Werkaufführungen ohne allgemeine Marktnachfrage – und die Nettoeinzelverrechnung der GEMA
Die in Abschnitt XIII Buchst. A Ziffer 11 der Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan der GEMA für das Aufführungs- und Senderecht in der am 23./24.06.2009 beschlossenen Fassung (A-VPA 2010) getroffene Bestimmung zur Nettoeinzelverrechnung für Werkaufführungen, die ohne eine allgemeine Marktnachfrage stattfinden, verstößt gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Sieht der Verteilungsplan der GEMA im Bereich „U-Musik“ im Grundsatz die Kollektivverrechnung vor und greift eine Klausel über die Einzelverrechnung nicht ein, weil sie unwirksam ist, sind die Einnahmen nach der Kollektivverrechnung zu ermitteln. Der GEMA steht in diesem Fall kein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB zu.
Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof auf die Klage mehrerer Musikverlage gegen die GEMA.
Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) nimmt die ihr von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern aufgrund von Berechtigungsverträgen eingeräumten urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Musikwerken wahr und verteilt die Einnahmen aus der Verwertung der ihr eingeräumten Rechte auf der Grundlage von Verteilungsplänen an die Berechtigten. Die Verteilungspläne werden von der Mitgliederversammlung der GEMA beschlossen und bilden nach § 6 Buchst. a des Berechtigungsvertrages auch mit künftigen Änderungen dessen Bestandteil.
geschlossen. Über verschiedene Rechenschritte wurde jedem Werk ein Punktwert zugeordnet, anhand dessen sich nach Maßgabe des Verteilungsplans die Beteiligung jedes Berechtigten am Gesamtaufkommen bestimmte. Im Verfahren der Kollektivverrechnung ist mithin die anteilige Ausschüttung der Lizenzeinnahmen von den tatsächlich aus der Verwertung bestimmter Werke erzielten Einnahmen abgekoppelt. Dies konnte dazu führen, dass an den Urheber von bei einer Veranstaltung aufgeführten Werken ein Betrag ausgeschüttet wurde, der höher war als der von der GEMA für die Veranstaltung vereinnahmte Gesamtbetrag.
Neben der Kollektivverrechnung war in Abschnitt XIII Buchst. A der Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan für das Aufführungs- und Senderecht (im Folgenden: AVPA 2010) für bestimmte Sachverhalte eine Nettoeinzelverrechnung vorgesehen. Bei dieser Abrechnung richtet sich die Erlösbeteiligung nach der für die jeweilige Veranstaltung erzielten Lizenzvergütung und wird auf diese Weise durch die Höhe des tatsächlich vereinnahmten Inkassobetrages beschränkt. Die entsprechenden Bestimmungen lauteten in der nach Beschluss der Mitgliederversammlung der GEMA vom 23./24.06.2009 geltenden Fassung auszugsweise wie folgt:
XIII.
NettoeinzelverrechnungDie Nettoeinzelverrechnung von Aufführungen wird durchgeführt in folgenden Fällen: (…)
A. (…)
- Werkaufführungen, die bei einer Gesamtwürdigung aller Aufführungsumstände ohne eine allgemeine Marktnachfrage stattfinden. An einer allgemeinen Marktnachfrage kann es insbesondere fehlen, wenn
- bei der Aufführung weniger als 10 Zuhörer anwesend sind oder
- für die Aufführung kein angemessenes Eintrittsgeld erhoben oder die Aufführung nicht anderweitig angemessen vergütet wird.
Bei einer Verrechnung von Veranstaltungen innerhalb des Pauschalinkassovertrags wird in der Verrechnung ein Inkasso von EUR 20, – zugrunde gelegt. Bei einer Veranstaltungsdauer von weniger als einer Stunde reduziert sich dieser Betrag auf EUR 10, .
Wird eine Verrechnung nach dieser Ziffer reklamiert, entscheidet der Programmausschuss über die Verrechnung.
Die im hier entschiedenen Rechtsstreit klagenden Musikverlage haben mit der GEMA Berechtigungsverträge geschlossen und ihr darin die Nutzungsrechte an den von ihnen verlegten Musikwerken zur Auswertung eingeräumt. Die Musikverlage reichten bei der GEMA für das Jahr 2010 insgesamt 5693 Veranstaltungen mit ihren Verlagswerken zur Verrechnung ein. Die eingereichten Musikfolgen betrafen zum großen Teil Aufführungen, bei denen Piano-Musik als Hintergrundmusik in Hotels, Restaurants, Cafés und Bars dargeboten wurde. Das Programm bestand überwiegend aus eigenen Kompositionen des Aufführenden oder Werken von Komponisten, die nach Ansicht der GEMA mit den Musikverlagen wirtschaftlich verbunden waren.
Mit der vorliegenden Feststellungsklage wenden sich die Musikverlage gegen die von der GEMA beabsichtigte Verrechnung der von ihnen eingereichten Programme von Konzertveranstaltungen für das Kalenderjahr 2010 nach der Nettoeinzelverrechnung. Zudem begehren sie die Feststellung der Nichtigkeit der in Abschnitt XIII Buchst. A Ziffer 11 A-VPA 2010 getroffenen Regelung. Nach Ansicht der Musikverlage steht diese Regelung weder mit dem im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz niedergelegten Gebot der willkürfreien Verteilung des Gesamtaufkommens nach festen Regeln noch mit dem für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Transparenzgebot in Einklang. Die GEMA sei daher verpflichtet, die von den Musikverlagen zur Verrechnung eingereichten Programme bei der Verteilung des Vergütungsaufkommens nicht nach der Nettoeinzelverrechnung, sondern nach dem Verfahren für die Kollektivverrechnung zu berücksichtigen.
