Urheberrechtsverletzungen und die Vorbeugende Unterwerfungserklärung
Die unaufgeforderte Übersendung einer vorbeugenden Unterwerfungserklärung stellt keinen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines Urheberrechtsberechtigten dar, wenn der Versender zuvor bereits von anderen Rechteinhabern wegen angeblicher Verletzung von Urheberrechten auf Unterlassung in Anspruch genommen worden war.
Der Urheberrechtsberechtigten steht – entgegen der Ansicht des Landgerichts Köln1 – kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1, § 249 Abs. 1 in Verbindung mit § 398 BGB wegen eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs des Versenders in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Urheberrechtsberechtigten zu.
Der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB wird gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährt, wenn die Störung einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb von der Rechtsprechung gewährten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben2. Die Verletzungshandlung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über eine bloße Belästigung oder eine sozial übliche Behinderung hinausgehen3. Unmittelbare Eingriffe in das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb, gegen die § 823 Abs. 1 BGB Schutz gewährt, sind nur diejenigen, die gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen4.
Es kann vorliegend offen bleiben, ob in der unaufgeforderten Übersendung einer mit einem Vertragsstrafeversprechen verbundenen Unterwerfungserklärung tatbestandlich ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Mandanten der Urheberrechtsberechtigten liegt. Dieser ist jedenfalls nicht rechtswidrig.
Das Recht am Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessenund Güterabwägung mit den konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben5.
Das Landgericht Köln6 stützt sich für seine Gegenansicht hauptsächlich auf die Erwägung, dass es dem Versender auch im Falle einer bereits eingegangenen Abmahnung eines Dritten zuzumuten sei, das Verhalten potentieller anderer Anspruchsteller abzuwarten, bevor er zu deren Lasten durch die Abgabe einer vorbeugenden Unterlassungserklärung erhebliche wirtschaftliche Ressourcen binde. Das Berufungsgericht hat dabei den berechtigten Interessen des Versenders nicht das erforderliche Gewicht beigemessen.
Der Versender hat mit der Übersendung der vorbeugenden Unterlassungserklärung den Versuch unternommen, von einer ihm rechtlich zu Gebote stehenden Möglichkeit Gebrauch zu machen, um seine Inanspruchnahme auf Unterlassung durch Mandanten der Urheberrechtsberechtigten zu verhindern und die damit für ihn verbundenen Kosten zu vermeiden. Für das Verhalten des Versenders bestand aus seiner Sicht ein hinreichend begründeter Anlass, da er als Inhaber eines Internetanschlusses bereits von einem anderen Rechteinhaber wegen Verletzung von Urheberrechten auf Unterlassung in Anspruch genommen worden war. Entgegen der Ansicht des Landgerichts Köln kann der Versender in einer derartigen Situation nicht darauf verwiesen werden, zunächst eine Inanspruchnahme durch Mandanten der Urheberrechtsberechtigten abzuwarten und dann eine tatsächliche Vermutung seiner Verantwortlichkeit als Täter oder Störer7 zu entkräften. Dies würde die gesetzlich nicht ausgeschlossenen und für den Versender günstigeren Möglichkeiten einer vorbeugenden Rechtsverteidigung unzumutbar beschränken. In diesem Zusammenhang ist es ohne Bedeutung, ob die Erklärung des Versenders überhaupt geeignet war, eine Wiederholungsgefahr auszuräumen, woran im vorliegenden Fall unter dem Gesichtspunkt der Ernsthaftigkeit der Erklärung Zweifel bestehen. Die Frage der Ersatzpflicht des Versenders kann nicht davon abhängen, ob die abgegebene Erklärung die beabsichtigte rechtliche Wirkung erzielte oder nicht.
Dem Interesse des Versenders, seine Rechtsposition vorbeugend zu verteidigen und der Entstehung von Kostenerstattungsansprüchen entgegenzuwirken, stehen auch keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen der von der Urheberrechtsberechtigten vertretenen Rechteinhaber gegenüber, die durch die Übersendung einer vorbeugenden Unterlassungserklärung unzumutbar beeinträchtigt würden. Die Übersendung einer vorbeugenden Unterlassungserklärung verursacht auf Seiten der Rechteinhaber nicht allein Aufwand und Kosten. Den Rechteinhabern wird dadurch vielmehr auch ein rechtlicher Vorteil verschafft. Sie haben die Möglichkeit, das Angebot zum Abschluss des angetragenen Unterlassungsvertrags unbefristet anzunehmen8.
