältin beauftragte und bevollmächtigte, in ihrem Namen die Informationsschreiben vom 21.10.2020 an die Medienunternehmen zu richten12. Ein unmittelbarer Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch presserechtliche Informationsschreiben setzt jedoch ein sogenanntes Opt-Out des Gewerbetreibenden voraus. Die Feststellung des Oberlandesgerichts München, dass mit dem Schreiben der Klägervertreter vom 27.09.2018 ein solches Opt-Out vorlag, beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Mandantin auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

Die Übersendung eines presserechtlichen Informationsschreibens an ein Presseunternehmen stellt grundsätzlich nur dann einen unmittelbaren Eingriff in dessen Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, wenn es zuvor durch ein sogenanntes Opt-Out zu verstehen gegeben hat, dass es die Zusendung solcher Schreiben nicht wünscht. 

Der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB wird gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährt, wenn die Störung einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben. Die Verletzungshandlung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über eine bloße Belästigung oder eine sozial übliche Behinderung hinausgehen13. Bei Presseunternehmen sind dabei durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich gewährte Rechtspositionen zu berücksichtigen14

Die Übermittlung sogenannter presserechtlicher Informationsschreiben ist normalerweise betriebsbezogen, weil sie unmittelbar auf eine Beeinflussung der redaktionellen Tätigkeit des Presseunternehmens abzielt. Sie führt in der Regel auch nicht nur zu einer bloßen Belästigung, weil bereits die Sichtung des Schreibens unmittelbar nach dem Eingang und die Weiterleitung innerhalb des Verlags zusätzlichen Arbeitsaufwand verursachen kann und darüber hinaus nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist und daher der Prüfung bedarf, was Inhalt und Gegenstand des Schriftstücks ist15. Für die Annahme eines unmittelbaren Eingriffs in den gewerblichen Tätigkeitskreis eines Presseunternehmens reicht dies jedoch nicht aus. Erforderlich ist vielmehr grundsätzlich zusätzlich, dass das Presseunternehmen zuvor erklärt hat, keine Schreiben dieser Art (mehr) erhalten zu wollen (sogenanntes Opt-Out), sodass die Behinderung auch keine sozial übliche mehr ist.

Dass nach den angeführten Maßstäben die Verletzungshandlung über eine bloße Belästigung „oder“ eine sozial übliche Behinderung hinausgehen muss, ist nicht dahingehend zu verstehen, dass jedes über eine Belästigung hinausgehende Verhalten immer einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt. Vielmehr soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass das den Betriebsablauf störende Verhalten eine gewisse Intensität und Qualität erreichen muss, woran es bei sozialer Üblichkeit der Behinderung fehlen kann. Erforderlich ist eine Schadensgefahr, die geeignet ist, den Betrieb in empfindlicher Weise zu beeinträchtigen16. Bei der Beurteilung darf der Aufgabenbereich des jeweiligen Gewerbebetriebs nicht unberücksichtigt bleiben. Ein Presseunternehmen erhält Informationen und Meinungsbekundungen nicht nur auf gezielte Recherche, sondern auch ungefragt. Diese können sich sowohl auf eine bereits erfolgte als auch auf eine mögliche künftige Berichterstattung beziehen. Mit ihnen kann der Absender auch das Ziel verfolgen, auf den Inhalt einer Berichterstattung Einfluss zu nehmen. Zur typischen Tätigkeit eines Presseunternehmens gehört es, diese Zusendungen auszuwerten und solche, die aus seiner Sicht nutzlos sind, auszusortieren. Die ungefragte Übermittlung von Schreiben, die sich auf die Pressetätigkeit beziehen, stellt deshalb trotz des Aufwands, der mit ihrer Sichtung verbunden sein kann, für sich genommen grundsätzlich noch keinen unmittelbaren Eingriff in den Gewerbebetrieb dar. Erst wenn das Presseunternehmen durch ein Opt-Out dem Absender zu verstehen gegeben hat, dass es die Zusendung einer bestimmten Art von Schreiben – hier presserechtlicher Informationsschreiben – nicht wünscht, ist mit einer dennoch erfolgenden Zusendung die Schwelle zum Eingriff überschritten. Insofern stellt sich die Sach- und Rechtslage anders dar als bei unverlangt zugesandter E-MailWerbung an Gewerbetreibende17, mit der der Werbende in die geschäftliche Sphäre des Gewerbetreibenden eindringt.