Das erstinstanzlich mit dem Rechtsstreit befasste Landgericht Berlin hat der Klage stattgegeben1. Das Kammergericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen2 Die hiergegen gerichtete; vom Kammergericht im Berufungsurteil zugelassene GEMA hat der Bundesgerichtshof nun ebenfalls zurückgewiesen:
Die in Abschnitt XIII Buchst. A Ziffer 11 A-VPA 2010 getroffene Regelung ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB unwirksam. Die GEMA ist daher nicht berechtigt, den an die Musikverlage auszuschüttenden Anteil am Gesamtvergütungsaufkommen nach Maßgabe dieser Bestimmung im Wege der Nettoeinzelverrechnung zu ermitteln. Sie hat die von den Musikverlagen geltend gemachten Veranstaltungen vielmehr im Wege der Kollektivverrechnung in der Sparte U zu berücksichtigen. Die GEMA ist auch zur Zahlung von Verzugszinsen auf den sich bei zutreffender Berechnung ergebenden Anteil der Musikverlage am Vergütungsaufkommen verpflichtet
Inhaltsübersicht
Nichtigkeit der Bestimmung zu Werkaufführungen ohne allgemeine Marktnachfrage[↑]
Das Kammergericht ist zutreffend von der Zulässigkeit und Begründetheit des auf Feststellung der Nichtigkeit der in Abschnitt XIII Buchst. A Ziffer 11 A-VPA 2010 getroffenen Regelung gerichteten Klageantrags zu 1 ausgegangen.
Der Feststellungsantrag ist zulässig. Mit Recht hat das Kammergericht ein rechtliches Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses darin gesehen, dass zwischen den Parteien Streit darüber besteht, ob der Anteil der Musikverlage am Gesamtvergütungsaufkommen für die von ihnen zur Verrechnung eingereichten Musikfolgen in Anwendung von Abschnitt XIII Buchst. A Ziffer 11 A-VPA 2010 im Wege der Nettoeinzelverrechnung zu ermitteln ist. Da die in Abschnitt XIII Buchst. A Ziffer 11 A-VPA 2010 niedergelegte Regelung weder für die Berechnung des Anteils der Musikverlage am Vergütungsaufkommen für das Jahr 2010 noch künftig zur Anwendung kommen kann, wenn festgestellt wird, dass eine Regelung dieses Inhaltes nichtig ist, ist der von den Musikverlagen begehrte Urteilsausspruch geeignet, die bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der Berechnung ihres Tantiemeanspruchs zu beseitigen.
Der Klageantrag der Musikverlage auch begründet. Die in Abschnitt XIII Buchst. A Ziffer 11 A-VPA 2010 getroffene Regelung hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB nicht stand und ist daher nichtig.
Das Kammergericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan A einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterliegen.
Bei den Regelungen des Berechtigungsvertrags handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Der Verteilungsplan ist Bestandteil des Berechtigungsvertrags (§ 6 Buchst. a des Berechtigungsvertrags). Die Bestimmungen des Verteilungsplans einschließlich seiner Ausführungsbestimmungen sind daher ebenfalls Allgemeine Geschäftsbedingungen3.
Die Bestimmungen des Verteilungsplans unterliegen der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB. Diese Vorschriften sind unabhängig davon auf Regelungen des Berechtigungsvertrags und auf den Verteilungsplan nebst Ausführungsbestimmungen anzuwenden, ob wie die GEMA geltend macht alle Wahrnehmungsberechtigten Unternehmer im Sinne von § 14 BGB sind (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB, vgl. auch Zeisberg in Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 3. Aufl., § 6 UrhWG Rn. 10; Schricker in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., vor §§ 28 ff. UrhG Rn. 32 f.; BeckOK UrhG/Freudenberg, Stand: 1.07.2015, § 6 UrhWG Rn. 27; Gerlach in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., § 6 UrhWG Rn. 7).
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Der Verwender ist daher gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners in Allgemeinen Geschäftsbedingungen klar, einfach und präzise darzustellen. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein und verlangt, die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau zu beschreiben, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen4. Bereits die Fassung einer Klausel muss der Gefahr vorbeugen, dass der Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Durch eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und auf diese Weise dem Verwender die Möglichkeit eröffnet, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die Klauselgestaltung abzuwehren, wird der Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt5.
Von diesen Grundsätzen ist das Kammergericht ausgegangen. Entgegen der Ansicht der GEMA hat es das Kammergericht für einen Verstoß gegen das Transparenzgebot nicht ausreichen lassen, dass die beanstandete Regelung zur Nettoeinzelverrechnung der GEMA einen Beurteilungsspielraum eröffnete. Das Kammergericht hat vielmehr darauf abgestellt, ob dieser Beurteilungsspielraum ungerechtfertigt war.
Das Kammergericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die in Abschnitt XIII Buchst. A Ziffer 11 AVPA 2010 niedergelegte Regelung nicht entsprechend den Anforderungen des Transparenzgebots hinreichend bestimmt angibt, unter welchen Voraussetzungen eine Nettoeinzelverrechnung von Aufführungen durchgeführt wird.
