Illegales Filesharing – und die Abmahnkosten
Die durch das Gesetz über unseriöse Geschäftspraktiken vom 01.10.20131 mit Wirkung ab dem 9.10.2013 eingeführten Neuregelungen zur Wirksamkeit der Abmahnung und zur Deckelung der erstattungsfähigen Kosten nach § 97a Abs. 2 und 3 Satz 2 und 3 UrhG nF gelten erst für Abmahnungen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes über unseriöse Geschäftspraktiken ausgesprochen worden sind.
Bei vor diesem Stichtag ausgesprochene Abmahnungen ist auf den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten § 97a UrhG in der bis zum 8.10.2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten kommt es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an2.
Nach § 97a Abs. 1 UrhG aF soll der Verletzte den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Danach besteht ein Anspruch auf Abmahnkostenersatz, wenn die Abmahnung begründet gewesen ist, ihr also ein materieller Unterlassungsanspruch zugrunde gelegen hat. Darüber hinaus muss die Abmahnung wirksam und erforderlich sein, um dem Unterlassungsschuldner einen Weg zu weisen, den Unterlassungsgläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen3. Diese Voraussetzungen sind gegeben.
Die Annahme des Landgerichts Bochum, der Gegenstandswert, aus dem die erstattungsfähigen Kosten der anwaltlichen Abmahnung zu berechnen sind, sei stets mit dem Doppelten des erstattungsfähigen Lizenzschadens anzusetzen4, hält der rechtlichen Nachprüfung durch den Bundesgerichtshof nicht stand.
Der Gegenstandswert einer Abmahnung wegen Verletzung eines Schutzrechtes ist nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen5. Auch die Beurteilung der Angemessenheit des vom Anspruchsteller angesetzten Gegenstandswerts liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Seine Entscheidung ist daher durch das Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob das Ermessen überhaupt und in den ihm gesetzten Grenzen ausgeübt worden ist und alle für seine Ausübung wesentlichen Umstände beachtet worden sind6. Einer solchen Überprüfung hält das Berufungsurteil des Landgerichts Bochum nicht stand.
Im Ausgangspunkt zutreffend ist das LG Bochum davon ausgegangen, dass der Gegenstandswert der Abmahnung dem Wert des mit der Abmahnung allein geltend gemachten Unterlassungsanspruchs entspricht.
Das LG Bochum hat ferner angenommen, der Wert des vom Rechteinhaber mit der Abmahnung verfolgten Unterlassungsbegehrens sei mit dem Doppelten einer fiktiven Lizenzgebühr anzusetzen. Dem kann nicht zugestimmt werden.
Der Wert eines Unterlassungsanspruches bestimmt sich nach dem Interesse des Anspruchstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße. Dieses Interesse ist pauschalierend unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu bewerten7 und wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für den Inhaber des verletzten Schutzrechts bestimmt8.
Anhaltspunkte für die Beurteilung der mit dem Unterlassungsanspruch abzuwehrenden Gefährdung der Interessen des Inhabers eines nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts sind sowohl der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts als auch die Intensität und der Umfang der Rechtsverletzung (sogenannter Angriffsfaktor9). Der Angriffsfaktor wird insbesondere durch die Stellung des Verletzers und des Verletzten, die Qualität der Urheberrechtsverletzung, den drohenden Verletzungsumfang, die Art der Begehung des Rechtsverstoßes und eine hierdurch etwa begründete Gefahr der Nachahmung durch Dritte sowie subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers wie den Verschuldensgrad bestimmt10.
Das mit dem Unterlassungsbegehren verfolgte Interesse des Anspruchstellers ist darauf gerichtet, in Zukunft weitere oder fortgesetzte Rechtsverletzungen zu unterbinden. Der Gefährlichkeit der bereits begangenen Verletzungshandlung kommt bei der Wertbemessung Indizwirkung zu. Allerdings kann auch anderen, von der Verletzungshandlung unabhängigen Faktoren etwa dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Zuwiderhandlungen – Rechnung zu tragen sein11.
