Informationszugang durch das Bundesarchiv

Ar­chiv­gut im Sinne des Ar­chiv­nut­zungs- und Ein­sichts­rechts nach § 5 Abs. 1 BArchG sind nur sol­che ar­chiv­wür­di­ge Un­ter­la­gen, die im An­schluss an eine Be­wer­tungs­ent­schei­dung nach § 3 BArchG an das Bun­des­ar­chiv über­ge­ben und von die­sem über­nom­men wor­den sind.

Aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG folgt keine Ver­pflich­tung der um In­for­ma­ti­ons­zu­gang an­ge­gan­ge­nen Be­hör­de zur Be­schaf­fung von In­for­ma­tio­nen, die sich noch nie­mals in deren Be­sitz be­fun­den haben.

Bundesarchiv und Archivgut

Eine Legaldefinition des zentralen archivrechtlichen Begriffs des Archivguts enthält das Bundesarchivgesetz nicht; lediglich der allgemeine registraturrechtliche Begriff der Unterlage wird in § 2 Abs. 8 BArchG umschrieben. Der Begriff des Archivguts mag materiell verstanden werden können, wenn es lediglich auf die Archivwürdigkeit der zu archivierenden Unterlagen ankommen soll. Er hat demgegenüber einen (auch) formellen Gehalt, wenn zusätzlich auf die Übergabe der Unterlagen an bzw. deren Übernahme durch das Archiv abgestellt wird1. Jedenfalls soweit es um den Anspruch auf Nutzung von Archivgut nach § 5 Abs. 1 BArchG geht, legt das Bundesarchivgesetz letzteres Begriffsverständnis – im Übrigen in Einklang mit der allgemein anerkannten Begriffsbildung im Archivrecht2 – zugrunde.

§ 2 Abs. 1 Satz 1 BArchG regelt die Entstehung von Archivgut durch Normierung einer Anbietungs- und einer Übergabepflicht. Die ablieferungspflichtigen Stellen sind vorbehaltlich der im Einzelnen geregelten Befreiungstatbestände (insbesondere § 2 Abs. 1 Satz 2, Abs. 6 BArchG) grundsätzlich verpflichtet, alle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigten Unterlagen dem Bundesarchiv anzubieten. Handelt es sich um Unterlagen von bleibendem Wert im Sinne von § 3 BArchG, so trifft die genannten Stellen die Pflicht zur Übergabe „als Archivgut des Bundes“. Ob die Voraussetzungen der Übergabepflicht vorliegen, entscheidet nach § 3 BArchG das Bundesarchiv im Benehmen mit der anbietenden Stelle. Auf die nähere gesetzliche Ausgestaltung des Anbietungs- und Übergabeverfahrens hat der Gesetzgeber mit Ausnahme der Regelungen in § 2 Abs. 4 und 5 BArchG, die „aus persönlichkeitsschutzrechtlicher oder technischer Sicht zwingend geboten“ seien, bewusst verzichtet3.

Nach dem in der gesetzlichen Regelung vorgesehenen zweistufigen Verfahren gehen die von den ablieferungspflichtigen Stellen angebotenen Unterlagen erst dann in den Verantwortungsbereich des Bundesarchivs über und werden zu Archivgut umgewidmet, wenn das Bundesarchiv die Unterlagen anhand der Maßstäbe des § 3 BArchG geprüft und im Anschluss daran das Angebot durch die Übernahme der Unterlagen angenommen hat. Die im Gesetz verwendete Formulierung einer Übergabe „als“ Archivgut würde allerdings auch ein Verständnis nicht von vornherein ausschließen, wonach die archivwürdigen Unterlagen bereits vor der Übernahme durch das Bundesarchiv als Archivgut anzusehen sind. Dem steht jedoch bereits das Erfordernis entgegen, dass die Bewertungsentscheidung nach § 3 BArchG vom Bundesarchiv vorzunehmen ist. Dies setzt aber eine vorherige Sichtung voraus, die jedenfalls in aller Regel solange ausscheidet, als die Unterlagen dem Bundesarchiv noch nicht vorliegen. Der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung liegt ersichtlich ebenfalls die Vorstellung zugrunde, dass die Unterlagen von bleibendem Wert, die der Übergabepflicht unterliegen, erst mit der Übergabe zu Archivgut werden3. Das wird durch die Vorschrift des § 2 Abs. 5 BArchG bestätigt. Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 BArchG sind bei gleichförmigen Unterlagen, denen bleibender Wert nach § 3 BArchG zukommt, Art und Umfang der dem Archiv zu übergebenden Unterlagen durch Vereinbarung mit der ablieferungspflichtigen Stelle vorab im Grundsatz festzulegen. Auch die so umschriebenen Unterlagen bedürfen nach § 2 Abs. 5 Satz 3 BArchG indessen noch der Übernahme durch das Bundesarchiv. Ungeachtet der Einstufung nach § 3 BArchG handelt es sich zuvor lediglich um potenzielles Archivgut4. Schließlich legt auch die mit Verabschiedung des Informationsfreiheitsgesetzes eingefügte Bestimmung des § 5 Abs. 4 Satz 2 BArchG nahe, dass die Übergabe an das Bundesarchiv die entscheidende rechtliche Zäsur für die Einordnung der Unterlagen ist. Denn daraus folgt, dass vor der Übergabe des – damit entstehenden – Archivguts an das Bundesarchiv der Zugang zu den Informationen allein vom Informationsfreiheitsgesetz und nicht vom Archivrecht geregelt wird5.

