Der Sharehosting-Dienst – und die Urheberrechtsverletzungen
Der Bundesgerichtshof hatte aktuell in sechs Verfahren über die Haftung des Betreibers des Internetsharehosting-Dienstes „uploaded“ für von Dritten auf der Plattform bzw. unter Nutzung des Dienstes begangene Urheberrechtsverletzungen zu entscheiden:
Der Sharehosting-Dienst „uploaded“ bietet jedermann kostenlos Speicherplatz für das Hochladen von Dateien beliebigen Inhalts. Für jede hochgeladene Datei erstellt die Betreiberin automatisch einen elektronischen Verweis (Download-Link) auf den Dateispeicherplatz und teilt diesen dem Nutzer automatisch mit. Die Plattformbetreiberin bietet für die bei ihr abgespeicherten Dateien weder ein Inhaltsverzeichnis noch eine entsprechende Suchfunktion. Allerdings können Nutzer die Download-Links in sogenannte Linksammlungen im Internet einstellen. Diese werden von Dritten angeboten und enthalten Informationen zum Inhalt der auf „uploaded“ gespeicherten Dateien. Auf diese Weise können andere Nutzer auf die auf den „uploaded“-Servern abgespeicherten Dateien zugreifen. Der Download von Dateien von der Plattform der Plattformbetreiberin ist kostenlos möglich. Allerdings sind Menge und Geschwindigkeit für nicht registrierte Nutzer und solche mit einer kostenfreien Mitgliedschaft beschränkt. Zahlende Nutzer haben, bei Preisen zwischen 4, 99 € für zwei Tage bis 99, 99 € für zwei Jahre, ein tägliches Downloadkontingent von 30 GB bei unbeschränkter Downloadgeschwindigkeit. Zudem zahlt die Plattformbetreiberin den Nutzern, die Dateien hochladen, Downloadvergütungen, und zwar bis zu 40 € für 1.000 Downloads.
Der „uploaded“-Dienst wird sowohl für legale Anwendungen genutzt als auch für solche, die Urheberrechte Dritter verletzen. Die Plattformbetreiberin erhielt bereits in der Vergangenheit in großem Umfang Mitteilungen über die Verfügbarkeit rechtsverletzender Inhalte von im Auftrag der Rechtsinhaber handelnden Dienstleistungsunternehmen. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattformbetreiberin ist es den Nutzern untersagt, über die „uploaded“-Plattform Urheberrechtsverstöße zu begehen.
Die Rechteinhaberinnen in zwei der jetzt entschiedenen Verfahren1 sind Verlage, die Rechteinhaberinnen in zwei weiteren Verfahren2 sind Musikunternehmen. In einem Verfahren3 hat die GEMA geklagt und im sechsten Verfahren4 ist Rechteinhaberin ein Filmunternehmen. Die Rechteinhaberinnen sehen jeweils Rechtsverletzungen darin, dass über die externen Linksammlungen Dateien auf den „uploaded“-Servern erreichbar seien, die Werke enthielten, an denen ihnen beziehungsweise im Gema-Verfahren3 den Rechtsinhabern, deren Rechte die GEMA wahrnehme, Nutzungsrechte zustünden. Außer in den Verfahren – I ZR 57/17 und – I ZR 135/18 haben die Rechteinhaberinnen die Plattformbetreiberin in erster Linie als Täterin, hilfsweise als Teilnehmerin und weiter hilfsweise als Störerin auf Unterlassung sowie auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht beantragt. In dem von dem Filmunternehmen betriebenen Verfahren4 wird die Plattformbetreiberin nur auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht und in einem Verfahren5 auf Unterlassung und Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen.
In vier der Verfahren6 hat das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht München – I die Plattformbetreiberin wegen Teilnahme an den Rechtsverletzungen zur Unterlassung verurteilt, sofern dies beantragt war, und den Anträgen auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht stattgegeben7. In den beiden weiteren Verfahren2 haben die Landgerichte München – I und Hamburg die Plattformbetreiberin erstinstanzlich als Störerin zur Unterlassung und in Verfahren5 darüber hinaus zum Ersatz von Rechtsanwaltskosten verurteilt8. Im Übrigen haben die Landgerichte die Klagen abgewiesen.
In der Berufungsinstanz haben das Oberlandesgericht München und das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg angenommen, die Plattformbetreiberin sei nur als Störerin zur Unterlassung und in einem Verfahren5 zudem zum Ersatz von Rechtsanwaltskosten verpflichtet; im Übrigen haben sie die Klagen abgewiesen9. In zwei der Verfahren10 haben die Oberlandesgerichte München und Hamburg darüber hinaus angenommen, dass sich hinsichtlich einzelner Werke nicht feststellen lasse, dass die Plattformbetreiberin diesbezüglich Prüfpflichten verletzt habe; insoweit haben sie die Klagen vollständig abgewiesen.
