Rundfunkbeitrag – und das Unionsrecht
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der an die Wohnung anknüpfende Rundfunkbeitrag im privaten Bereich nach §§ 2 ff. RBStV unionsrechtskonform ist.
Insbesondere bedurfte die Ablösung der gerätebezogenen Rundfunkgebühr durch den wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag nicht nach Art. 108 Abs. 3 Satz 1 und 3 AEUV der vorherigen Zustimmung der Kommission, weil diese Änderung die maßgebenden Faktoren der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht verändert hat.
Ebenso wie die Rundfunkgebühr wird der Rundfunkbeitrag als Gegenleistung für das Rundfunkprogrammangebot erhoben, um die staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Begünstigte sind nach wie vor die Rundfunkanstalten. Zur Finanzierung werden auch weiterhin diejenigen Personen herangezogen, die die Möglichkeit des Rundfunkempfangs haben. Insoweit hat sich lediglich die tatbestandliche Anknüpfung der Erfassung der Pflichtigen geändert. Bei der Einbeziehung der sehr kleinen Gruppe, die nicht im Besitz eines herkömmlichen oder neuartigen Empfangsgeräts, aber ebenfalls beitragspflichtig ist, handelt es sich nicht um eine Änderung der ursprünglichen Finanzierungsregelung in ihrem Kern1.
Die Frage der Vereinbarkeit des Rundfunkbeitrags mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), deren Art. 11 Abs. 1 (nicht Art. 4, wie vom Kläger angegeben) die Informationsfreiheit gewährleistet und deren Art. 21 Abs. 1 ein allgemeines Diskriminierungsverbot enthält, ist ebenfalls nicht klärungsbedürftig. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits entschieden, dass der Anwendungsbereich der Grundrechtecharta hier nicht eröffnet ist2: Die Charta bindet die Mitgliedstaaten gemäß Art. 51 Abs. 1 GRC ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Daher ist das Recht der Mitgliedstaaten nur dann an den Grundrechten der Charta zu messen, wenn es durch Unionsrecht determiniert ist. Diese Voraussetzung liegt in Bezug auf das Rundfunkbeitragsrecht nicht vor. Insbesondere berührt die Beitragspflicht weder die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) noch die Freizügigkeit (Art. 21 AEUV) oder die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV). Die Beitragspflicht verfolgt das Ziel, die Erfüllung der Aufgaben des klassischen Rundfunkauftrags zu gewährleisten. Sie stellt keine normative Einschränkung dieser Grundfreiheiten dar, weil sie ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit für alle Personen im Inland, die Inhaber einer Wohnung i.S.v. § 2 Abs. 2 RBStV sind, gleichermaßen gilt. Anhaltspunkte für eine tatsächliche Schlechterstellung der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegenüber deutschen Staatsangehörigen bestehen nicht. Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union schützen regelmäßig nicht davor, durch die Wohnungsinhaberschaft in einem anderen Mitgliedstaat dort mit rechtlichen Regelungen konfrontiert zu werden, die im Staat des bisherigen Wohnsitzes nicht bestehen. Dies gilt jedenfalls für solche Regelungen, die nicht durch das Unionsrecht determiniert sind3.
Im Übrigen kommt den genannten Bestimmungen der Grundrechtecharta kein weiterreichender Gewährleistungsgehalt zu als den entsprechenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen der Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Dass die Rundfunkbeitragspflicht für Wohnungsinhaber nicht gegen das Grundrecht verstößt, sich aus allgemein zugänglichen Informationsquellen ungehindert zu unterrichten (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG), ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Soweit sich die Beitragspflicht als Beschränkung des Zugangs zu anderen Informationsquellen auswirkt, ist dies hinzunehmen, um den unmittelbar durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Bestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dessen Entwicklung zu gewährleisten4. Der Schutzbereich der negativen Informationsfreiheit wird durch die Rundfunkbeitragspflicht nicht berührt, denn das Recht der Beitragspflichtigen auf eine ablehnende Haltung gegenüber bestimmten medialen Informationsquellen wird nicht eingeschränkt. Selbst wenn aber ein Eingriff in den Schutzbereich der negativen Informationsfreiheit unterstellt wird, wäre dieser – nicht anders als der Eingriff in die positive Informationsfreiheit – zur Gewährleistung des durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Bestands des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dessen Entwicklung gerechtfertigt5.
Ebenfalls in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt ist, dass die Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung einen Verteilungsmaßstab zur Folge hat, der im Hinblick auf die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers als noch vorteilsgerecht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Da es unmöglich ist, die Größe des individuellen Vorteils, das heißt die Nutzungsgewohnheiten der Rundfunkteilnehmer, zu bestimmen, können bei der Festlegung des Verteilungsmaßstabs Gründe der Praktikabilität berücksichtigt werden. Die Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an die Wohnung hat den Vorteil, dass für die Beitragserhebung nur ein Wohnungsinhaber (Bewohner) bekannt sein muss. Ein personenbezogener Maßstab („Pro-Kopf-Beitrag“) erforderte demgegenüber einen größeren Ermittlungsaufwand, ohne zu mehr als nur geringen Verschiebungen der individuellen Beitragsbelastungen zu führen6. Keine im Ergebnis andere Beurteilung gilt für die Beitragspflicht der Inhaber mehrerer Wohnungen. Ihre Inanspruchnahme für jede einzelne Wohnung ist von der dem Gesetzgeber zustehenden Typisierungsbefugnis bei der Beitragsgestaltung gedeckt7.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. Januar 2018 – 6 B 38.18
- BVerwG, Urteile vom 18.03.2016 – 6 C 6.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:180316U6C6.15.0], BVerwGE 154, 275 Rn. 51 f.; vom 15.06.2016 – 6 C 35.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:150616U6C35.15.0] 53 f.; und vom 25.01.2017 – 6 C 15.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:250117U6C15.16.0], Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 79 Rn. 58 f.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 25.01.2017 – 6 C 15.16, Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 79 Rn. 61 f.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 25.01.2017 – 6 C 15.16, Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 79 Rn. 62 unter Bezug auf EuGH, Urteil vom 12.05.1998 – C-336/96 [ECLI:EU:C:1998:221], Gilly/Directeur des services fiscaux du Bas-Rhin[↩]
- BVerwG, Urteile vom 18.03.2016 – 6 C 6.15, BVerwGE 154, 275 Rn. 50; und vom 15.06.2016 – 6 C 35.15 52[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 27.07.2017 – 6 B 12.17 [ECLI:DE:BVerwG:2017:270717B6B12.17.0] – K&R 2017, 742 Rn. 10[↩]
- BVerwG, Urteile vom 18.03.2016 – 6 C 6.15, BVerwGE 154, 275 Rn. 43 ff.; und vom 15.06.2016 – 6 C 35.15 45 ff.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 25.01.2017 – 6 C 15.16, Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 79 Rn. 51 f.[↩]