Ob gleichwohl rechtliche Zusammenhänge vorstellbar sind, in denen von einem materiellen Begriff des Archivguts auszugehen ist, kann hier dahinstehen. Beim Einsichtsrecht nach § 5 Abs. 1 BArchG ist das nach dem Regelungszusammenhang allerdings ausgeschlossen. Das Bundesarchiv kann Einsicht nur in solche Unterlagen gewähren, die ihm vorliegen. Wollte man im Sinne eines materiellen Begriffs des Archivguts über den tatsächlich vorhandenen Bestand hinausgehen, müsste das Bundesarchiv zunächst die rechtliche Möglichkeit haben, auf solche Unterlagen, die sich noch im Besitz der ablieferungspflichtigen Stellen oder sonstiger Dritter befinden, zuzugreifen, um sie anschließend dem Nutzungsberechtigten zur Verfügung zu stellen. Eine solche Bestimmung findet sich indessen weder im Bundesarchivgesetz, noch sind sonstige Vorschriften ersichtlich, die insbesondere gegenüber – wie hier – privaten Dritten eine den rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Ermächtigungsgrundlage für ein Herausgabeverlangen bilden könnten6.

Dem Umstand, dass selbst gegenüber ablieferungspflichtigen Stellen im Sinne von § 2 Abs. 1 BArchG anlässlich eines gegen das Bundesarchiv gerichteten Nutzungsanspruchs ein Herausgabeverlangen in Bezug auf archivwürdige Unterlagen jedenfalls rechtlich nicht durchgesetzt werden kann, soll ersichtlich die Regelung des § 5 Abs. 8 BArchG Rechnung tragen. Sie räumt nach Ablauf der Schutzfrist von 30 Jahren ein Zugangsrecht gegenüber der ablieferungspflichtigen Stelle ein. Diese Regelung wäre indessen weithin überflüssig, wenn der Zugangsanspruch mittels einer Beschaffungspflicht über das Bundesarchiv durchgesetzt werden könnte. Vielmehr soll mit dieser Regelung auch bezweckt werden, dass die ablieferungspflichtigen Stellen ihre Unterlagen dem Bundesarchiv auch tatsächlich übergeben7.

Informationsbeschaffungspflicht des Bundesarchivs

Im Gegensatz zu anderen Normen des Informationsfreiheitsrechts (siehe etwa – mit im Einzelnen unterschiedlichen Formulierungen – § 4 Abs. 1 Umweltinformationsgesetz, UIG 1994, § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 4 UIG 2004, § 1 Abs. 1 Satz 1 Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation, VIG) beschränkt § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG den Zugangsanspruch zwar nicht ausdrücklich auf Informationen, die bei der informationspflichtigen Stelle vorhanden sind. Das lässt aber nicht den Schluss zu, dass das Gesetz einen Zugangsanspruch ohne Rücksicht darauf einräumen will, wo sich die Unterlagen mit den begehrten Informationen befinden8. Denn die Gewährung eines Zugangs zu Informationen setzt jedenfalls voraus, dass die Anspruchsverpflichtete selbst tatsächlich Zugriff auf die Informationen hat. Müsste sich die informationspflichtige Stelle diesen Zugriff erst verschaffen, bedürfte es hierfür wiederum einer Rechtsgrundlage, um gegenüber Behörden und Privaten, die im Besitz der Information sind, ein Herausgabeverlangen durchsetzen zu können. Wie im Archivrecht fehlt diese auch im Informationsfreiheitsgesetz.

