Löschung eines Facebook-Beitrags

Wurde vor der zwangsweisen Löschung eines Posts bei Facebook eine Anhörung des Betroffenen unterlassen, so dann diese im Prozess um die Wiederfreischaltung nachgeholt werden.

Nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 29.07.20211 sind die Regelungen in den Nutzungsbedingungen, die Facebook in einem Fall der Hassrede eine Befugnis zur Löschung dieses Posts einräumen, unwirksam, weil sie kein Verfahren vorsehen, aufgrund dessen der betroffene Nutzer über die Entfernung umgehend informiert, ihm der Grund dafür mitgeteilt und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung eingeräumt wird, woran sich eine neue Entscheidung mit der Möglichkeit der Wiederfreischaltung des Posts anschließt. Der Pressesenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main befand nun, dass die fehlende Anhörung durch Facebook im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden kann und, wenn diese zu keiner anderen Bewertung führt, der betroffene Nutzer dann nicht die Wiederfreischaltung des Posts beanspruchen kann. Das Löschungsrecht ergebe sich in diesem Fall bei einem vertragswidrigen Post aus dem Nutzungsvertrag.

Im hier entschiedenen Fall stimmte der Facebook-Nutzer Facebook-Nutzer stimmte den im April 2018 geänderten Nutzungsbedingungen von Facebook zu. Im November 2018 postete er im Zusammenhang mit einem Artikel über die gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Afghanen in einer Flüchtlingsunterkunft, in deren Verlauf diese untereinander Messer eingesetzt hatten, u.a.: „Solange diese sich gegenseitig abstechen ist es doch o. k. Ist jemand anderer Meinung? Messer-Emoji“. Facebook löschte diesen Beitrag und sperrte außerdem vorübergehend Teilfunktionen des klägerischen Kontos. Der Facebook-Nutzer begehrte daraufhin vor dem Landgericht unter anderem die Freischaltung des gelöschten Beitrags.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Klage abgewiesen2. Die hiergegen gerichtete Berufung hat auch vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main keinen Erfolg:

Der Facebook-Nutzer habe auch keinen Anspruch auf Wiederfreischaltung des gelöschten Posts, befand das Oberlandesgericht. Der Post sei zwar eine Meinungsäußerung. Er verstoße aber gegen die über die Nutzungsbedingungen einbezogenen Bestimmungen in den Gemeinschaftsstandards zur Hassrede. Der Begriff der Hassrede sei hinreichend transparent und in den Regelungen selbst definiert worden. Erfasst würden u.a. „Angriffe durch eine gewalttätige und entmenschlichende Sprache, durch Aussagen über Minderwertigkeit und durch Aufrufe, Personen auszuschließen und zu isolieren“. Facebook sei auch berechtigt, ein Verbot von Hassrede vorzusehen, „durch das auch nicht strafbare oder rechtsverletzende Meinungsäußerungen erfasst werden“. Sie dürfe den Nutzern ihres Netzwerks bestimmte Kommunikationsstandards vorgeben, die über die strafrechtlichen Vorgaben hinausgingen. Die Verhaltensregeln sollten einen Kodex für „einen respektvollen Umgang miteinander“ enthalten.

Hier verstehe der flüchtige Leser die Äußerung so, dass es dem Facebook-Nutzer „gleichgültig ist bzw. er es in Ordnung finde, wenn afghanische Flüchtlinge sich gegenseitig abstechen“. Dies unterfalle dem Bereich der Hassrede.

Soweit die Löschung des Posts erfolgte, ohne den Facebook-Nutzer umgehend zu informieren und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme mit anschließender Neuentscheidung zu gegeben, könne Facebook sich zwar nicht auf ihre Regelungen zum Entfernungs- und Sperrvorbehalt berufen. Diese seien gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unwirksam.

Facebook sei aber zur Löschung unmittelbar aus dem Nutzungsvertrag berechtigt. Die Verfahrensanforderungen zur Information des Betroffenen über die Löschung ergäben sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Durch die Unwirksamkeit der Klausel über den Entfernungs- und Sperrvorbehalt sei im vertraglichen Gefüge eine Lücke entstanden, die im Wege der Auslegung zu schließen sei. Über diese ergänzende Vertragsauslegung sei Facebook verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung eines Beitrags zu informieren und im Gelegenheit zur Stellungnahme und Neuentscheidung zu geben. Dies sei im Rahmen des hiesigen Prozesses nachgeholt worden. Der anfängliche Anhörungsfehler sei damit nachträglich geheilt worden.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 30. Juni 2022 – 16 U 229/20

  1. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20[]
  2. LG Frankfurt a.M., Urteil vom 03.09.2020 – 2-03 O 282/19[]