Diesen Maßstäben wird eine Wertbemessung, die sich allein an der Höhe des Lizenzschadensersatzes orientiert, nicht gerecht.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird der Wert des auf die Verletzung von Urheberrechten gestützten Unterlassungsanspruchs verschiedentlich auf der Grundlage der für die geschehene Nutzungshandlung anzusetzenden Lizenzgebühr berechnet12. Diesen Entscheidungen liegt die Erwägung zugrunde, dass das Interesse des Rechtsinhabers an der Abwehr künftiger Rechtsverletzungen im Einzelfall vorrangig dem Interesse entsprechen kann, die eigene Lizenzierung vergleichbarer Nutzungen sicherzustellen, während andere Faktoren wie die Beeinträchtigung anderweitiger Auswertungsmöglichkeiten, die Gefahr der Nachahmung des Rechtsverstoßes, Intensität und Dauer der Verletzungshandlung und der Verschuldensgrad auf Verletzerseite in den Hintergrund treten13.
Eine schematische Bestimmung des Gegenstandswertes eines Unterlassungsanspruches auf der Grundlage eines Mehrfachen der für die bereits geschehene Nutzung anzusetzenden fiktiven Lizenzgebühr trägt allerdings weder der unterschiedlichen Funktion von Schadensersatz- und Unterlassungsanspruch Rechnung, noch ist sie mit dem bei jeder Wertbestimmung nach pflichtgemäßem Ermessen zu beachtenden Gebot der Abwägung aller Umstände des Einzelfalles in Einklang zu bringen14.
Zwar ist das Interesse des Unterlassungsgläubigers an der Unterbindung künftiger Verletzungen eines urheberrechtlich geschützten Rechts auch anhand des wirtschaftlichen Wertes des verletzten Schutzrechts zu bestimmen und dieser schlägt sich unter anderem in den Lizenzeinnahmen nieder, die ein Rechtsinhaber bei der Auswertung eines Werkes üblicherweise für vergleichbare Nutzungshandlungen erzielen kann15. Dass die Erteilung einer Lizenz im Falle der widerrechtlichen Zugänglichmachung durch Bereitstellung eines Werkes in einer Internettauschbörse tatsächlich nicht in Betracht kommt, steht dabei der Heranziehung einer sogenannten fiktiven Lizenz nicht entgegen, weil es sich hierbei um einen normativen Maßstab handelt, der nicht voraussetzt, dass es bei korrektem Verhalten des Verletzers tatsächlich zum Abschluss eines Lizenzvertrags gekommen wäre16.
Der Wert des verletzten Schutzrechtes und dessen drohende Beeinträchtigung durch künftige Verletzungen wird jedoch nicht allein durch die für eine konkrete Nutzungshandlung zu erzielenden fiktiven Lizenzeinnahmen, sondern auch durch die dem Rechtsinhaber insgesamt zu Gebote stehenden Auswertungsmöglichkeiten bestimmt, deren Verwirklichung durch künftige Rechtsverletzungen beeinträchtigt zu werden droht. Neben der – je nach Art des verletzten Rechts – in Betracht zu ziehenden Beeinträchtigung verschiedener Verwertungsarten können auch Faktoren wie die Aktualität und Popularität des Werkes, dessen künftige Nutzung durch den Unterlassungsschuldner unterbunden werden soll, von Bedeutung sein.