Der Empfänger einer vorbeugenden Unterlassungserklärung ist zudem nicht verpflichtet, ein Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags anzunehmen. Er braucht daher auch keine Entscheidung über die Annahme des Vertragsangebots zu treffen. Ihm steht es vielmehr frei, eine vorbeugende Unterlassungserklärung keiner weiteren rechtlichen Überprüfung gegebenenfalls durch einen Rechtsanwalt zu unterziehen. Nimmt ein Rechteinhaber ein Angebotsschreiben allerdings zum Anlass, den Inhalt des Vertragsangebots einer rechtlichen Überprüfung zu unterziehen und weitere Nachforschungen über mögliche Rechtsverletzungen des Absenders durchzuführen, beruht der damit verbundene Aufwand auf seinem freien Entschluss und erfolgt allein in seinem eigenen Interesse. Das damit verbundene wirtschaftliche und finanzielle Risiko kann er daher auch nicht auf den Absender abwälzen, sondern muss es selbst tragen.
Aus den vorstehend dargelegten Gründen ist der hier zu beurteilende Sachverhalt entgegen der Auffassung des Landgerichts Köln6 nicht mit der unverlangten Zusendung von Werbe-EMails9 vergleichbar. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die Entgegennahme von Unterwerfungserklärungen mit Vertragsstrafeversprechen für Unternehmen, die zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Position gegen im Internet begangene Verletzungen der ihnen zustehenden urheberrechtlichen Nutzungsrechte vorgehen, zu ihrer Geschäftstätigkeit gehört. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine vorbeugende oder um eine erst auf eine Abmahnung hin abgegebene Unterwerfungserklärung handelt. Auch aus diesem Grund kann die freiwillige Befassung mit einer vorbeugenden Unterlassungserklärung keine rechtswidrige Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs solcher Unternehmen darstellen.
Der Urheberrechtsberechtigten steht der geltend gemachte Anspruch auch nicht aus §§ 683, 670, 677 BGB oder aus § 826 BGB in Verbindung mit § 398 BGB zu. Auch Ansprüche aus § 97 Abs. 2 UrhG oder aus § 97a UrhG in Verbindung mit § 398 BGB scheiden aus.
Dafür, dass die Urheberrechtsberechtigten ein Geschäft des Versenders im Sinne von § 677 BGB geführt hat, ist nichts ersichtlich. Eine Verletzung von Urheberrechten der Mandanten der Urheberrechtsberechtigten durch den Versender hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und ist von der Urheberrechtsberechtigten auch nicht dargelegt worden. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, welche Werke der Rechteinhaber, die von der Urheberrechtsberechtigten vertreten werden, der Versender unbefugt und damit widerrechtlich genutzt haben soll. Anhaltspunkte für eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung liegen ebenfalls nicht vor.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Februar 2013 – I ZR 237/11
- LG Köln, Urteil vom 29.06.2011 – 28 S 2/11[↩]
- BGH, Urteil vom 15.05.2012 – VI ZR 117/11, BGHZ 193, 227 Rn.19[↩]
- BGH, Urteil vom 29.01.1985 – VI ZR 130/83, GRUR 1985, 470, 471; Urteil vom 21.04.1998 – VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 317[↩]
- BGH, Beschluss vom 20.05.2009 – I ZR 218/07, GRUR 2009, 980 Rn. 12 = WRP 2009, 1246 EMail-Werbung II; Urteil vom 22.06.2011 – I ZR 159/10, GRUR 2011, 1018 Rn. 75 = WRP 2011, 1469 Automobil-Onlinebörse; BGHZ 193, 227 Rn. 21 mwN[↩]
- BGHZ 138, 311, 318; BGH, Urteil vom 24.01.2006 – XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 97, jeweils mwN[↩]
- LG Köln, a.a.O.[↩][↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2010 – I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 12 Sommer unseres Lebens[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.09.2009 I ZR 217/07, GRUR 2010, 355 Rn. 21 = WRP 2010, 649 Testfundstelle[↩]
- vgl. dazu BGH, GRUR 2009, 980 Rn. 10 ff. EMail-Werbung II[↩]