Die Feststellung des Oberlandesgerichts München, die Rechtsanwältin sei bereits mit Schreiben der Klägervertreter vom 27.09.2018 darüber informiert worden, dass die Medienunternehmen keine sogenannten presserechtlichen Informationsschreiben mehr erhalten wollten, ist verfahrensfehlerhaft getroffen. Die diesbezügliche Gehörsrüge der Mandantin hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht München.

Bei dem im Berufungsurteil konkret in Bezug genommenen Schreiben vom 27.09.2018 handelt es sich um ein Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei S. an den bei der Rechtsanwältin tätigen Rechtsanwalt B., wonach es die S. „namens und im Auftrag unserer Mandantschaft“ untersagt, sogenannte presserechtliche Informationsschreiben „an unsere Mandantin“ zu versenden.

Die Revision verweist darauf, dass die Beklagten in der Berufungserwiderung unter anderem geltend gemacht haben, es sei nicht erkennbar, wer die in dem Schreiben vom 27.09.2018 erwähnte Mandantschaft oder Mandantin sei. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass das Schreiben für sämtliche gegenwärtigen und künftigen Mandanten der Rechtsanwaltskanzlei S. Wirkung entfalten solle oder könne. Die Anlagen, die dem Schreiben „als aktuelle Beispiele“ für presserechtliche Informationsschreiben angeblich beigefügt gewesen seien, stammten vom 01.10.2018, seien also jünger als das Schreiben. Zudem seien sie nicht an die Klägerin zu 1 gerichtet gewesen. Schließlich trage das Schreiben vom 27.09.2018 einen Eingangsstempel der Rechtsanwältin vom 20.05.2021 und könne deshalb hier nicht entscheidungserheblich sein.

Das Oberlandesgericht München hat sich in der angefochtenen Entscheidung auf den Satz beschränkt: „Dem Schreiben vom 27.09.2018 konnten die Rechtsanwältin)) und 2)) entnehmen, dass es nicht nur für den damaligen Anlassfall, sondern allgemein für von den Klägervertretern betreute Rechtsangelegenheiten des B[…]-Konzerns gelten sollte.“ Auf die wesentlichen Argumente der Beklagten in der Berufungserwiderung ist das Oberlandesgericht München damit verfahrensfehlerhaft nicht eingegangen, obwohl dies auch und gerade wegen des unbestimmten Inhalts des Schreibens vom 27.09.2018 veranlasst gewesen wäre.

Die Sache ist nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO zur Endentscheidung reif. Eine Abweisung der Klage gegen die Mandantin lässt sich entgegen der Ansicht der Revision nicht auf die Erwägung stützen, dass bei Unterstellung eines Opt-Out der Medienunternehmen der damit einhergehende Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb jedenfalls nicht rechtswidrig wäre.

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben. Bei der Abwägung sind die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff in den Schutzbereich ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt18.

Im Streitfall sind – bei Unterstellung eines Opt-Out und damit eines Eingriffs in das Recht der Medienunternehmen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb – die oben genannten Schutzinteressen der Medienunternehmen mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG) der Mandantin, dem Recht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) der Rechtsanwältin und 2 und – zugunsten der Beklagten unterstellt – deren Recht auf Verbreitung ihrer Meinung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) abzuwägen. Hier würde, ein Eingriff unterstellt, das Interesse der Medienunternehmen die schutzwürdigen Belange der Beklagten überwiegen.

Die Übermittlung presserechtlicher Informationsschreiben fällt sowohl in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Mandantin als auch in den der Berufsausübung der Rechtsanwältin und 2. Derartige Schreiben zielen auf einen effektiven – möglichst bereits vor einer Verletzung wirksam werdenden – Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Sie dienen – vergleichbar einer Schutzschrift – dazu, dem von einer befürchteten Rechtsverletzung Betroffenen bereits im Vorfeld Gehör zu gewähren und dadurch persönlichkeitsrechtsverletzende Rechtsverstöße von vorneherein zu verhindern oder jedenfalls ihre Weiterverbreitung einzuschränken. Die Übermittlung presserechtlicher Informationsschreiben bereits im Vorfeld einer möglichen Presseberichterstattung kann für den Betroffenen von besonderer Bedeutung sein, da sich aufgrund der Schwierigkeit, die für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch erforderliche Erstbegehungsgefahr konkret darzutun, auch durch eine einstweilige Verfügung in der Regel nur der weiteren Verbreitung einer bereits veröffentlichten persönlichkeitsrechtsverletzenden Berichterstattung entgegenwirken lässt. Je länger die Verbreitung angedauert hat, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalt bereits zur Kenntnis genommen und weiterverbreitet worden ist19. Dem Interesse der Mandantin am Schutz ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts korrespondiert das von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse der Rechtsanwältin und 2, die Rechtsposition ihrer Mandantin in der Weise wahrzunehmen, die sie für richtig halten. Zu Gunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass die Übersendung presserechtlicher Informationsschreiben darüber hinaus in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fällt19.