Die vom Verletzer auf der Grundlage der Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG) für eine bereits erfolgte Nutzung als Schadensersatz zu entrichtende fiktive Lizenzgebühr dient dem Ausgleich der Einbußen, die der Rechtsinhaber durch den widerrechtlichen Eingriff in die ihm zustehenden Verwertungsrechte erlitten hat. Bei der Bewertung des Interesses des Rechtsinhabers an der Abwehr künftiger Verletzungshandlungen muss hingegen nicht nur dem Interesse an der Verhinderung fortgesetzter unlizenzierter Nutzungen Rechnung getragen werden, sondern es ist auch das einer fortgesetzten Rechtsverletzung innewohnende Gefährdungspotential für das Schutzrecht und seine wirtschaftliche Auswertung zu berücksichtigen17. Die Bereitstellung eines Werkes über eine Tauschbörse im Internet eröffnet einer unbegrenzten Vielzahl von Tauschbörsenteilnehmern die Möglichkeit, das Werk kostenlos herunterzuladen und anschließend anderen Nutzern zum Herunterladen zur Verfügung zu stellen. Ein solcher Eingriff in die urheberrechtlich geschützten Verwertungsrechte stellt die kommerzielle Auswertung des Werkes insgesamt in Frage18. Demgegenüber tritt das Interesse des Rechtsinhabers an der Verhinderung einer fortgesetzten unlizenzierten Nutzung in den Hintergrund.
Das Gefährdungspotential, welches dem Bereitstellen eines Werkes in einer Internettauschbörse innewohnt, ist mit Blick auf das konkrete Streitverhältnis zu bestimmen. Für generalpräventive Erwägungen, mit denen Dritte von Rechtsverletzungen abgeschreckt werden sollen, ist bei der Bewertung eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs kein Raum19.
Anhaltspunkte für die Bewertung des Unterlassungsanspruchs lassen sich der Qualität und Intensität der bereits erfolgten Verletzungshandlung entnehmen20. Als für die Bemessung des Gegenstandswerts heranzuziehende Kriterien kommen danach beispielsweise Dauer und Häufigkeit der dem Unterlassungsschuldner zuzurechnenden Downloadangebote sowie die Anzahl der zum Herunterladen bereitgehaltenen Werke in Betracht. Darüber hinaus können soweit feststellbar auch subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers in den Blick zu nehmen sein.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verletzers Urheberrechtsverletzers können nicht zu einer Minderung des für die Kosten der Abmahnung anzusetzenden Gegenstandswertes führen. Die Bestimmung des § 12 Abs. 4 UWG in der bis zum 8.10.2013 geltenden Fassung, nach der es bei der Bemessung des Streitwertes für Unterlassungsansprüche wertmindernd zu berücksichtigen ist, wenn die Belastung einer der Parteien mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert angesichts ihrer Vermögens- und Einkommensverhältnisse nicht tragbar erscheint, ist auf urheberrechtliche Abmahnungen nicht entsprechend anwendbar21.
Im Streitfall fehlt es an vom LG Bochum festgestellten greifbaren Anhaltspunkten dafür, dass den in die Bemessung des Gegenstandswerts einzubeziehenden Faktoren durch eine Verdoppelung der fiktiven Lizenzgebühr hinreichend Rechnung getragen wäre. Die Ausführungen des Landgerichts Bochum lassen zudem nicht erkennen, dass es bei der Ausübung seines Ermessens die weiteren, im vorliegenden Einzelfall relevanten Kriterien berücksichtigt hat.
Eine Bestimmung des Gegenstandswertes der Abmahnung, die den vorgenannten Bemessungskriterien Rechnung trägt, ist im Streitfall auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Aufwendungsersatzanspruch des Rechteinhabers gemäß § 97a Abs. 2 UrhG in der bis zum 8.10.2013 geltenden Fassung auf 100 € beschränkt wäre, mit der Folge, dass dem Rechteinhaber jedenfalls kein höherer Aufwendungsersatz zugesprochen werden könnte, als ihn das LG Bochum dem Rechteinhaber bereits zuerkannt hat.
