Schutz der einzelnen Bilder eines Films
Die einzelnen Bilder eines Films sind unabhängig vom Schutz des Films als Filmwerk oder Laufbildfolge, wenn nicht als Lichtbildwerke nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG, so doch jedenfalls als Lichtbilder nach § 72 UrhG geschützt. Der Lichtbildschutz einzelner Filmbilder aus § 72 UrhG erstreckt sich nicht nur auf die Verwertung der Bilder in Form von Fotos, sondern auch auf die Verwertung der Bilder in Form des Films.
Eine Abkürzung der für Ansprüche wegen Verletzung eines nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts oder wegen Eingriffs in den Zuweisungsgehalt eines solchen Rechts gemäß § 102 Satz 1 UrhG, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB geltenden dreijährigen Verjährungsfrist durch Verwirkung kann nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden1.
Leistungsschutzrechte an Filmeinzelbildern nach § 72 UrhG umfassen auch das Recht zur Verwertung der Einzelbilder in Form des Films. Die Einzelbilder eines Filmes sind unabhängig vom Schutz des Filmes als Filmwerk oder Laufbildfolge, wenn nicht als Lichtbildwerke nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG, so doch jedenfalls als Lichtbilder nach § 72 UrhG geschützt2. Vor dem Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes geschaffene Filmeinzelbilder genießen gemäß § 129 Abs. 1 UrhG den gleichen Schutz wie danach geschaffene, da Werke der Fotografie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Urheberrechtsgesetzes nach §§ 1, 3, 15 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Fotografie vom 09.01.19073 urheberrechtlich geschützt waren.
Der Lichtbildschutz aus § 72 UrhG erstreckt sich nicht nur auf die Verwertung der Einzelbilder in Form von Fotos, sondern auch auf die Verwertung der Einzelbilder in Form des Films.
Das folgt zum einen daraus, dass jede urheberrechtliche Nutzung der Bildfolge zwangsläufig eine urheberrechtliche Nutzung der einzelnen Bilder umfasst. Es kommt daher nicht darauf an, dass die Bilder – wie die Beklagte geltend macht – bei einer Ausstrahlung des Films nicht als einzelne Bilder sinnlich wahrnehmbar sein mögen. Es ergibt sich zum anderen daraus, dass der Filmhersteller zur filmischen Verwertung der bei Herstellung eines Filmwerks entstehenden Lichtbilder und Lichtbildwerke die Rechte des Lichtbildners benötigt (§ 89 Abs. 4 UrhG, § 91 UrhG aF; zum Begriff der „filmischen Verwertung“ vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2009 – I ZR 128/07, GRUR 2010, 620 Rn. 15 bis 18 = WRP 2010, 933 – Film-Einzelbilder). Dieser Rechte bedürfte er nicht, wenn der Lichtbildschutz nicht das Recht zur Verwertung der Einzelbilder in Form des Films umfasste4.
Hiergegen kann auch nicht geltend gemacht werden, damit werde über den Leistungsschutz an Filmeinzelbildern ein Schutz für Laufbilder erreicht, der zur Zeit der Entstehung des hier in Rede stehenden Films noch nicht bestanden habe. Die Bestimmung des § 95 UrhG begründet für Laufbilder einen Leistungsschutz des Filmherstellers und nicht einen Leistungsschutz der Filmurheber; geschützt wird die wirtschaftliche und organisatorische Leistung des Filmherstellers und nicht die gegenüber der schöpferischen Leistung des Urhebers eines Filmwerks weniger schöpferische Leistung des Urhebers von Laufbildern5. Soweit der Leistungsschutz an Filmeinzelbildern aus § 72 UrhG mittelbar zu einem Schutz des Films führt, handelt es sich nicht um einen Schutz der wirtschaftlichen und organisatorischen Leistung des Filmherstellers; geschützt wird vielmehr allein die gegenüber der schöpferischen Leistung des Urhebers eines Lichtbildwerkes weniger schöpferische Leistung des Lichtbildners6.
Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist auch nicht deswegen entfallen, weil das an den einzelnen Filmbildern bestehende Leistungsschutzrecht aus § 72 Abs. 1 UrhG zwischenzeitlich (hier: am 31.12 2012) erloschen ist.
Der auf Wiederholungsgefahr gestützte und in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch ist nur begründet, wenn die Wiederholungsgefahr zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Unterlassungsanspruch noch besteht. Durch eine begangene Rechtsverletzung wird eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr begründet, die regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden kann7. Die durch die begangene Verletzung eines Schutzrechts begründete tatsächliche Vermutung für die Gefahr einer erneuten Verletzung dieses Schutzrechts ist aber auch dann ausgeräumt, wenn dessen Schutzfrist abgelaufen ist. Eine solche Veränderung des Rechtsbestands eines Schutzrechts ist in der Revisionsinstanz auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erst nach der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz eingetreten ist8.
Die vorliegend am 17.08.1962 aufgenommenen Filmeinzelbilder waren gemäß §§ 1, 3, 15 KUG urheberrechtlich als Werke der Fotografie geschützt.
Der Schutz von Werken der Fotografie endete nach der damals maßgeblichen Fassung des § 26 KUG grundsätzlich mit dem Ablauf von 25 Jahren seit dem Erscheinen des Werkes (§ 26 Satz 1 KUG) und für den Fall, dass das Werk bis zum Tod des Urhebers noch nicht erschienen war, mit dem Ablauf von 25 Jahren seit dem Tod des Urhebers (§ 26 Satz 2 KUG).
Durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Urheberrechts vom 24.06.1985 wurde die Schutzfrist für Lichtbilder, die Dokumente der Zeitgeschichte sind, auf 50 Jahre nach dem Erscheinen des Lichtbilds und für den Fall, dass das Lichtbild innerhalb von 50 Jahren nach seiner Herstellung nicht erschienen war, auf 50 Jahre nach der Herstellung des Lichtbildes verlängert (§ 72 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 UrhG [1985]). Zugleich wurde bestimmt, dass die Frist mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem das für den Beginn der Frist maßgebliche Ereignis eingetreten ist (§ 72 Abs. 3 Satz 2, § 69 UrhG [1985]).
Diese Regelung ist auf die hier in Rede stehenden Lichtbilder anwendbar. Zum einen ist die Schutzfristverlängerung in entsprechender Anwendung der unmittelbar für Lichtbildwerke geltenden Übergangsregelung des § 137a Abs. 1 UrhG auch auf Lichtbilder anzuwenden, deren Schutzdauer am 1.07.1985 nach dem bis dahin geltenden Recht noch nicht abgelaufen war9; die 25jährige Schutzdauer der am 17.08.1962 aufgenommenen Filmeinzelbilder war am 1.07.1985 selbst dann nicht abgelaufen, wenn sie bereits mit dem Tag der Aufnahme begonnen hat. Zum anderen handelt es sich bei diesen Lichtbildern um Dokumente der Zeitgeschichte, da sie eine historisch bedeutsame Situation wiedergeben10.
Durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 23.06.1995 wurde die Schutzfrist für Lichtbilder mit Wirkung zum 1.07.1995 abermals neu geregelt. Gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 UrhG erlischt das Schutzrecht nunmehr 50 Jahre nach dem Erscheinen des Lichtbildes oder, wenn seine erste erlaubte öffentliche Wiedergabe früher erfolgt ist, nach dieser, jedoch bereits 50 Jahre nach der Herstellung, wenn das Lichtbild innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder erlaubterweise öffentlich wiedergegeben worden ist.
Für Lichtbilder, die – wie die hier in Rede stehenden – vor dem 1.07.1995 geschaffen worden sind, gilt die Regelung, dass die Schutzfrist bereits mit der ersten erlaubten öffentlichen Wiedergabe beginnt, wenn diese vor dem Erscheinen erfolgte, allerdings erst seit dem 1.07.199511. Ansonsten würde die Schutzdauer vorher entstandener Rechte verkürzt, was der Übergangsregelung des § 137f Abs. 1 Satz 1 UrhG widerspräche.
Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht angenommen werden, dass die Lichtbilder bereits am 17.08.1962 erschienen sind und ihr Schutz daher nach § 72 Abs. 3 UrhG, § 69 UrhG am 31.12 2012 geendet hat.
Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 UrhG ist ein Werk erschienen, wenn mit Zustimmung des Berechtigten Vervielfältigungsstücke des Werkes nach ihrer Herstellung in genügender Anzahl der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind.
Das Erscheinen eines Lichtbildes setzt danach voraus, dass das Lichtbild in körperlicher Form – etwa als Abzug – an die Öffentlichkeit gelangt11; auch die Eingabe digitalisierter Bilder in elektronische Bildarchive kann danach als Erscheinen einzustufen sein12. Die Veröffentlichung eines Lichtbildes in unkörperlicher Form – beispielsweise durch Sendung – genügt dagegen nicht.
Die Lichtbilder sind danach – anders als das Landgericht und ihm folgend das Berufungsgericht wohl angenommen haben – nicht dadurch erschienen, dass der Film noch am Tag seiner Aufnahme am 17.08.1962 gesendet wurde. Es sind bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob und gegebenenfalls wann die Lichtbilder innerhalb von 50 Jahren nach ihrer Herstellung am 17.08.1962 erschienen sind. Es kann daher nicht beurteilt werden, ob ihre 50jährige Schutzfrist zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz am 18.09.2013 abgelaufen war.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Februar 2014 – I ZR 86/12
- Anschluss an BGH, Urteil vom 20.07.2010 EnZR 23/09, NJW 2011, 212 – Stromnetznutzungsentgelt IV; Urteil vom 11.10.2012 – VII ZR 10/11, NJW 2012, 3569; Urteil vom 29.01.2013 – EnZR 16/12 13[↩]
- vgl. Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 72 Rn. 5[↩]
- Kunst-Urhebergesetz – KUG[↩]
- vgl. Schulze, GRUR 1994, 855, 860 mwN[↩]
- vgl. Katzenberger in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 95 UrhG Rn. 3; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 95 Rn. 2[↩]
- vgl. zum Verhältnis des Leistungsschutzes an Fernsehsendungen zum Leistungsschutz an einzelnen Bildern der Sendung BGH, Beschluss vom 27.02.1962 – I ZR 118/60, BGHZ 37, 1, 10 – AKI[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.07.2008 – I ZR 219/05, GRUR 2008, 996 Rn. 33 = WRP 2008, 1449 – Clone-CD[↩]
- vgl. zum Markenrecht BGH, Urteil vom 24.02.2000 – I ZR 168/97, GRUR 2000, 1028, 1030 = WRP 2000, 1148 – Ballermann, mwN[↩]
- vgl. OLG Hamburg, GRUR 1990, 717, 720; Katzenberger in Schricker/Loewenheim aaO § 137a UrhG Rn. 4[↩]
- vgl. dazu OLG Hamburg, GRUR 1990, 717, 719 f.; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 72 Rn. 35[↩]
- vgl. Schulze in Dreier/Schulze aaO § 72 Rn. 37[↩][↩]
- vgl. Maaßen, ZUM 1992, 338, 342 f.[↩]