Das Kammergericht ist davon ausgegangen, bei dem in der beanstandeten Regelung verwendeten Begriff der „allgemeinen Marktnachfrage“ handele es sich nicht um einen fest umrissenen Begriff der Rechtssprache. Maßgebend seien deshalb die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden durchschnittlichen Vertragspartners. Der Begriff der „allgemeinen Marktnachfrage“ sei daher im Streitfall so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Wahrnehmungsberechtigter ihn bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen müsse. Danach sei die Regelung intransparent. Was unter einer „allgemeinen Marktnachfrage“ zu verstehen sei, sei auch nicht in den Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan näher definiert. Dies erschließe sich ferner nicht aus dem Kontext der Regelung und dem erkennbaren Sinnzusammenhang. Das Fehlen einer „allgemeinen Marktnachfrage“ solle durch eine „Gesamtwürdigung aller Aufführungsumstände“ ermittelt werden. Als Regelbeispiele, bei denen eine allgemeine Marktnachfrage fehlen könne, seien lediglich zwei Fälle genannt, und zwar dass bei der Aufführung weniger als zehn Zuhörer anwesend seien und dass für die Aufführung kein „angemessenes“ Eintrittsgelt erhoben oder die Aufführung „nicht anderweitig angemessen“ vergütet werde. Es bleibe offen, wie diese Kriterien im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu gewichten seien. Ebenso sei unklar, wie die unbestimmten Rechtsbegriffe („angemessenes Eintrittsgeld“ und „angemessene anderweitige Vergütung“) im Einzelfall auszufüllen seien. Den angeführten Regelbeispielen lasse sich auch keine die Gesamtwürdigung konkretisierende Bestimmung entnehmen. Zwar deuteten diese darauf hin, dass die GEMA den Begriff der „allgemeinen Marktnachfrage“ mithilfe von Umständen konkretisieren wolle, die wie die Zahl der Teilnehmer oder das Eintrittsgeld einen Bezug zu der konkreten Veranstaltung aufwiesen. Dies lege es nahe, dass nur solche Aufführungsumstände maßgeblich seien, die die konkrete Veranstaltung beträfen.
Tatsächlich wolle die GEMA nach ihrem Vortrag zur Feststellung einer fehlenden allgemeinen Marktnachfrage im Einzelfall aber auch Kriterien heranziehen, die
- ausschließlich werkbezogen seien (fehlendes Rundfunkaufkommen),
- ausschließlich oder überwiegend andere Aufführungen beträfen (keine oder wenige Nutzungsmeldungen durch unabhängige Dritte, vorgefertigte und gleichförmige Programme, auffallend häufige Nennung einzelner Berechtigter) oder
- allgemein auf einen Missbrauch hinwiesen, ohne an die konkrete Veranstaltung anzuknüpfen (enge wirtschaftliche oder persönliche Verflechtung zwischen den Berechtigten und den am Aufführungsgeschehen beteiligten Personen).
Diese und weitere nach Auffassung der GEMA bei der Prüfung einer allgemeinen Marktnachfrage heranzuziehende Kriterien (Hintergrundmusik, krasses Missverhältnis von gezahlter Lizenzvergütung und Tantieme bei kollektiver Verrechnung) seien in den Ausführungsbestimmungen nicht genannt. Sie könnten auch aus dem Sinnzusammenhang der Regelung nicht erschlossen werden. Zudem sei wiederum unklar, wie diese Kriterien im Rahmen der Gesamtwürdigung zu gewichten und wie die zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe („wenige“ Nutzungsmeldungen, „enge“ Verflechtung, „auffallend häufige“ Nennung, „krasses“ Missverhältnis) im Einzelfall auszufüllen seien. Die in Abschnitt XIII Buchst. A Ziffer 11 AVPA 2010 getroffene Regelung vermittele den Berechtigten damit nicht hinreichend klar, unter welchen Voraussetzungen es an einer „allgemeinen Marktnachfrage“ fehlen könne und die gemeldeten Programme der Nettoeinzelverrechnung unterfielen. Vielmehr seien die tatbestandlichen Voraussetzungen dort so ungenau beschrieben, dass für die GEMA ein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum entstehe. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Das Kammergericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der in der beanstandeten Regelung verwendeten Angabe der „allgemeinen Marktnachfrage“ nicht um einen hinreichend bestimmten Begriff handelt.
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB niedergelegten Transparenzgebot entspricht, ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders abzustellen6. Dabei sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden7. Für die Auslegung des Berechtigungsvertrages und des in diesen einbezogenen Verteilungsplans ist daher das Verständnis des Berechtigten maßgeblich, wobei die Regelungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich auszulegen sind. Es müssen mithin Umstände außer Betracht bleiben, die nur einzelnen Beteiligten bekannt oder erkennbar sind8. Richtet sich der Verwender mit der von ihm vorgegebenen Vertragsgestaltung an verschiedene Gruppen, ist daher sicherzustellen, dass sie für ein durchschnittliches Mitglied aller angesprochenen Gruppen hinreichend klar und verständlich ist9.
Von diesem rechtlichen Maßstab ist auch das Kammergericht ausgegangen. Es hat angenommen, es sei zu fragen, wie ein durchschnittlicher Wahrnehmungsberechtigter den Begriff der „allgemeinen Marktnachfrage“ bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen müsse. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Nach Ansicht der GEMA genügt die beanstandete Regelung schon deshalb den Bestimmtheitsanforderungen nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil die Musikverlage als Vertragspartner der GEMA als Unternehmer nach § 14 BGB sowie als Kaufmann nach § 1 HGB oder als Handelsgesellschaft gemäß § 6 Abs. 1 HGB anzusehen sind und eine Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB deshalb nur mit den Einschränkungen nach § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht kommt. Dem kann nicht zugestimmt werden.
Anders als die GEMA meint, sind die Anforderungen an die Transparenz von Vertragsbestimmungen im Geschäftsverkehr mit Unternehmern nicht generell geringer als im Rechtsverkehr mit Verbrauchern. Zwar ist bei Unternehmern aufgrund ihrer Geschäftserfahrung und der nach § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB zu berücksichtigenden Gewohnheiten und Gebräuche im Handelsverkehr von einer besseren Erkenntnis- und Verständnismöglichkeit als bei Verbrauchern auszugehen10. Dies führt jedoch nicht zu einer generellen Absenkung des durch § 307 Abs. 1 BGB gewährleisteten Schutzniveaus11. Die GEMA ist vielmehr nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehalten, die im Berechtigungsvertrag und im Verteilungsplan samt Ausführungsbestimmungen enthaltenen Regelungen, nach denen sie die von ihr treuhänderisch erzielten Einnahmen an die Berechtigten verteilt, so präzise zu formulieren, dass für die Wahrnehmungsberechtigten nachvollziehbar ist, unter welchen Voraussetzungen die GEMA anstelle der Kollektivverrechnung von Aufführungen ihrer Werke eine Nettoeinzelverrechnung durchführen wird12.