Nach § 97a Abs. 2 UrhG aF beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 €. Ein Eingreifen dieser Ausnahmeregelung, deren Voraussetzungen der Unterlassungsschuldner darzulegen und soweit erforderlich zu beweisen hat22, setzt neben einer erstmaligen Abmahnung und einer außerhalb des geschäftlichen Verkehrs geschehenen Rechtsverletzung einen einfach gelagerten Streitfall und eine nur unerhebliche Rechtsverletzung voraus. Davon, dass diese Voraussetzungen im Streitfall vorliegen, kann auf der Grundlage der vom LG Bochum getroffenen Feststellungen nicht ausgegangen werden.
Ein Streitfall ist einfach gelagert, wenn er nach Art und Umfang ohne größeren Arbeitsaufwand zu bearbeiten ist, also zur Routine gehört23. Für die Einordnung einer Rechtssache als einfach kommt es darauf an, wie leicht ein Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht aufzuklären ist und wie leicht die aufgeworfenen Rechtsfragen zu beantworten sind. Von einem einfach gelagerten Streitfall ist daher auszugehen, wenn der Sachverhalt überschaubar, im Wesentlichen unstreitig oder ohne aufwendige Beweiserhebung und würdigung zu klären ist, und wenn die sich stellenden Rechtsfragen ohne vertiefte Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur zu beantworten sind24.
Aus dem Umstand, dass eine Rechtsverletzung häufig geschieht und daher von den Rechteinhabern auch routinemäßig verfolgt wird, kann für sich genommen nicht auf einen einfach gelagerten Streitfall geschlossen werden25. Vielmehr ist die Frage nach der Haftung des Anschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen grundsätzlich geeignet, sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufzuwerfen26. Ob die Verfolgung einer Urheberrechtsverletzung, die sich durch die Teilnahme an einer Tauschbörse auszeichnet, nach diesen Maßstäben gleichwohl im Einzelfall als einfach gelagert gelten kann, braucht im Streitfall jedoch nicht entschieden werden.
Auf der Grundlage der vom LG Bochum getroffenen Feststellungen kann nicht angenommen werden, dass die hier in Rede stehende Rechtsverletzung unerheblich ist. Das Angebot eines urheberrechtlich geschützten Werkes zum Herunterladen über eine Internettauschbörse stellt regelmäßig keine nur unerhebliche Rechtsverletzung im Sinne von § 97a Abs. 2 UrhG aF dar. Dass im vorliegenden Fall aufgrund besonderer Umstände von dieser Regel eine Ausnahme zu machen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Nach der Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums27 ist das Erfordernis einer unerheblichen Rechtsverletzung nur bei einem Eingriff in das verletzte Schutzrecht erfüllt, dem nach den Umständen des Einzelfalles ein in qualitativer und quantitativer Hinsicht lediglich geringes Ausmaß beizumessen ist. Solche Bagatellverstöße sind etwa die öffentliche Zugänglichmachung eines Stadtplanausschnitts oder eines Liedtextes auf einer privaten Homepage oder die Verwendung eines Lichtbildes zur Illustration eines privaten Angebots bei einer Internetversteigerung28. Von einer unerheblichen Rechtsverletzung ist nur auszugehen, wenn sich die Verletzungshandlung auf einen nach Art und Ausmaß geringfügigen Eingriff in die Rechte des Abmahnenden beschränkt29.
Diese Voraussetzungen sind bei dem Anbieten urheberrechtlich geschützter Gegenstände zum Herunterladen über eine Internettauschbörse regelmäßig nicht erfüllt30.
Das Anbieten urheberrechtlich geschützter Werke zum Herunterladen über eine Internettauschbörse ist grundsätzlich geeignet, die geschützten Rechte und wirtschaftlichen Interessen des Rechteinhabers erheblich zu beeinträchtigen. Dies gilt selbst dann, wenn die einzelne Rechtsverletzung für sich genommen kein beträchtliches Ausmaß erreicht31. Vor diesem Hintergrund können auch an das Vorliegen eines nur unerheblichen Eingriffs in die urheberrechtlich geschützte Rechtsposition im Einzelfall keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Die Annahme einer unerheblichen Rechtsverletzung gemäß § 97a Abs. 2 UrhG aF kommt hiernach allenfalls in Betracht, wenn die Rechtsverletzung im Hinblick auf Art und Anzahl der zum Herunterladen bereitgehaltenen Werke und die Dauer und Häufigkeit des im konkreten Fall in Rede stehenden Downloadangebotes von verhältnismäßig geringem Ausmaß ist.
