GVR Tageszeitungen (II)
Die Bestimmung des § 32 UrhG umfasst nach ihrem Wortlaut allein eine Vergütung, die dem Urheber für die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung zusteht. Sie regelt mithin lediglich die Vergütung des Urhebers als Gegenleistung für die gemäß § 31 UrhG eingeräumten Nutzungsrechte. Betrifft eine Vereinbarung zwischen Urheber und Werknutzer auch andere Elemente, ist die in § 32 UrhG geregelte Angemessenheitskontrolle allein auf diejenigen Vergütungselemente anwendbar, die auf das eingeräumte Nutzungsrecht entfallen.
Unter welchen Voraussetzungen eine Vergütung angemessen ist, ist in § 32 Abs. 2 UrhG bestimmt. Nach § 32 Abs. 2 Satz 1 UrhG ist eine nach gemeinsamen Vergütungsregeln (§ 36 UrhG) ermittelte Vergütung angemessen.
Gibt es keine solche von Vereinigungen von Urhebern und Werknutzern aufgestellten gemeinsamen Vergütungsregeln, ist eine Vergütung angemessen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist (§ 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG).
Die Regelungen der GVR Tageszeitungen sind insoweit gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 36 UrhG unmittelbar anzuwenden. Im Hinblick auf die vor dem Inkrafttreten der GVR Tageszeitungen eingereichten Textbeiträge des Klägers können deren Bestimmungen im Rahmen der gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG vorzunehmenden Prüfung als Vergleichsmaßstab und Orientierungshilfe herangezogen werden, ob eine Vergütung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist1.
Die Bestimmung des § 32 Abs. 1 Satz 1 UrhG knüpft den vertraglichen Vergütungsanspruch an die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung. Gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG ist für die Bestimmung der Angemessenheit der Vergütung zudem auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses und die eingeräumte Nutzungsmöglichkeit abzustellen. Daraus ergibt sich, dass die angemessene Vergütung auch dann geschuldet wird, wenn (noch) gar keine Nutzung stattgefunden hat2.
Aus diesen Regelungen folgt aber nicht, dass bei der Bestimmung einer angemessenen Vergütung gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG das Ausmaß der tatsächlichen Nutzung des Werkes ohne Bedeutung ist. Bei der Festsetzung der angemessenen Vergütung nach billigem Ermessen sind vielmehr alle zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbaren Umstände zu berücksichtigen. Das Gesetz nennt beispielhaft Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere Dauer und Zeitpunkt der Nutzung (§ 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG). In Betracht zu ziehen sind darüber hinaus neben den Marktverhältnissen, den Investitionen, der Risikotragung und den Kosten auch die Zahl der hergestellten Werkstücke oder öffentlichen Wiedergaben oder die Höhe der zu erzielenden Einnahmen3 und damit Umstände, die an die tatsächliche Nutzung anknüpfen. Können wie im Streitfall bei der Festsetzung einer angemessenen Vergütung nach billigem Ermessen gemeinsame Vergütungsregelungen als Vergleichsmaßstab und Orientierungshilfe herangezogen werden, sind zudem die darin geregelten Bemessungsgrundlagen maßgeblich zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn die Bestimmung der Vergütung an der tatsächlichen Werknutzung ausgerichtet ist4.
Auf dieser Grundlage ist bei der Beurteilung der Angemessenheit des dem Journalisten zustehenden Texthonorars auf die in § 2 GVR Tageszeitungen geregelten Grundlagen der Honorarabrechnung abzustellen. Nach dieser Bestimmung ist Maßstab für die Berechnung des Honorars der gedruckte Umfang des Beitrags und die Höhe der Auflage. Dabei ist die verkaufte Auflage nach IVW derjenigen Ausgaben zu Grunde zu legen, in denen der Beitrag veröffentlicht worden ist.