Mit den in einem Verfahren5 vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg und im Übrigen vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revisionen verfolgen die Rechteinhaberinnen ihre Klageanträge weiter. Der Bundesgerichtshof hat zunächst eines der Verfahren11 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur Vorabentscheidung vorgelegt12. Die übrigen Revisionsverfahren13 hat der Bundesgerichtshof bis zur Entscheidung des Unionsgerichts ebenfalls ausgesetzt. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat über diese vom Bundesgerichtshof vorgelegten Rechtsfragen durch Urteil vom 22.06.202114 entschieden. Für den Betreiber einer Sharehosting-Plattform gelten nach der Vorabentscheidung des Unionsgerichtshofs dieselben Grundsätze wie für den Betreiber einer Video-Sharing-Plattform.
In Umsetzung dieser Vorabentscheidung des Unionsgerichtshofs hat nun der Bundesgerichtshof in sämtlichen Verfahren den Revisionen der Rechteinhaberinnen stattgegeben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Oberlandesgerichte zurückverwiesen:
In den fünf „Münchener“ Verfahren15 bestehen gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Plattformbetreiberin keine hinreichenden technischen Maßnahmen ergriffen hat, weil die von ihr eingesetzten proaktiven Maßnahmen (Stichwortfilter beim Download, Hashfilter, einige manuelle Kontrollen und Recherchen in Linkressourcen) Urheberrechtsverletzungen nicht hinreichend effektiv entgegenwirken und die weiteren von der Plattformbetreiberin angeführten Maßnahmen (Bereitstellung eines „Abuse-Formulars“ und eines „Advanced-Take-Down-Tools“) lediglich reaktiv und daher ebenfalls unzureichend sind. Es bestehen zudem gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, dass das Geschäftsmodell der Plattformbetreiberin auf der Verfügbarkeit rechtsverletzender Inhalte beruht und die Nutzer dazu verleiten soll, rechtsverletzende Inhalte über die Plattform der Plattformbetreiberin zu teilen. Für eine abschließende Beurteilung sind allerdings noch tatsächliche Feststellungen zu treffen. Sind die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nach dem im Handlungszeitpunkt geltenden Recht begründet, ist zudem zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe auch nach dem seit dem 1.08.2021 geltenden Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten vorliegen.
Im sechsten, „Hamburger“ Verfahren5 sind nach den vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe der Plattformbetreiberin nach der Rechtslage im Handlungszeitpunkt erfüllt, weil die Plattformbetreiberin ihre durch den Hinweis auf die klare Verletzung der Rechte der Rechteinhaberin am genannten Musikalbum ausgelöste Pflicht verletzt hat, unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang zu diesen Inhalten zu verhindern. Die durch den Hinweis der Rechteinhaberin ausgelöste Prüfungspflicht umfasste sowohl die Pflicht zur unverzüglichen Verhinderung des Zugangs zur konkret beanstandeten Datei und zu weiteren, im Zeitpunkt der Beanstandung bereits hochgeladenen gleichartigen rechtsverletzenden Inhalten als auch die Pflicht zur Vorsorge, dass es künftig nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt. Auch hier ist allerdings noch zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe nach dem seit dem 1.08.2021 geltenden Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten vorliegen.
Bundesgerichtshof, Urteile vom 2. Juni 2022 – I ZR 53/17 – I ZR 54/17 – I ZR 55/17 – I ZR 56/17 – I ZR 57/17 und I ZR 135/18
- BGH – I ZR 53/17 und – I ZR 54/17[↩]
- BGH – I ZR 55/17 und – I ZR 135/18[↩][↩]
- BGH – I ZR 56/17[↩][↩]
- BGH – I ZR 57/17[↩][↩]
- BGH – I ZR 135/18[↩][↩][↩][↩][↩]
- BGH – I ZR 53/17, – I ZR 54/17, – I ZR 56/17 und – I ZR 57/17[↩]
- LG München I, Urteile vom 18.03.2016 – 37 O 6199/14; vom 31.03.2016 – 7 O 6201/14; vom 20.08.2016 – 21 O 6197/14; und vom 31.03.2016 – 7 O 6202/14[↩]
- LG München I, Urteil vom 31.03.2016 – 33 O 6198/14; LG Hamburg, Urteil vom 07.08.2016 – 310 O 208/15[↩]
- OLG München, Urteile vom 02.03.2017 – 29 U 1797/16; 29 U 1818/16; 29 U 2874/16; 29 U 3735/16 und 29 U 1819/16; OLG Hamburg, Urteil vom 28.06.2018 – 5 U 150/16[↩]
- BGH – I ZR 53/17 und – I ZR 135/18[↩]
- BGH – I ZR 53/17[↩]
- BGH, Beschluss vom 20.09.2018 – I ZR 135/18 – „uploaded I“[↩]
- BGH – I ZR 54/17, – I ZR 55/17, – I ZR 56/17, – I ZR 57/17 und – I ZR 135/18[↩]
- EuGH, Urteil vom 22.06.2021 – C682/18 und C683/18 „YouTube und Cyando“[↩]
- BGH – I ZR 53/17, – I ZR 54/17, – I ZR 55/17, – I ZR 56/17, und – I ZR 57/17[↩]