Ohne Erfolg macht die GEMA ferner geltend, es sei davon auszugehen, dass die Vertragspartner der GEMA als Unternehmer im Sinne von § 14 BGB den in der beanstandeten Regelung verwendeten Begriff der „allgemeinen Marktnachfrage“ zutreffend erfassten, weil dieser in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum zum Urheber- und Urheberrechtswahrnehmungsrecht gebräuchlich sei. Auch Unternehmern kann bei der Frage, ob das Transparenzgebot im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB eingehalten ist, kein juristischer Sachverstand unterstellt werden10. Von einem juristischen Laien kann schon die Kenntnis des Inhalts der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht erwartet werden13. Dies gilt erst recht für eine Kenntnis von obergerichtlicher Rechtsprechung und Meinungen in der rechtswissenschaftlichen Literatur. Abweichendes ist regelmäßig auch nicht bei einem Unternehmer anzunehmen, wenn nicht ausnahmsweise ein Geschäftsbereich unternehmerischen Handelns betroffen ist, in dem die Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung zur beruflichen Sorgfalt des Unternehmers gehört. Von einem solchen Ausnahmefall ist vorliegend nicht auszugehen.
Die GEMA meint außerdem, entgegen der Ansicht des Kammergerichts sei der Begriff der „allgemeinen Marktnachfrage“ ein Fachausdruck der Wirtschaftssprache, dessen Verständnis jedenfalls bei Unternehmern im Sinne von § 14 BGB vorauszusetzen sei. Diese verfügten typischerweise über Marktkenntnisse und könnten die Nachfrage nach ihren jeweiligen Waren oder Dienstleistungen genau einordnen. Damit kann die GEMA schon deshalb keinen Erfolg haben, weil es sich dabei um neuen Sachvortrag handelt, der in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen ist (§ 559 Abs. 1 ZPO). Die GEMA legt nicht dar, dass das Kammergericht einen entsprechenden Vortrag der GEMA verfahrensfehlerhaft übergangen hat.
Entgegen der Ansicht der GEMA ist eine hinreichende Bestimmtheit der beanstandeten Regelung auch nicht deshalb anzunehmen, weil die Klausel nach der Beurteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes als Aufsichtsbehörde der GEMA gemäß §§ 18 ff. UrhWG nicht unbestimmt und intransparent sei. In diesem Zusammenhang braucht nicht entschieden zu werden, ob und mit welcher Intensität eine Inhaltskontrolle von Regelungen in den Verteilungsplänen nach den Maßstäben des § 307 Abs. 1 BGB der Aufsicht des Deutschen Patent- und Markenamts nach § 19 UrhWG unterfällt. Jedenfalls ist die Beurteilung der Aufsichtsbehörde der GEMA für eine Kontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Gerichte nicht verbindlich.
Das Kammergericht hat mit Recht angenommen, die Bedeutung des Begriffs der „allgemeinen Marktnachfrage“ erschließe sich auch nicht aus den in Buchst. A Ziffer 11 AVPA 2010 angeführten Regelbeispielen, wonach es an einer allgemeinen Marktnachfrage insbesondere fehlen könne, wenn bei der Aufführung weniger als zehn Zuhörer anwesend seien oder für die Aufführung kein angemessenes Eintrittsgeld erhoben oder die Aufführung nicht anderweitig angemessen vergütet werde.
Das Kammergericht ist davon ausgegangen, dass die Regelbeispiele bereits für sich genommen nicht hinreichend klar gefasst sind. Seine Annahme, es sei offen, wie die in den Regelbeispielen verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe („angemessenes Eintrittsgeld“ und „angemessene anderweitige Vergütung“) im Einzelfall auszufüllen seien, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Soweit die GEMA geltend macht, der Begriff der Angemessenheit werde auch vom Gesetzgeber häufig ohne nähere Erläuterungen verwendet, geht sie von einem für die Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB unzutreffenden Maßstab aus. Nach dieser Bestimmung kommt es nicht auf die für eine Gesetzesauslegung maßgeblichen rechtlichen Grundsätze, sondern allein darauf an, wie eine Allgemeine Geschäftsbedingung nach der Anschauung eines verständigen und redlichen Vertragspartners unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden wird14.
Das Kammergericht hat weiterhin mit Recht das von der GEMA selbst vertretene Verständnis des Begriffs der „allgemeinen Marktnachfrage“ berücksichtigt. Bei der Beurteilung der Frage, ob dem Verwender durch eine Allgemeine Geschäftsbedingung ungerechtfertigte Beurteilungsspielräume eröffnet werden, ist es von Bedeutung, welches Verständnis dieser selbst von der fraglichen Regelung hat15. Es ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Kammergericht den Regelbeispielen keine Konkretisierung des Begriffs der „allgemeinen Marktnachfrage“ dahingehend entnommen hat, es seien nur solche Aufführungsumstände maßgeblich, die die konkrete Veranstaltung betreffen, weil die GEMA selbst nach ihrem Vortrag zur Feststellung einer fehlenden allgemeinen Marktnachfrage im Einzelfall auch Kriterien heranziehen will, die ausschließlich werkbezogen sind, ausschließlich oder überwiegend andere Aufführungen betreffen oder allgemein als Hinweis auf ein missbräuchliches Verhalten erscheinen.