Dabei kann der in den GVR Tageszeitungen festgelegte Tarif für die Einräumung eines einfachen Nutzungsrechts („Zweitdruckrechts“ im Sinne von § 3a GVR Tageszeitungen) und nicht der Tarif für ein ausschließliches Nutzungsrecht („Erstdruckrecht“ im Sinne von § 3a GVR Tageszeitungen) herangezogen werden, wenn der Journalist dem Zeitungsverleger jeweils nur ein einfaches Nutzungsrecht eingeräumt hat. Mangels ausdrücklicher oder konkludenter Vereinbarung zwischen den Parteien kommt die Übertragungszwecklehre im Sinne von § 31 Abs. 5 UrhG zur Anwendung. Im Streitfall ist der Erwerb eines ausschließlichen Nutzungsrechts zur Erreichung des Vertragszwecks nicht erforderlich gewesen. Allein der Umstand, dass ein ausschließliches Nutzungsrecht im Interesse des Zeitungsverlegers und damit einer der Parteien gelegen haben könnte, kann nicht begründen, dass hier in Abweichung von der Regelung des § 38 Abs. 3 Satz 1 UrhG gehandelt worden ist.
Nach der Zweifelsregelung des § 38 Abs. 3 Satz 1 UrhG erwirbt der Verleger oder Herausgeber für den Fall, dass nichts anderes vereinbart ist, im Hinblick auf einen seiner Zeitung überlassenen Beitrag ein einfaches Nutzungsrecht.
Auch geltend, auf der Grundlage von § 6 Abs. 3 Satz 5 GVR Tageszeitungen ist nicht von einer abweichenden Vereinbarung im Sinne von § 38 Abs. 3 Satz 1 UrhG auszugehen. Nach dieser Bestimmung gilt ein Angebot des Journalisten ohne die Angabe, dass auch weiteren Verlagen ein entsprechendes Angebot gemacht worden sei, als Angebot des Beitrags zur Erstveröffentlichung (ausschließliches Nutzungsrecht gemäß § 38 Abs. 3 Satz 2 UrhG).
Der Bestimmung des § 6 Abs. 3 GVR Tageszeitungen lässt sich keine Regelung über den Umfang der Rechteeinräumung entnehmen, die der gesetzlichen Zweifelsregelung des § 38 Abs. 3 Satz 1 UrhG vorgeht. Anders als den Tarifvertragsparteien steht den Vereinigungen von Urhebern und Werknutzern keine Rechtssetzungskompetenz in Bezug auf den Umfang der Einräumung von Rechten zu. Gemeinsame Vergütungsregeln können deshalb keine Aussagen zum Umfang der Rechteeinräumung im Einzelfall treffen, sondern allein die Frage regeln, welche von den Parteien eingeräumten Rechte mit der dazu in Beziehung gesetzten Vergütung abgegolten sind5. Der Umfang der Rechteeinräumung bestimmt sich damit nach den allgemeinen Grundsätzen und nicht nach der Gemeinsamen Vergütungsregel.
§ 6 Abs. 3 GVR Tageszeitungen spiegelt auch keine der Anwendung des § 38 Abs. 3 Satz 1 UrhG entgegenstehende Verkehrssitte des Inhalts wider, dass die Einräumung geringerer Rechte als des ausschließlichen Nutzungsrechts ausdrücklich kenntlich zu machen ist.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Mai 2015 – I ZR 39/14
- vgl. BGH, Urteil vom 21.05.2015 – I ZR 62/14 Rn. 13 GVR Tageszeitungen I[↩]
- vgl. Schricker/Haedicke in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 32 UrhG Rn. 16; Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., § 32 UrhG Rn. 8[↩]
- BGH, Urteil vom 07.10.2009 – I ZR 38/07, BGHZ 182, 337 Rn. 54 Talking to Addison[↩]
- vgl. BGHZ 182, 337 Rn. 32 Talking to Addison[↩]
- vgl. Soppe in Möhring/Nicolini, Urheberrecht, 3. Aufl., § 38 UrhG Rn. 7[↩]