Bildberichterstattung vom Mieterfest
Ist eine Bildberichterstattung über das Mieterfest einer Wohnungsbaugenossenschaft in deren an ihre Mieter gerichteten Informationsbroschüre zulässig? Mit dieser Frage hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen. Nach Ansicht des Bundsgerichtshofs hat der Mieter in einem solchen Fall bereits deshalb keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der Veröffentlichung des beanstandeten Bildnisses, weil dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und berechtigte Interessen der Abgebildeten nicht verletzt wurden (§ 23 Abs. 2 KUG). Auf die Zulassungsfrage nach der Reichweite des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG kam es für den Bundesgerichtshof deshalb nicht an.
Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen1, das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben2 als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht3. Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für die Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
Nach diesen Grundsätzen war die von den Mieterinnen angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig.
Bei dem beanstandeten Foto der Mieterinnen handelte es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Schon die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten der Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Medien aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits4. Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Dazu können auch Veranstaltungen von nur regionaler oder lokaler Bedeutung gehören5. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen und es bedarf gerade bei unterhaltenden Inhalten im besonderen Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen6. Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln.
Die Bildberichterstattung in der Informationsbroschüre der Wohnungsbaugenossenschaft befasst sich mit dem – jährlich stattfindenden – Mieterfest der beklagten Wohnungsbaugenossenschaft im August 2010 und zeigt repräsentativ auf insgesamt zehn Bildern Teilnehmer, sowohl in Gruppen, als auch einzeln. Die Bilder fangen Szenen des Mieterfestes ein, die ein harmonisches Zusammensein von Jung und Alt in fröhlicher und entspannter Atmosphäre zeigen. Die Bildberichterstattung vermittelt den Eindruck, dass Mitbewohner aller Altersgruppen das Fest genossen haben und zwischen ihnen gute nachbarschaftliche Beziehungen bestehen. In diesen Zusammenhang passt gerade das Bild der Mieterinnen, welches drei Generationen vereint. Zwar gibt es – außer dem Hinweis auf das Mieterfest und der Ankündigung der entsprechenden Veranstaltung im Folgejahr – keine begleitende Textberichterstattung, doch bereits durch die Auswahl der gezeigten Fotos wird dem Leser – so zutreffend das Berufungsgericht – ein Eindruck über dessen Verlauf vermittelt. Das Mieterfest ist ein Ereignis von lokaler gesellschaftlicher Bedeutung. Die Informationsbroschüre der Wohnungsbaugenossenschaft, in der über das Fest berichtet wurde, war an ihre Mieter gerichtet, also an den (beschränkten) Personenkreis, der üblicherweise an dem Fest teilnahm und entsprechend der Ankündigung eingeladen war, im Folgejahr teilzunehmen. Das Recht, über solche zeitgeschichtlichen Ereignisse aus dem gesellschaftlichen Bereich zu berichten, steht grundsätzlich auch der Wohnungsbaugenossenschaft zu, wenn sie eine Informationsbroschüre herausgibt; denn auch eine solche Broschüre gehört zu den Medien. Die Wohnungsbaugenossenschaft kann sich – wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat – unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auf ein schützenswertes Interesse berufen, ihre Genossenschaftsmieter im Bild über den Ablauf und die Atmosphäre der Veranstaltung zu informieren. Die Bildberichterstattung der Wohnungsbaugenossenschaft über das Mieterfest in ihrer Informationsbroschüre an ihre Mieter erfüllt eine wichtige Funktion, denn ein solches Fest pflegt und schafft gute nachbarschaftliche Beziehungen. Die Berichterstattung vermittelt den Eindruck, dass die Mitbewohner sich in der Wohnungsbaugenossenschaft wohlfühlen und es sich lohnt, dort Mitglied bzw. Mieter zu sein.
Die Beeinträchtigung der Rechte der Mieterinnen durch das – ohne Namensnennung – veröffentlichte Foto ist dagegen gering. Es handelte sich um ein für alle Mieter und Mitbewohner zugängliches Fest, über welches die Wohnungsbaugenossenschaft nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schon in den Vorjahren in ihrer Mieterbroschüre in Bildern berichtet hatte. Insofern war zu erwarten, dass in entsprechender Weise auch über das Mieterfest 2010 berichtet werden würde. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass das Foto heimlich angefertigt wurde, auch wenn die Mieterinnen die Anfertigung der konkreten Aufnahmen möglicherweise nicht bemerkt haben. Die Informationsbroschüre der Wohnungsbaugenossenschaft wurde schließlich nur an ihre Mieter verteilt, mithin an einen begrenzten Adressatenkreis, aus dem die Teilnehmer des Mieterfestes stammten. Die Revision macht schließlich nicht geltend, dass die Veröffentlichung des Bildes die kindgerechte Entwicklung der Mieterin zu 3 beeinträchtigen könnte. Dafür ist auch nichts ersichtlich.
Der Verbreitung des beanstandeten Bildnisses stehen auch keine besonderen schützenswerten Interessen der Mieterinnen entgegen (§ 23 Abs. 2 KUG). Das Bild ist in keiner Weise unvorteilhaft oder ehrverletzend. Entsprechendes macht die Revision auch nicht geltend.
War mithin die von den Mieterinnen angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig, besteht weder ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten noch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. April 2014 – VI ZR 197/13
- vgl. grundlegend BGH, Urteile vom 06.03.2007 – VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff.; vom 18.10.2011 – VI ZR 5/10, VersR 2012, 116 Rn. 8 f.; vom 22.11.2011 – VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 23 f.; vom 18.09.2012 – VI ZR 291/10, VersR 2012, 1403 Rn. 25 f.; und vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12, VersR 2013, 1178 Rn. 10, jeweils mwN[↩]
- vgl. BVerfGE 120, 180, 201 ff.[↩]
- vgl. EGMR NJW 2004, 2647; 2006, 591 sowie NJW 2012, 1053 und 1058[↩]
- vgl. etwa BGH, Urteil vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12, aaO Rn. 12 mwN[↩]
- vgl. zu Sportveranstaltungen BGH, Urteil vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12, aaO[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 01.07.2008 – VI ZR 67/08, VersR 2008, 1411 Rn.20 und – VI ZR 243/06, VersR 2008, 1506 Rn.20; vom 13.04.2010 – VI ZR 125/08, VersR 2010, 1090 Rn. 14; und vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12, aaO Rn. 12 f.[↩]