Das Bereithalten eines erst vor kurzer Zeit erschienenen Computerspiels zum Herunterladen stellt keine unerhebliche Rechtsverletzung dar32.
Der Umstand, dass sich der Gesetzgeber entschlossen hat, die in § 97a Abs. 2 UrhG aF vorgesehene Begrenzung des Anspruches auf Erstattung der Kosten der Abmahnung mit Wirkung zum 9.10.2013 durch die in § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG niedergelegte Regelung zu ersetzen, nach der sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1.000 € beschränkt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit dieser Regelung bewusst davon abgesehen, die von ihm beabsichtigte Reduzierung der Belastung mit den Kosten einer Abmahnung bei Urheberrechtsverletzungen, die dem privaten Nutzerverhalten zugerechnet werden können, weiterhin an das Vorliegen einer nur „unerheblichen Rechtsverletzung“ zu knüpfen33. Die hiermit etwa einhergehende Erweiterung des Anwendungsbereichs der Regelungen über die Begrenzung des Erstattungsanspruches kann danach nicht vor dem Inkrafttreten der Neuregelung greifen.
Bei der Bestimmung des angemessenen Gegenstandswerts des Unterlassungsanspruchs ist einerseits dem Wert des verletzten Schutzrechts angemessen Rechnung zu tragen, wobei das Angebot zum Herunterladen eines Spielfilms, eines Computerprogramms oder eines vollständigen Musikalbums regelmäßig einen höheren Gegenstandswert rechtfertigen wird, als er etwa für das Angebot nur eines Musiktitels anzusetzen ist34. Weiter ist die Aktualität und Popularität des Werkes und der Umfang der vom Rechtsinhaber bereits vorgenommenen Auswertung zu berücksichtigen. Wird ein durchschnittlich erfolgreiches Computerspiel nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin öffentlich zugänglich gemacht, so ist regelmäßig ein Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs von nicht unter 15.000 € angemessen. Liegen besondere Umstände vor (z.B. eine in erheblichen Verkaufszahlen zum Ausdruck kommende besondere Popularität), kann auch ein höherer Gegenstandswert anzunehmen sein. Das LG Bochum wird zu prüfen haben, ob vorliegend angesichts der vom Rechteinhaber geltend gemachten Umstände ein Gegenstandswert der Abmahnung von 30.000 € angemessen erscheint.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Mai 2016 – I ZR 43/15
- BGBl I, S. 3714, 3716[↩]
- vgl. zu § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG aF BGH, Urteil vom 28.09.2011 – I ZR 145/12, ZUM 2012, 34 Rn. 8 Tigerkopf mwN; Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 7686 Rn. 11 BearShare; Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 75/14, GRUR 2016, 191 Rn. 56 = WRP 2016, 73 Tauschbörse III[↩]
- BGH, Urteil vom 21.01.2010 – I ZR 47/09, GRUR 2010, 354 Rn. 8 = WRP 2010, 525 Kräutertee; Urteil vom 19.05.2010 – I ZR 140/08, GRUR 2010, 1120 Rn. 16 = WRP 2010, 1495 Vollmachtsnachweis; Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 7/14, GRUR 2016, 184 Rn. 55 ff. = WRP 2016, 66 Tauschbörse II; Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., § 97a UrhG Rn. 50; Dreier/Specht in Dreier/Schulze, UrhG, 5. Aufl., § 97a Rn. 8[↩]