Das Kammergericht hat die Unbestimmtheit der beanstandeten Regelung zutreffend auch damit begründet, dass nach dem Vortrag der GEMA für die Ausfüllung des Begriffs der „allgemeinen Marktnachfrage“ eine Vielzahl von Kriterien maßgeblich sein soll (fehlendes Rundfunkaufkommen, keine oder wenige Nutzungsmeldungen durch unabhängige Dritte, vorgefertigte und gleichförmige Programme, auffallend häufige Nennung einzelner Berechtigter, enge wirtschaftliche oder persönliche Verflechtung zwischen den Berechtigten und den am Aufführungsgeschehen beteiligten Personen, Hintergrundmusik, krasses Missverhältnis von gezahlter Lizenzvergütung und Tantieme bei kollektiver Verrechnung), die weder in den Ausführungsbestimmungen genannt sind noch hinreichend konkret aus dem Sinnzusammenhang der Regelung erschlossen werden können. Dieses von der GEMA vertretene Verständnis des Begriffs der „allgemeinen Marktnachfrage“ lässt erkennen, dass der Begriff eine Fülle von verschiedenen Fallgestaltungen erfassen kann, die mit den zwei Regelbeispielen nicht annähernd klar konkretisiert werden. Ob – wie die GEMA geltend macht – diese in den beanstandeten Bedingungen nicht zum Ausdruck kommenden Kriterien jedenfalls in einer Gesamtschau der Sache nach Aussagekraft für das Fehlen einer „allgemeinen Marktnachfrage“ haben können, ist für die Beurteilung der Frage unerheblich, ob bei der beanstandeten Regelung das Transparenzgebot im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB eingehalten ist.
Das Kammergericht hat den durch die Regelung in Abschnitt XIII Buchst. A Ziffer 11 AVPA 2010 eröffneten Beurteilungsspielraum als nicht gerechtfertigt angesehen. Auch diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Ohne Erfolg macht die GEMA geltend, eine Rechtfertigung der durch die angegriffene Vertragsregelung eröffneten Beurteilungsspielräume ergebe sich aus § 7 Satz 1 UrhWG.
Allerdings räumt diese Bestimmung, nach der die Verwertungsgesellschaft die Einnahmen aus ihrer Tätigkeit nach festen Regeln (Verteilungsplan) aufzuteilen hat, die ein willkürliches Vorgehen bei der Verteilung ausschließen, der Verwertungsgesellschaft beim Aufstellen und Ändern der Regeln des Verteilungsplans einen außerordentlich weiten Spielraum ein16. Dieser Spielraum betrifft indes die inhaltliche Ausgestaltung der Verteilung der Einnahmen. Insoweit kann die GEMA bei der Aufstellung der Regeln für die Verteilung in gewissem Umfang typisieren und pauschalieren17. Der bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Verteilung der Erlöse bestehende Beurteilungsspielraum kann es jedoch nicht rechtfertigen, Regelungen zu treffen, die derart unbestimmt gefasst sind, dass die Verteilungsgrundsätze nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen und die im Einzelfall von der GEMA anzuwendenden Grundsätze nicht vorhersehbar sind. Die im Verteilungsplan getroffenen Regelungen unterliegen deshalb nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unabhängig von dem der GEMA bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Verteilung gemäß § 7 Satz 1 UrhWG eingeräumten Beurteilungsspielraum der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB18.
Die GEMA ist ferner der Auffassung, soweit die angegriffenen Vertragsbedingungen Beurteilungsspielräume eröffneten, seien diese jedenfalls deshalb gerechtfertigt, weil es nicht möglich, zumindest aber nicht zumutbar sei, den Begriff der „allgemeinen Marktnachfrage“ weitergehend als nach der angegriffenen Regelung bereits geschehen zu konkretisieren. Auch damit zeigt die GEMA keinen Rechtsfehler des Kammergerichts auf.
Allerdings darf das Transparenzgebot den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht überfordern. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen. Dementsprechend brauchen die notwendig generalisierenden Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht einen solchen Grad an Konkretisierung anzunehmen, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen ausreichend flexibel bleiben, um künftigen Entwicklungen und besonderen Fallgestaltungen Rechnung tragen zu können, ohne dass von ihnen ein unangemessener Benachteiligungseffekt ausgeht. Die Anforderungen an die mögliche Konkretisierung dürfen deshalb nicht überspannt werden; sie hängen auch von der Komplexität des Sachverhalts unter den spezifischen Gegebenheiten des Regelungsgegenstands ab19.
Entgegen der Ansicht der GEMA hat das Kammergericht diese Grundsätze seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Es ist davon ausgegangen, dass es der GEMA obliegt, die Voraussetzungen, nach denen die Verrechnung vorgenommen wird, im Verteilungsplan und seinen Ausführungsbestimmungen im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren so klar und genau wie möglich zu umschreiben. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte für die Annahme ersichtlich, dass das Kammergericht die Anforderungen an die Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Konkretisierung des Begriffs der „allgemeinen Marktnachfrage“ überspannt hat.
Die GEMA rügt zu Unrecht, das Kammergericht habe eine Klauselgestaltung verlangt, die eine einzelfallbezogene Subsumtion unter bestimmte Rechtsbegriffe von vornherein entbehrlich mache und einen solchen Grad an Konkretisierung erreiche, dass alle Eventualitäten erfasst würden und im Einzelfall keine Zweifelsfragen auftreten könnten. Solche Anforderungen sind dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen.
Entgegen der Ansicht der GEMA kann auch nicht generell davon ausgegangen werden, dass eine nicht abschließende Aufzählung von zwei Regelbeispielen ausreichend ist, um die Bedeutung eines unbestimmten Begriffs in einer dem Transparenzgebot genügenden Weise zu veranschaulichen. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.
Ohne Erfolg macht die GEMA ferner geltend, die Ansicht des Kammergerichts, eine Verwertungsgesellschaft müsse ihren Verteilungsplan so transparent wie möglich gestalten, ohne dabei über einen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zu verfügen, führe zu dem Ergebnis, dass der Verteilungsplan einer Verwertungsgesellschaft höheren Bestimmtheitsanforderungen genügen müsse als der Plan eines Gerichtspräsidiums über die Geschäftsverteilung nach § 21e GVG. Die GEMA geht dabei unzutreffend davon aus, das Kammergericht habe angenommen, dass die GEMA über keinen Beurteilungsspielraum verfüge. Das Kammergericht hat vielmehr ausgeführt, die GEMA müsse – auch im Interesse der Verwaltungsvereinfachung – beim Aufstellen der Regeln für die Verteilung der Erlöse unvermeidbar in gewissem Umfang typisieren und pauschalieren und dürfe sich dabei unbestimmter Rechtsbegriffe bedienen.