Die Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG, die den Zugang zu aus allgemein zugänglichen Quellen stammenden Informationen schützt, gibt keinen verfassungsunmittelbaren Zugang zu amtlichen Informationen. Vielmehr kann der Staat im Rahmen seiner Aufgaben und Befugnisse Art und Umfang, in dem er Informationsquellen allgemein zugänglich macht, festlegen9. Insoweit ist das Grundrecht auf Ausgestaltung durch den Gesetzgeber angewiesen10. Dabei hat der Gesetzgeber den Bezug zum Demokratieprinzip des Art.20 Abs. 1 GG zu beachten, der als eine der Komponenten für die Informationsfreiheit wesensbestimmend ist11. Dem ist er bei der Verabschiedung des Informationsfreiheitsgesetzes gerecht geworden, bei der er insbesondere auf die Bedeutung des Gesetzes für die demokratische Meinungs- und Willensbildung hingewiesen hat12. Diese Leitlinie für die Ausgestaltung der Informationsfreiheit gebietet es allerdings nicht, dass ein Anspruch auf Beschaffung von Akten bei Dritten eingeräumt werde müsste.

Aus dem Grundrecht der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgt hinsichtlich der Eröffnung einer Informationsquelle nichts anderes13. Auch wenn sich pressespezifische Auskunftspflichten der Bundesbehörden wegen der diesbezüglichen Untätigkeit des Bundesgesetzgebers unmittelbar aus der Verfassung ergeben können, beschränkt sich der insoweit gewährleistete Informationszugang auf die bei der informationspflichtigen Stelle tatsächlich vorhandenen Informationen; eine Informationsbeschaffungspflicht gibt es nicht14.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27. Mai 2013 – 7 B 43.12

  1. vgl. Schoch/Kloepfer/Garstka, Archivgesetz, ArchG-ProfE, 2007, § 3 Rn. 9[]
  2. siehe hierzu Manegold, Archivrecht, 2002, S. 167[]
  3. siehe BT-Drs. 11/498, S. 8[][]
  4. siehe BT-Drs. 11/498, S. 9 f., zu § 2 Abs. 4 BArchG-E[]
  5. vgl. Schoch, IFG, 2009, § 13 Rn. 18, 21[]
  6. siehe Schoch/Kloepfer/Garstka, a.a.O. § 7 Rn. 2 f. und § 10 Rn. 7[]
  7. Becker/Oldenhage, Bundesarchivgesetz, 2006, § 5 Rn. 126; Manegold, a.a.O. S.209 f.[]
  8. zur Beschränkung des Anspruchsgegenstands auf vorhandene Informationen unter Ablehnung einer Beschaffungspflicht vgl. Schoch, a.a.O. § 1 Rn. 29 ff.; Rossi, IFG, 2006, § 2 Rn. 11 ff.; Scheel, in: Berger/Roth/Scheel, IFG, 2006, § 2 Rn. 24; Fetzer, in: Fluck/Theuer, Informationsfreiheitsrecht, § 2 IFG Bund Rn. 14; Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 150 ff.; siehe auch Jastrow/Schlatmann, IFG, 2006, § 2 Rn. 10 f.[]
  9. vgl. BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95 u.a., BVerfGE 103, 44, 60 f.[]
  10. BVerwG, Beschluss vom 18.07.2011 – 7 B 14.11, Buchholz 400 IFG Nr. 5 Rn. 9[]
  11. BVerfG, Beschluss vom 03.10.1969 – 1 BvR 46/65, BVerfGE 27, 71, 81 f.[]
  12. BT-Drs. 15/4493, S. 6[]
  13. vgl. BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 a.a.O., 59 f.[]
  14. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 – 6 A 2.12 – Rn. 27 ff., 30[]