- LG Bochum, Urteil vom 05.02.2015 – I8 S 17/14[↩]
- BGH, Urteil vom 13.11.2013 – X ZR 171/12, GRUR 2014, 206 Rn. 13 = WRP 2014, 317 Einkaufskühltasche; Rohn in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 23 Rn. 10[↩]
- BGH, Urteil vom 26.03.2009 – I ZR 44/06, GRUR 2009, 660 Rn. 22 – Resellervertrag; Urteil vom 12.07.2012 – I ZR 54/11, GRUR 2013, 301 Rn. 56 = WRP 2013, 491 Solarinitiative; BGH, GRUR 2014, 206 Rn. 17 Einkaufskühltasche; Teplitzky/Bacher, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 11. Aufl., Kap. 41 Rn. 92[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2013 – I ZR 174/11, GRUR 2013, 1067 Rn. 12 = WRP 2013, 1364 Beschwer des Unterlassungsschuldners; BGH, GRUR 2014, 206 Rn. 16 Einkaufskühltasche; BGH, Beschluss vom 11.11.2015 – I ZR 151/14 7[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 26.04.1990 – I ZR 58/89, GRUR 1990, 1052, 1053 – Streitwertbemessung; BGH, GRUR 2013, 301 Rn. 56 Solarinitiative; Hirsch in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., Kap. 18 Rn. 28[↩]
- vgl. BGH, GRUR 2014, 206 Rn. 16 Einkaufskühltasche; KG Berlin, ZUM-RD 2011, 543, 544; OLG Brandenburg, ZUM-RD 2014, 347 Rn. 17; OLG Celle, ZUM-RD 2014, 486 Rn. 5; OLG Schleswig, ZUM-RD 2015, 473 Rn. 10; OLG München, BeckRS 2015, 08403 Rn. 6; J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 97 UrhG Rn. 223; Kefferpütz in Wandtke/Bullinger aaO § 105 UrhG Rn. 8; Rachow in Limper/Musiol, Urheber- und Medienrecht, 2011, Kap. 21 Rn. 252; Nordemann-Schiffel in Mayer/Kroiß aaO Anhang – I Abschnitt – V Rn. 13[↩]
- BGH, Beschluss vom 24.02.2011 – I ZR 220/10, AfP 2011, 216 Rn. 5; BGH, GRUR 2013, 1067 Rn. 12 Beschwer des Unterlassungsschuldners; BGH, Beschluss vom 11.11.2015 – I ZR 151/14 7, mwN; Ahrens/Büttner, Der Wettbewerbsprozess, 7. Aufl., Kap. 40 Rn. 39; Teplitzky/Feddersen aaO Kap. 49 Rn. 13 und 16[↩]
- BGH, GRUR 2014, 206 Rn. 16 – Einkaufskühltasche; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2011, 341 Rn. 3; Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn.205; Ahrens/Büttner aaO Kap. 40 Rn. 40; Teplitzky/Feddersen aaO Kap. 49 Rn. 14; Spätgens in Gloy/Loschelder/Erdmann, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl., § 87 Rn. 3[↩]
- vgl. zur öffentlichen Zugänglichmachung von Produktfotografien OLG Braunschweig, GRUR-RR 2012, 93, 94; OLG Hamm, GRUR-RR 2013, 39; OLG Nürnberg, WRP 2013, 667, 668; OLG Brandenburg, NJW-RR 2014, 227, 228 und eines Kartenausschnitts OLG Schleswig, GRUR-RR 2010, 126 sowie in Abgrenzung hierzu OLG Hamm, Urteil vom 17.11.2015 4 U 34/15 173[↩]
- vgl. auch OLG Celle, GRUR-RR 2012, 270 und OLG Hamm, Beschluss vom 23.08.2012 22 W 55/12, juris zur öffentlichen Wiedergabe von Sportsendungen sowie OLG Schleswig, ZUM-RD 2015, 473 und LG Flensburg, ZUM 2016, 299 zum Angebot eines Vervielfältigungsstücks eines nicht autorisierten Konzertmitschnitts; vgl. ferner Saenger/Bendtsen, ZPO, 6. Aufl., § 3 Rn. 15 Stichwort „Urheberrechtsverletzung“; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 3 Rn. 36 Stichwort „Unterlassung“[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 22.01.2015 – I ZR 95/14, WRP 2015, 414 Rn. 2 f.[↩]