Entgegen der Ansicht der GEMA gelten für die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zudem andere Maßstäbe als für die inhaltliche Bestimmtheit von gerichtlichen Geschäftsverteilungsplänen. Bei der Erstellung von Geschäftsverteilungs- und Mitwirkungsplänen eines Gerichts geht es mit Rücksicht auf das Gebot des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darum, vermeidbare Spielräume bei der Heranziehung der einzelnen Richter zur Entscheidung einer Sache auszuschließen. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt nicht schon vor, wenn zur Bestimmung des gesetzlichen Richters auslegungsbedürftige Begriffe verwendet werden. Auslegungszweifel in Bezug auf die zur Vorausbestimmung des gesetzlichen Richters verwendeten Kriterien sind unschädlich, solange sie nicht den Weg zu einer Besetzung der Richterbank von Fall zu Fall eröffnen, sondern mit den herkömmlichen juristischen Methoden zu bewältigen sind20. Demgegenüber geht es beim Transparenzgebot im Rahmen der Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB darum zu vermeiden, dass dem Klauselverwender durch eine unbestimmte Formulierung der Vertragsbestimmung die Möglichkeit eröffnet wird, begründete Ansprüche des Vertragspartners unter Hinweis auf die Klauselgestaltung abzuwehren und so den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen zu benachteiligen. Maßgeblich ist insoweit nicht, ob der Regelungsgehalt einer Allgemeinen Geschäftsbedingung mit Hilfe von juristischen Auslegungsmethoden zutreffend bestimmt werden kann, sondern ob unter Zugrundelegung des Maßstabs eines verständigen und redlichen Vertragspartners schon nach dem Wortlaut der Bedingung die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen und so ein willkürliches Vorgehen des Klauselverwenders ausgeschlossen wird.
Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass es der GEMA nicht möglich oder nicht zumutbar war, die beanstandete Regelung näher zu konkretisieren.
Das Kammergericht hat insoweit mit Recht berücksichtigt, dass die GEMA selbst eine Vielzahl von Kriterien zur näheren Konkretisierung des Begriffs der „allgemeinen Marktnachfrage“ geltend gemacht hat, die in der beanstandeten Vertragsbestimmung nicht als weitere Regelbeispiele aufgeführt sind und die jedenfalls teilweise andere Gesichtspunkte betreffen als die veranstaltungsbezogenen Regelbeispiele. Daraus ergibt sich, dass der GEMA eine nähere Konkretisierung der beanstandeten Regelung möglich war.
Im Streitfall fehlen auch Anhaltspunkte für die Annahme, dass der GEMA eine weitergehende Konkretisierung der in Abschnitt XIII Buchst. A Ziffer 11 AVPA 2010 getroffenen Regelung nicht zumutbar ist. Die GEMA macht insoweit geltend, diese Regelung wäre ihrer Wirksamkeit zur Bekämpfung des Verteilungsmissbrauchs beraubt, wenn der Begriff der allgemeinen Marktnachfrage mittels einer abschließenden Aufzählung von Tatbestandsmerkmalen definiert werden müsste. Sie sei dann nicht mehr ausreichend flexibel, um künftigen Entwicklungen und besonderen Fallgestaltungen Rechnung tragen zu können. Infolgedessen würden einzelne Berechtigte in die Lage versetzt, den Zweck der Regelung zu umgehen, indem sie – wie schon in der Vergangenheit – ihr Aufführungsverhalten anpassen könnten, um die formalen Kriterien des Verteilungsplans für eine Kollektivverrechnung zu erfüllen und dadurch zu ihrem Vorteil nicht leistungsgerechte Ausschüttungen zu erhalten.
Mit diesem Vorbringen hat die GEMA keinen Erfolg. Sie hat nicht dargelegt, dass die GEMA die Unzumutbarkeit einer näheren Konkretisierung unter dem Gesichtspunkt der konkreten Umgehungsgefahr vorgetragen und das Kammergericht einen solchen Vortrag verfahrensfehlerhaft übergangen hat. Das Vorbringen kann deshalb in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden (§ 559 Abs. 1 ZPO). Davon abgesehen hat das Kammergericht einen Verstoß gegen das Transparenzverbot nicht deshalb angenommen, weil der Begriff der allgemeinen Marktnachfrage nicht mittels einer „abschließenden“ Aufzählung von Tatbestandsmerkmalen definiert ist. Es ist vielmehr davon ausgegangen, die GEMA habe die Voraussetzungen für das Eingreifen der Nettoeinzelverrechnung durch die beanstandete Fassung der in Abschnitt XIII Buchst. A Ziffer 11 AVPA 2010 getroffenen Regelung in einer Weise ungenau beschrieben, dass für die GEMA ein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum besteht. Zudem kann das Bestehen einer potentiellen Umgehungsgefahr es nicht rechtfertigen, dass ein Klauselverwender die gesetzlichen Anforderungen des Transparenzgebots gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB außer Acht lässt. Die GEMA ist vielmehr gehalten, auf eventuelle neue Missbrauchsstrategien einzelner Berechtigter mit einer den gesetzlichen Anforderungen der Bestimmtheit genügenden Anpassung der Verteilungsregelungen zu reagieren.
Keine entsprechende Nettoeinzelverrechnung[↑]
Das Kammergericht hat ferner zutreffend angenommen, die Unwirksamkeit der streitbefangenen Regelung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB habe zur Folge, dass die von den Musikverlagen zur Verrechnung angemeldeten Musikfolgen nach Maßgabe der Sparte U zu verrechnen sind.
