Gegendarstellung gegen in der Presse verwendete Rechtsbegriffe

Rechtsbegriffe sind nur eingeschränkt gegendarstellungsfähig.

Für einen Gegendarstellungsanspruch muss der Aussagegehalt der zu beanstandenden Äußerung eindeutig bestimmbar sein. Enthält die zu beanstandende Äußerung einen Rechtsbegriff, darf das Fachgericht nicht das eigene Fachwissen zugrunde legen. Es hat vielmehr auf das Verständnis des durchschnittlichen Zeitungslesers abzustellen. Mit dieser Begründung hat jetzt das Bundesverfassungsgericht der Verfassungsbeschwerde eines Zeitungsverlags stattgegeben, die sich gegen die Verpflichtung zum Abdruck einer Gegendarstellung wendete.

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Der Ausgangssachverhalt[↑]

Die beschwerdeführende Zeitungsverlegerin verlegt eine überregionale Boulevardzeitung. Mit der Schlagzeile„B. EXKLUSIV Millionen-Gläubiger packt aus – B. verpfändete auch das Haus seiner Mutter!“„[…] Hierzu stelle ich fest: Ich habe das Haus meiner Mutter nicht verpfändet. […]“Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die Verpflichtung zum Abdruck der Gegendarstellung verletzt die Zeitungsverlegerin in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG.

Das Gericht hat bei der Titelschlagzeile zu Unrecht eine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung angenommen. Eine Titelschlagzeile ist als solche isoliert gegendarstellungsfähig, wenn sie ohne Berücksichtigung des damit betitelten oder angekündigten Berichts in ihrem Kern eine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung enthält. Lässt sich eine Titelschlagzeile unterschiedlich verstehen, muss zumindest die für die Gegendarstellung maßgebliche Tatsachenbehauptung eindeutig bestimmbar sein. Ansonsten wird nicht klar, gegen welche Äußerung sich die betroffene Person mit ihrer Gegendarstellung zur Wehr setzen möchte. Vorliegend ist eine für juristische Laien eindeutig bestimmbare Tatsachenbehauptung nicht erkennbar. Es ist nicht auszuschließen, dass der in der Schlagzeile verwendete Begriff der „Verpfändung“ von einem durchschnittlichen Zeitungsleser auch als Beschreibung einer schuldrechtlichen Sicherungsbestellung verstanden werden kann. In einem solchen Fall dürfen die Fachgerichte nicht auf ihr eigenes juristisches Begriffsverständnis zurückgreifen, sondern müssen das Verständnis eines Laien zugrunde legen.

Auch der Inhalt der zugesprochenen Gegendarstellung ist zu beanstanden. Die als Gegendarstellung abgedruckte Erklärung „[…] Hierzu stelle ich fest: Ich habe das Haus meiner Mutter nicht verpfändet. […]“ ist ihrerseits interpretationsbedürftig und stellt eine bloße Negation der Titelschlagzeile dar. Ein verfassungsrechtlich zulässiger Gegendarstellungsanspruch muss jedoch der tatsächlichen Gegendarstellung und nicht der bloßen Gegenbehauptung oder Richtigstellung unvertretbarer Rechtsbehauptungen dienen.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20. November 2018 – 1 BvR 2716/17