Hinter diesen schutzwürdigen Interessen hat das Interesse eines Presseunternehmens, presserechtliche Informationsschreiben nicht zu erhalten, in der Regel zurückzutreten. Zwar verursacht die Übersendung derartiger Schreiben aufseiten des Empfängers einen gewissen Aufwand und Kosten. Der mit dem Empfang eines Informationsschreibens verbundene Aufwand wird sich jedoch regelmäßig auf dessen Sichtung und Zuordnung beschränken. Darüber hinaus hat es das betroffene Presseunternehmen selbst in der Hand, ob und inwieweit es sich weiter damit befasst. Auch etwaige Kosten halten sich in einem überschaubaren Rahmen. Abgesehen davon liegt die Übersendung derartiger Informationsschreiben auch im Interesse des Presseunternehmens, da sie es ihm aufgrund des mit einer Befassung mit dem Schreiben zu erwartenden Erkenntnisgewinns ermöglicht, Rechtsverletzungen zu vermeiden. Zwar mag die Übersendung eines Informationsschreibens dazu führen, dass das betroffene Presseunternehmen bei der Berichterstattung besondere Vorsicht walten lässt. Angesichts des Umstands, dass es zur Aufgabe der Presse gehört, beabsichtigte Berichterstattungen daraufhin zu überprüfen, ob sie Persönlichkeitsrechte davon Betroffener verletzen würden, kann hierin aber jedenfalls grundsätzlich nicht der Versuch einer unzulässigen Einflussnahme gesehen werden20.

Eine andere Beurteilung ist allerdings dann geboten, wenn das übersandte Informationsschreiben von vorneherein ungeeignet ist, präventiven Rechtsschutz zu bewirken. Hiervon ist auszugehen, wenn es keine Informationen enthält, die dem Presseunternehmen die Beurteilung erlauben, ob Persönlichkeitsrechte durch eine etwaige Berichterstattung verletzt würden21.

)) So verhält es sich im Streitfall. Den Schreiben vom 21.10.2020 lässt sich der Inhalt der von den Beklagten für rechtswidrig erachteten Vorberichterstattung nicht entnehmen, sondern lediglich, dass diese das „private Beziehungsleben“ der Mandantin zum Gegenstand hatte. Wie das Oberlandesgericht München zutreffend ausgeführt hat, ist eine Berichterstattung hierüber nicht per se rechtswidrig. Es bedarf vielmehr – falls es sich um eine Wortberichterstattung handelt, was das Informationsschreiben offenlässt – einer umfassenden Abwägung zwischen dem durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Interesse der Mandantin am Schutz ihres Persönlichkeitsrechts mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Medienunternehmen auf Meinungsfreiheit. Bei Tatsachenbehauptungen, die die Privatsphäre betreffen, ist – auch wenn sie wahr sind – von entscheidender Bedeutung, ob sie sich durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lassen22. Sollte es sich um eine Bildberichterstattung handeln, ist dessen Zulässigkeit nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen, wobei bei der Beurteilung, ob ein Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, ebenfalls eine Abwägung zwischen den genannten Rechten vorzunehmen ist23. Konkrete Umstände, anhand derer sich hier eine Abwägung auch nur ansatzweise vornehmen ließe, enthalten die Schreiben nicht. Die Bezugnahme der Schreiben auf die nicht beigefügte „aktuelle BUNTE-Berichterstattung“ vermag die notwendigen Angaben zum Gegenstand dieser Berichterstattung nicht zu ersetzen, auch wenn die BUNTE und die Medienunternehmen zum selben Konzern gehören. Wie das Oberlandesgericht München zu Recht betont hat, handelte es sich bei den Medienunternehmen um eigenständige juristische Personen. Dass sie von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten wurden wie andere Gesellschaften des Konzerns, ändert daran nichts, zumal die Informationsschreiben nicht an die Prozessbevollmächtigen, sondern an die Medienunternehmen gerichtet waren, um deren Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb es geht.