Das Kammergericht ist durch Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil davon ausgegangen, dass den Musikverlagen aus dem Berechtigungsvertrag ein Anspruch zusteht, am Lizenzaufkommen in gleicher Weise wie die übrigen Berechtigten beteiligt zu werden. Da die GEMA mit der beanstandeten Regelung ihr gemäß § 315 BGB bestehendes Verteilungsermessen in unbilliger Weise ausgeübt und keine sonstigen Einwendungen gegen die Richtigkeit der eingereichten Programme geltend gemacht habe, verbleibe es bei der allgemeinen Verrechnung nach Maßgabe der Sparte U. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Die Unwirksamkeit der in Abschnitt XIII Buchst. A Ziffer 11 A-VPA 2010 niedergelegten Bestimmung zur Nettoeinzelverrechnung hat zur Folge, dass diese Regelung für die Verrechnung der von den Musikverlagen eingereichten Musikfolgen nicht angewandt werden kann. Die übrigen Bestimmungen des zwischen den Parteien bestehenden Wahrnehmungsvertrages einschließlich des Verteilungsplans nebst Ausführungsbestimmungen bleiben hiervon jedoch unberührt, § 306 Abs. 1 BGB.
Diese Bestimmungen sehen eine Nettoeinzelverrechnung von Aufführungen von Werken der Unterhaltungsmusik nur in den in Abschnitt XIII Buchst. A ausdrücklich geregelten Fällen vor. Die GEMA macht nicht geltend, dass die von den Musikverlagen zur Verrechnung angemeldeten Veranstaltungen einen anderen der in Abschnitt XIII A-VPA 2010 genannten Tatbestände erfüllten und das Kammergericht entsprechenden Vortrag der GEMA in den Instanzen übergangen hat oder, dass die Voraussetzungen für eine Zurückstellung der eingereichten Programme von der Verrechnung gemäß Abschnitt – IV Ziffer 4 der Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan vorgelegen hätten. Die Verrechnung ist daher nach Maßgabe der Regelungen des Verteilungsplans vorzunehmen, die zur Anwendung kommen, wenn die Voraussetzungen für eine Nettoeinzelverrechnung nach Abschnitt XIII Buchst. A A-VPA 2010 nicht gegeben sind. Dies sind die Regelungen der Kollektivverrechnung in der Sparte „U“.
Die GEMA bringt demgegenüber vor, im Streitfall seien gemäß § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Vorschriften und daher das aus dem Wahrnehmungsvertrag folgende Leistungsbestimmungsrecht der GEMA gemäß § 315 BGB anzuwenden. Danach sei die GEMA nicht nur berechtigt, sondern sogar gesetzlich verpflichtet, die Wiedergabe der im Verlag der Musikverlage erschienenen Werke im Kalenderjahr 2010 bei der Verteilung des Vergütungsaufkommens nach dem Verfahren der Nettoeinzelverrechnung gemäß Abschnitt XIII Buchst. A A-VPA 2010 anstatt nach der Kollektivverrechnung zu berücksichtigen. Bei Anwendung der Kollektivverrechnung würden die Musikverlage von den auf die Wahrnehmung des Aufführungsrechts entfallenden Einnahmen der GEMA einen Anteil erhalten, der die Erlöse der GEMA aus der Lizenzierung des Rechts, die in den Verlagen der Musikverlage erschienenen Werke aufzuführen, um ein Vielfaches überstiege. Die Solidargemeinschaft aller von der GEMA vertretenen Berechtigten müsste dann die Kosten für sämtliche derart dem Leistungsprinzip widersprechenden Ausschüttungen tragen und wäre dadurch in gravierender Weise belastet. Demgegenüber sei die Nettoeinzelverrechnung, die das Leistungsprinzip am reinsten verwirkliche, mit keinem unzumutbaren Verwaltungsaufwand verbunden. Damit dringt die GEMA nicht durch.
Die GEMA hat ihr Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB durch die Aufstellung des Verteilungsplanes, zu der sie nach § 7 Satz 1 UrhWG verpflichtet ist, ausgeübt21. Dieser Verteilungsplan sieht die Durchführung der Nettoeinzelverrechnung unter Ausschluss bestimmter Werkaufführungen aus der im Übrigen zur Anwendung kommenden Kollektivverrechnung nur in den in Abschnitt XIII ausdrücklich aufgeführten Fällen vor. Eine Bestimmung, nach der es der GEMA vorbehalten wäre, das Prinzip der Nettoeinzelverrechnung als dem Leistungsprinzip am ehesten gerecht werdender Verteilungsgrundsatz in Einzelfällen jederzeit zur Anwendung zu bringen, enthält der Verteilungsplan nicht. Aus dieser Systematik des Verteilungsplans folgt, dass in allen Fällen, in denen nach den im Vorhinein festzulegenden Vergütungsregeln keine Nettoeinzelverrechnung durchzuführen ist, die im Übrigen vorgesehene Kollektivverrechnung greift.
Eine Berechtigung der GEMA, für den Fall der Unwirksamkeit der Regelungen zur Nettoeinzelverrechnung gemäß Abschnitt XIII Buchst. A A-VPA 2010 diese im Rahmen eines Leistungsbestimmungsrechts im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB zur Anwendung zu bringen, ergibt sich auch nicht aus einer ergänzenden Vertragsauslegung.