- vgl. hierzu OLG Hamm, NJW-RR 2014, 229, 230; OLG Köln, ZUM 2013, 497, 498[↩]
- st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 22.03.1990 – I ZR 59/88, GRUR 1990, 1008, 1009 – Lizenzanalogie; Urteil vom 17.06.1992 – I ZR 107/90, BGHZ 119, 20, 26 – Tchibo/Rolex II; BGH, GRUR 2016, 184 Rn. 49 ff. Tauschbörse II[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 19/14, GRUR 2016, 176 Rn. 80 = WRP 2016, 57 Tauschbörse I; BGH, GRUR 2016, 184 Rn. 73 Tauschbörse II[↩]
- vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 19.04.2012 – I ZB 80/11, BGHZ 195, 257 Rn. 23 Alles kann besser werden[↩]
- OLG Schleswig, GRUR-RR 2010, 126; OLG Celle, GRUR-RR 2012, 270; OLG Brandenburg, NJW-RR 2014, 227, 230; OLG Hamm, NJW-RR 2014, 229; Teplitzky/Feddersen aaO Kap. 49 Rn. 14a; aA J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97a UrhG Rn. 51[↩]
- BGH, GRUR 2014, 206 Rn. 16 – Einkaufskühltasche[↩]
- BGH, GRUR 2016, 176 Rn. 81 Tauschbörse I; GRUR 2016, 184 Rn. 74 Tauschbörse II[↩]
- Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 97a UrhG Rn. 34[↩]
- vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, BT-Drs. 16/5048, S. 49; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 97a Rn. 16[↩]
- vgl. zu § 97a UrhG aF HK-UrhR/Meckel, 3. Aufl., § 97a UrhG Rn. 6; zu § 12 Abs. 4 UrhG in der bis zum 8.10.2013 geltenden Fassung Fezer/Büscher aaO § 12 UWG Rn.208; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 12 Rn. 5.22[↩]
- Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 97a UrhG Rn. 35; aA Faustmann/Ramsperger, MMR 2010, 662, 664[↩]
- J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97a UrhG Rn. 34; Ewert/v. Hartz, MMR 2009, 84, 87[↩]
- BT-Drs. 16/5048, S. 49[↩]
- vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 16/8783, S. 50[↩]
- Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 97a UrhG Rn. 36[↩]
- Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 97a Rn. 16; Wild in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 97a UrhG Rn. 34; BeckOK UrhR/Reber, Stand: 1.03.2013, § 97a UrhG Rn. 23; J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97a UrhG Rn. 3a[↩]
- BGHZ 195, 257 Rn. 23 Alles kann besser werden[↩]
- vgl. OLG Frankfurt, WRP 2014, 1232, 1234; LG Berlin, MMR 2011, 401; LG Köln, ZUM 2011, 350, 352; Urteil vom 12.02.2014 308 O 227/13, juris und Beschluss vom 28.04.2014 308 O 83/14, juris; LG Frankfurt, GRUR-RR 2015, 431, 436; LG Köln, ZUM-RD 2010, 479, 481 und ZUM 2012, 350, 352; AG Hamburg, ZUM-RD 2011, 565, 567; AG München, Urteil vom 07.03.2014 – 158 C 15658/13[↩]
- vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BR-Drs. 219/13, S. 13[↩]
- vgl. BGH, GRUR 2016, 184 Rn. 73 Tauschbörse II[↩]