Entgegen der Auffassung der Mandantin müsste diese eine Selbstöffnung auch nicht allein dadurch befürchten, dass sie in einem presserechtlichen Informationsschreiben den Gegenstand einer Vorberichterstattung zu ihrem (angeblichen) Privatleben konkreter als geschehen benennt, und verbunden mit der Meinungsäußerung, dass eine solche Berichterstattung unzulässig sei, dazu auffordert, eine Verbreitung zu unterlassen. Denn damit würde der Themenbereich für eine öffentliche Diskussion nicht eröffnet24.

Nach den insoweit von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts München gab es im Zeitpunkt der Schreiben vom 21.10.2020 auch keine gerichtliche Entscheidung in einem Rechtsstreit zwischen den hiesigen Parteien, die eine Berichterstattung mit demselben Gegenstand betraf und Rechtskraft gegenüber den hiesigen Medienunternehmen entfalten konnte. Insofern ist der Hinweis in den Schreiben vom 21.10.2020, es sei „rechtskräftig anerkannt“, dass die Mandantin eine Berichterstattung über ihr Privatleben nicht hinnehmen müsse, zumindest irreführend.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Juni 2024 – VI ZR 64/23

  1. Weiterführung von BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, AfP 2019, 40[]
  2. LG München I, Urteil vom 27.07.2022 – 9 O 16309/20[]
  3. OLG München, Urteil vom 31.01.2023 – 18 U 4493/22 Pre[]
  4. vgl. BGH, Urteile vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, AfP 2019, 40 Rn. 28; vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03, NJW 2005, 279, 28120[]
  5. vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 01.12.2015 – X ZR 170/12, BGHZ 208, 119 Rn. 23 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II[]
  6. BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, AfP 2019, 40 Rn. 28; Versäumnisurteil vom 01.12.2015 – X ZR 170/12, BGHZ 208, 119 Rn. 23 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II; BVerfG [K], Beschluss vom 16.07.2003 – 1 BvR 801/03, BVerfGK 1, 235, 237 12[]
  7. vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 01.12.2015, aaO[]
  8. BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, AfP 2019, 40[]
  9. identisch mit der hiesigen Rechtsanwältin[]
  10. BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17[]
  11. BGH, Beschluss vom 14.05.1991 – XI ZB 2/91 6 mwN[]
  12. vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, AfP 2019, 40 Rn. 26[]
  13. vgl. BGH, Urteile vom 14.01.2020 – VI ZR 496/18, NJW 2020, 1587 Rn. 35; vom 26.11.2019 – VI ZR 12/19, AfP 2020, 149 Rn. 47; vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, AfP 2019, 40 Rn. 16; vom 21.04.1998 – VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 317 f. 17; BGH, Urteile vom 06.02.2014 – I ZR 75/13, GRUR 2014, 904 Rn. 12 – Aufruf zur Kontokündigung; vom 28.02.2013 – I ZR 237/11, GRUR 2013, 917 Rn. 16 – Vorbeugende Unterwerfungserklärung[]
  14. BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, AfP 2019, 40 Rn. 16 mwN[]
  15. vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, AfP 2019, 40 Rn. 17[]
  16. vgl. BGH, Urteile vom 21.04.1998 – VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 317 f. 17; vom 29.01.1985 – VI ZR 130/83, NJW 1985, 1620, 1621 13[]
  17. vgl. BGH, Urteil vom 14.03.2017 – VI ZR 721/15, BGHZ 214, 204 Rn. 15; BGH, Urteile vom 12.01.2023 – I ZR 49/22, NJW 2023, 2197 Rn. 14 – Unterwerfung durch PDF; vom 12.09.2013 – I ZR 208/12, VersR 2014, 1462 Rn. 15 – Empfehlungs-E-Mail[]
  18. vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, AfP 2019, 40 Rn.19 mwN[]
  19. BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, AfP 2019, 40 Rn. 21 mwN[][]
  20. BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, AfP 2019, 40 Rn. 22; vgl. BGH, Urteil vom 28.02.2013 – I ZR 237/11, GRUR 2013, 917 Rn. 21-23 – Vorbeugende Unterwerfungserklärung[]
  21. BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17, AfP 2019, 40 Rn. 23[]
  22. st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 02.05.2017 – VI ZR 262/16, NJW-RR 2017, 1516 Rn. 23 mwN[]
  23. vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 29.05.2018 – VI ZR 56/17, AfP 2018, 410 Rn. 9 ff. mwN[]
  24. vgl. für die Richtigstellung einer falschen Presseberichterstattung BGH, Urteil vom 14.03.2023 – VI ZR 338/21, AfP 2023, 241 Rn. 29[]