Eine ergänzende Vertragsauslegung ist auf einen beiderseitigen Interessenausgleich gerichtet, der aus einer objektivgeneralisierenden Sicht dem hypothetischen Vertragswillen typischer Parteien Rechnung trägt. Sie zielt nicht darauf ab, eine unwirksame, den Vertragspartner des Klauselverwenders unangemessen benachteiligende Klausel durch eine der unausgewogenen Regelung im Kern gleichende Gestaltung zu ersetzen22. Die inhaltsgleiche Ersetzung der unwirksamen Klauseln unterliefe die gesetzliche Sanktion der Unwirksamkeit gemäß § 307 Abs. 1 BGB und ist schon aus diesem Grund mit den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung nicht zu vereinbaren. Dies gilt auch, wenn die Unwirksamkeit (allein) auf einem Verstoß gegen das Transparenzgebot beruht. Die in der nicht klaren und verständlichen Regelung der Rechte und Pflichten des Vertragspartners liegende unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 BGB kann nicht dadurch beseitigt werden, dass die unwirksame intransparente Klausel durch eine materiell inhaltsgleiche (transparente) Klausel ersetzt wird23.
Verzugszinsen[↑]
Mit Recht hat das Kammergericht die Verpflichtung der GEMA zur Zahlung von Verzugszinsen auf den sich bei zutreffender Berechnung ergebenden Anteil der Musikverlage am Vergütungsaufkommen angenommen (§ 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB). Die GEMA macht ohne Erfolg geltend, die GEMA habe einen Zahlungsrückstand im Streitfall nicht zu vertreten (§ 286 Abs. 4 BGB).
Das Kammergericht hat angenommen, dass sich die GEMA in den Instanzen nicht auf Umstände berufen hat, aus denen auf ein fehlendes Verschulden geschlossen werden kann. Dass das Kammergericht Vortrag der GEMA hierzu übergangen hat, zeigt die GEMA nicht auf und ist auch sonst nicht ersichtlich. Soweit die GEMA erstmals mit der Revisionsbegründung Tatsachen vorträgt, die nach ihrer Ansicht auf ein fehlendes Verschulden schließen lassen, kann sie mit diesem Vorbringen in der Revisionsinstanz nicht mehr gehört werden (§ 559 Abs. 1 ZPO).
Unabhängig davon bestehen im Streitfall auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die GEMA – wie von der GEMA geltend gemacht – hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit der streitbefangenen Ausführungsbestimmung zum Verteilungsplan in einem entschuldigenden Rechtsirrtum befunden hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt fahrlässig, wer sich erkennbar im Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss24. Nach diesem Maßstab musste die GEMA mit der Möglichkeit rechnen, dass die hier in Rede stehende Regelung von einem Gericht für unwirksam gehalten wird. Auch das Nichteinschreiten der Aufsichtsbehörde konnte kein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Regelung begründen. Das Kammergericht hat auch keine überspannten Anforderungen an das Formulierungsermessen der GEMA gestellt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Oktober 2015 – I ZR 136/14
- LG Berlin, Urteil vom 19.02.2013 – 16 O 161/12[↩]
- KG, Urteil vom 21.05.2014 – 24 U 69/13[↩]
- st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 05.12 2012 – I ZR 23/11, GRUR 2013, 375 Rn. 13 = WRP 2013, 518 – Missbrauch des Verteilungsplans, mwN[↩]
- st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 31.05.2012 – I ZR 73/10, BGHZ 193, 268 Rn. 34 Honorarbedingungen Freie Journalisten; BGH, GRUR 2013, 375 Rn. 35 Missbrauch des Verteilungsplans[↩]
- BGH, Urteil vom 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11, 24[↩]
- BGHZ 164, 11, 24; BGH, Urteil vom 21.07.2010 XII ZR 189/08, NJW 2010, 3152 Rn. 29; Urteil vom 09.06.2011 – III ZR 157/10, NJW-RR 2011, 1618 Rn. 27; MünchKomm-.BGB/Wurmnest, 6. Aufl., § 307 Rn. 62; Staudinger/Coester, BGB, Neubearbeitung 2013, § 307 Rn. 183[↩]
- BGH, NJW 2010, 3152 Rn. 29[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.12 2008 – I ZR 23/06, GRUR 2009, 395 Rn. 25 = WRP 2009, 313 – Klingeltöne für Mobiltelefone I[↩]
- BeckOK BGB/H. Schmidt, Stand: 1.05.2015, § 307 Rn. 47[↩]
- BGH, NJW 2010, 3152 Rn. 30[↩][↩]
- vgl. MünchKomm-.BGB/Wurmnest aaO § 307 Rn. 62; BeckOK BGB/H. Schmidt aaO § 307 Rn. 48[↩]
- vgl. BGH, GRUR 2013, 375 Rn. 35 Missbrauch des Verteilungsplans[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2012 – VIII ZR 337/11, BGHZ 194, 121 Rn. 46[↩]
- vgl. BGH, NJW 2010, 3152 Rn. 29[↩]
- vgl. BGH, GRUR 2013, 375 Rn. 37 – Missbrauch des Verteilungsplans[↩]
- BGH, Urteil vom 24.09.2013 – I ZR 187/12, GRUR 2014, 479 Rn. 25 = WRP 2014, 568 Verrechnung von Musik in Werbefilmen[↩]
- BGH, GRUR 2014, 479 Rn. 21 ff. – Verrechnung von Musik in Werbefilmen[↩]
- vgl. BGH, GRUR 2013, 375 Rn. 12 ff., 35 Missbrauch des Verteilungsplans, mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 09.06.2011 – III ZR 157/10, NJW-RR 2011, 1618 Rn. 27 mwN[↩]
- BVerfG, Plenumsbeschluss vom 08.04.1997 – 1 PBvU 1/95, NJW 1997, 1497, 1498 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.05.2005 – – I ZR 299/02, GRUR 2005, 757, 759 = WRP 2005, 1177 – PRO-Verfahren[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 21.12 2010 – XI ZR 52/08, NJW-RR 2011, 625 Rn. 16[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 01.02.1984 – – VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 78; Urteil vom 12.10.2005 – IV ZR 245/03 42 f.[↩]
- BGH, GRUR 2014, 479 Rn.19 Verrechnung von Musik in Werbefilmen[↩]